OWL Crime - Podcast

Missbrauchsfall in Lügde: Der Prozess

Die Zeugen sind teilweise noch Kinder und die Schilderungen kaum auszuhalten. In der aktuellen Podcastfolge geht es um den Prozess des Missbrauchsfalls aus Lügde.

Auf dem Campingplatz in Lügde im Kreis Lippe waren Kinder für Pornodrehs missbraucht worden. Im Fall von Lügde sitzen ein 56-Jähriger sowie ein 33-Jähriger aus Steinheim und ein 48-Jähriger aus dem niedersächsischen Stade wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Verbreitung von Kinderpornografie als Hauptverdächtige in Untersuchungshaft. | © dpa

Jennifer Retslav
09.11.2023 | 28.02.2024, 15:10

Kreis Lippe. Auf dem Campingplatz "Eichwald" in Lügde-Elbrinxen missbrauchen Andreas V. und Mario S. über Jahrzehnte hinweg dutzende Kinder im Alter zwischen vier und 13 Jahren. Ein weiterer Mann soll außerdem per Videochat zugeschaut und Anweisungen gegeben haben - sein Name ist Heiko V.

Trotz zahlreicher Hinweise kommen die grausamen Taten erst Ende 2018 an die Öffentlichkeit. Im Juni 2019 startet der Prozess gegen die drei Angeklagten. Ihnen wird hundertfacher sexueller Missbrauch von Kindern und der Besitz von kinderpornografischen Inhalten vorgeworfen.

Prozess um den Missbrauchsfall in Lügde - alle Fakten im Überblick

Am ersten Verhandlungstag legen alle drei Angeklagte Geständnisse ab. Somit sind die Aussagen der Kinder kein Muss sondern geschehen freiwillig.

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Der Prozess gegen Heiko V. wird vom übrigen Prozess abgekoppelt. Er bekommt eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Das löst Fassungslosigkeit bei der Zeugin und der Bevölkerung aus.

Es werden Videos als Beweismittel vor Gericht abgespielt. Die Reaktion der Schöffen spricht Bände. Vor dem Landgericht demonstrieren 70 Menschen wegen des Urteils gegen Heiko V.

Der Prozess droht durch einen Krankenhausaufenthalt von Andreas V. zu platzen. Damit der Fall nicht neu aufgerollt werden muss, wird der Angeklagte für fünf Minuten in den Gerichtssaal transportiert.

Die Behörden und die Politik werden ebenfalls von einem Untersuchungsausschuss überprüft und sollen alle Unterlagen zum Fall nach Düsseldorf schicken.

Die Richterin kommt zu dem Urteil, dass Andreas V. für 13 Jahre in Haft geht und Mario S. für 12 Jahre mit anschließender Sicherheitsverwahrung.

Der Prozess beginnt mit drei Geständnissen

Die Angeklagten Mario S. (l) und Andreas V. (mit Aktenordner) stehen im Gerichtssaal des Landgerichts nebeneinander. Die beiden Angeklagten sollen über Jahre auf einem Campingplatz in Lügde hundertfach Kinder sexuell missbraucht und dabei gefilmt haben. - © Verwendung weltweit
Die Angeklagten Mario S. (l) und Andreas V. (mit Aktenordner) stehen im Gerichtssaal des Landgerichts nebeneinander. Die beiden Angeklagten sollen über Jahre auf einem Campingplatz in Lügde hundertfach Kinder sexuell missbraucht und dabei gefilmt haben. | © Verwendung weltweit

Überraschend legen alle drei Angeklagten am ersten Verhandlungstag ein Geständnis ab. Sie räumen die vorgeworfenen Taten weitestgehend ein und Mario S. beteuert sogar, eine Therapie machen zu wollen. Die Richterin weist trotz der außergewöhnlich schrecklichen Taten auf die Unschuldsvermutung hin.

Trotz der Geständnisse werden ein paar Kinder als Zeugen angehört, da das Gericht sich einen Eindruck ihrer Verfassung machen möchte. Das Treffen dieser Aussagen vor Gericht ist für die Kinder allerdings freiwillig. Darunter ist eine 19-jährige Frau, die dem Gericht zeigen möchte, dass die Angeklagten keine Kontrolle mehr über ihr Leben haben. Ihre Aussage führte die Ermittler auch auf die Spur des dritten Angeklagten Heiko V.

Das Verfahren von Heiko V. wird von dem Hauptverfahren getrennt. Er wird wegen der Anstiftung und Beihilfe zu schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern verurteilt und bekommt dafür eine zweijährige Bewährungsstrafe. Er sei nicht pädophil und habe aus Langeweile gehandelt.

Andreas V. beschuldigt die Mutter, von der Tat gewusst zu haben

Sechster Prozesstag im Fall Lügde: Andreas V. steht an einem Zusatztermin am Freitag vor Gericht. Er wirkt geschwächt und wird von medizinischem Personal des Justizkrankenhauses begleitet. - © Kateryna Akulenko
Sechster Prozesstag im Fall Lügde: Andreas V. steht an einem Zusatztermin am Freitag vor Gericht. Er wirkt geschwächt und wird von medizinischem Personal des Justizkrankenhauses begleitet. | © Kateryna Akulenko

Auch die Mutter der Pflegetochter von Andreas V. ist als Zeugin geladen. Sie traf Andreas V. mit 18 im Freibad und sie wurden Freunde. Da die junge Mutter ihre Tochter nicht versorgen konnte, willigte sie ein, dass Andreas V. der Pflegevater wird. Sie erfuhr erst im November 2018 von dem Missbrauch, nachdem das Jugendamt ihre Tochter von Andreas V. abholte.

Der Angeklagte Andreas V. stellt eine Anzeige gegen die Mutter, da die Zehnjährige sich ihrer Mutter schon im August 2018 anvertraut haben soll. Bei einem Telefonat zwischen der Mutter und Andreas V. soll die Mutter 2.000 Euro Schweigegeld gefordert haben. Andreas V. konnte das Geld angeblich nicht schnell genug aufbringen, weshalb die Mutter die Polizei alarmierte. Diese Aussage bestritten die Mutter und ihr Anwalt und wollten Andreas V. wegen falscher Verdächtigung und übler Nachrede anzeigen.

Beweisvideo wird im Gerichtssaal abgespielt

Bei den Ermittlungen zum Missbrauchsfall Lügde auf dem Campingplatz Eichwald in Elbrinxen ist einiges schief gegangen. Ein Untersuchungsausschuss soll den Vorgang nun prüfen. - © Archivfoto: Vera Gerstendorf-Welle
Bei den Ermittlungen zum Missbrauchsfall Lügde auf dem Campingplatz Eichwald in Elbrinxen ist einiges schief gegangen. Ein Untersuchungsausschuss soll den Vorgang nun prüfen. | © Archivfoto: Vera Gerstendorf-Welle

Neben Mails, die der Angeklagte mit den Opfern ausgetauscht hat, wurde den Prozessbeteiligten auch ein Video gezeigt. In diesem missbrauchte Mario S. ein Kind. Die Beteiligten im Saal reagieren mit Abscheu und Ekel - einige wendeten den Blick ab. Auch im Zuschauerraum konnte man einen Eindruck von der grausamen Tat bekommen. Hier hörte man allerdings nur das Audio des Videos.

Knapp eineinhalb Monate nach der Verurteilung von Heiko V. werden auch Andreas V. und Mario S. verurteilt. Andreas V. muss 13 Jahren in Haft und sein Komplize Mario S. für 12 Jahre. Beide kommen anschließend in Sicherheitsverwahrung. Die Opfer und der Oberstaatsanwalt sind mit dem Urteil zufrieden.