Weitere Wendung: Hells-Angels-Chef geht gegen Bielefelder Urteil vor

Bielefeld. Es begann mit einer großen Rocker-Razzia in Bielefeld. SEK-Einheiten stürmten fünf Wohnungen mutmaßlicher Hells-Angels-Rocker, Kripo-Experten für Organisierte Kriminalität hatten alle Hände voll zu tun. Sie ermittelten gegen fünf Männer, die einen Mitrocker überfallen, eingesperrt und im Clubheim schwer misshandelt haben sollen. Schwere Vorwürfe. Im Verlauf des Prozesses bröckelten sie jedoch nach und nach. Am 7. November kam nach langen juristischen Kämpfen das nicht so schnell erwartete Urteil. Doch auch das wird nun angegriffen. Der Präsident der inzwischen aufgelösten Bielefelder Hells Angels bekam wegen gefährlicher Körperverletzung eine Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, der zweite Haupttäter ebenfalls. Ihre beiden Komplizen wurden wegen Beihilfe zu einem Jahr und zwei Monaten Haft verurteilt, weil sie die Taten abgesichert hatten. Alle vier Haftstrafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Trotzdem: Wie Guiskard Eisenberg, Sprecher des Bielefelder Landgerichts, bestätigte, haben nun drei der vier Verurteilten Revision gegen ihre Bewährungsurteile eingelegt. Das überrascht insofern, als dass das Urteil auf eine zuvor getroffene Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zurückzuführen ist. Alle vier Angeklagten hatten schließlich ein allgemein gehaltenes Geständnis abgegeben. Lesen Sie dazu: Überraschendes Urteil im Bielefelder Rockerprozess Rocker-Anwälte rügen das Bielefelder Urteil Doch dagegen gehen nun die Verteidigungen des Hells-Angels-Präsidenten sowie der beiden wegen Beihilfe verurteilten Männer (beide 31 Jahre alt) vor. Sie haben beim Bundesgerichtshof (BGH) Revision gegen die Urteile eingereicht. Eine konkrete Erklärung, welche Entscheidungen in der Urteilsbegründung der 2. Großen Strafkammer die Anwälte rügen, ist allerdings bisher nicht bekannt. Eine konkrete Revisionsbegründung muss erst später vorgelegt werden. Lesen Sie dazu: Hintergründe zur Razzia unter Bielefelder Hells Angels Was heißt das für den sehr langwierigen Prozess? Drei der vier Urteile sind damit immer noch nicht rechtskräftig. Lediglich der zweite Haupttäter (27), der derzeit wegen einer anderen Gewalttat in Haft sitzt, akzeptierte sein Urteil. Nun muss der BGH die ausführliche Begründung der Rocker-Anwälte abwarten und das Urteil des Landgerichts auf mögliche Fehler überprüfen. Der Landgerichtsprozess war vom ersten Verhandlungstag an von zahlreichen Anträgen der Verteidiger begleitet. Einige der Anträge hatten Nachermittlungen zur Folge, andere nicht. Der Hauptbelastungszeuge des Verfahrens, der misshandelte Mitrocker, den die fünf Hells Angels offenbar mit Gewalt aus ihrem Rockerclub entfernen wollten, berichtete zwar viel, aber dafür sehr widersprüchlich. Hauptbelastungszeuge aus Bielefeld hat Angst um sein Leben Berichte von Schlägen mit einem Baseballschläger lösten sich auf diese Weise später in Luft auf. Auch die Zahl der Männer, die konkret an der Tat beteiligt gewesen sein soll, schrumpfte im Laufe des Prozesses, bis der psychisch stark angeschlagene Zeuge schließlich sogar gänzlich die Aussage verweigerte – aus Angst um sein Leben. Unter Motorradclub-Mitgliedern gilt es als Sakrileg, Mitrocker an die Behörden zu verpfeifen. Deshalb ist es als außergewöhnlich anzusehen, wenn Hells Angels überhaupt vor Gericht aussagen. Deal vor Bielefelder Gericht: Geständnisse für Bewährung Schließlich brachte auch eine Beugehaft des Zeugen kein Umdenken. Der 2. Großen Strafkammer blieb nur noch der Weg einer Verständigung. Vereinfacht gesagt lautete der Deal: Es kann Bewährungsstrafen geben, wenn ihr gesteht. Angesichts der ursprünglich im Raum stehenden Haftstrafen (drei der vier Rocker hatten bereits U-Haft hinter sich) kamen die vier Angeklagten dem nach und gestanden die Tat grob. Dafür mussten sie nicht hinter Gitter. Nun warten sie die Entscheidung des BGH ab. Sollte in letzter Instanz ein Fehler in der Urteilsbegründung zu entdecken sein, muss der gesamte Fall neu vor einer anderen Kammer des Landgerichts verhandelt werden. Dass das Opfer dann noch einmal aussagt, gilt als unwahrscheinlich. Lesen Sie dazu: Überraschende Entlassung aus U-Haft im Bielefelder Hells Angels-Prozess

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