Invasive Arten verändern natürliche Lebensräume in OWL

Bielefeld. Die großen, bunten Sträucher im Dünenfeld auf dem Sennefriedhof in Bielefeld erwecken den Eindruck, der Natur hier geht es gut. Doch der Schein trügt - der Großteil der hier wachsenden Pflanzen sind invasive Arten. Also Pflanzen, die von Natur aus nicht in Deutschland vorkommen, sondern erst durch den Einfluss des Menschen hierhergekommen sind. In der Biologie nennt man sie auch Neophyten, wie Mathias Wennemann, Vorsitzender des Naturwissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und Umgegend, erklärt. Neophyten sind Pflanzen, die seit der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 vom Menschen in fremde Gebiete gebracht wurden. "Oft wurden solche Pflanzenarten auch in botanischen Gärten angepflanzt, um den Leuten zu zeigen, welche Arten es auf anderen Kontinenten gibt. Dann sind sie jedoch ausgebüxt und haben sich verbreitet", erklärt der freiberufliche Biologe. Von diesen Arten gibt es einige auf dem Sennefriedhof - und in ganz Ostwestfalen-Lippe. Invasive Pflanzenarten in OWL Eine dieser Arten ist die Schneebeere, einigen auch als Knallerbsenstrauch bekannt. Die Schneebeere kommt oft an Waldrändern in OWL vor. Aufgrund ihres großen Wurzelgeflechts wächst die nordamerikanische Pflanze sehr üppig. Damit vertreibt sie allerdings heimische Arten und ist gleichzeitig sehr schwer zu entfernen, da sich schnell neue Triebe entwickeln. Besonders dramatisch ist auch die Verbreitung der Späten Traubenkirsche. Ihretwegen verschwinden offene Sandflächen. "Das wichtigste Biotop für die Senne sind offene Sandböden. Doch davon haben wir hier im Dünenfeld auf dem Sennefriedhof nur noch knapp 100 Meter. Und das ist eine der letzten Flächen in ganz Bielefeld", berichtet Wennemann. Das sei besonders dramatisch, weil rund 75 Prozent der Wildbienen in diesen offenen Sandflächen leben. Ihre Zerstörung fördert somit auch das Wildbienensterben. Gut für die Biene ist wiederum die Goldrute. "Die wurde von Imkern hierher gebracht, weil sie besonders nektarreich ist", sagt Mathias Wennemann. Was für Bienen gut ist, ist für andere Insektenarten wiederum schlecht. Denn auch die Goldrute vertreibt heimische Pflanzenarten, die Lebensräume für hiesige Insekten schaffen. Besonders problematisch: Durch die Bestäubung der Bienen breitet sich die Goldrute äußerst schnell aus, wie der 57-Jährige erklärt. Generell haben es heimische Insekten in Gebieten mit invasiven Pflanzenarten schwer, wie der Biologe berichtet. Dort können sich invasive Insektenarten wiederum umso besser ausbreiten. Neben den genannten gibt es noch viele weitere invasive Pflanzen- und Tierarten in Deutschland. Eine von der Europäischen Union zusammengestellte Liste aller gebietsfremden Arten gibt es hier. Wie kann die Verbreitung invasiver Arten vermieden werden? Wie Mathias Wennemann erklärt, ist Artenreichtum ein Heilmittel gegen invasive Arten. "Neophyten können sich vor allem in schwachen Biotopen ausbreiten. Also Lebensräume, die übernutzt sind und in denen viele heimische Arten ausgestorben sind." Pflanzenvielfalt ist also ein wichtiger Faktor im Kampf gegen invasive Arten - auch im eigenen Garten. Worauf sollte ich bei Gartenpflanzen achten? Wer seinen eigenen Garten oder Balkon attraktiver für heimische Arten gestalten will, sollte Lippenblütler und Körbchenblütler verpflanzen, rät der Experte. Dazu gehören beispielsweise die Margerite und Zitronenmelisse. Die sind besonders gut für blütenbesuchende Insekten. Generell sollte es vermieden werden, invasive Arten zu verpflanzen. Wer sich beim Kauf unsicher ist, ob es sich um heimische oder invasive Pflanzenarten handelt, sollte laut Wennemann nicht zögern, direkt bei Verkäufern nachzufragen. Auch Unkräuter können für Insekten wichtig sein, wie der Biologe erklärt. Er rät deshalb davon ab, sämtliches Unkraut im Garten, oder zwischen den Fugen auf dem Balkon, zu entfernen. Wenn Gartenpflege auf dem Programm steht, ist es außerdem wichtig, auf die richtige Entsorgung zu achten. "Kompost sollte auf keinen Fall in den Wald gebracht werden. Sonst kann es schnell passieren, dass sich Samen von invasiven Arten dort ausbreiten", sagt der Biologe. Besser ist ein Kompostbehälter im eigenen Garten - oder die Biotonne. Was kann ich tun, wenn ich eine invasive Art entdecke? Wer eine invasive Pflanzenart im eigenen Garten entdeckt, sollte diese entfernen. Wer sich unsicher ist, ob es sich wirklich um eine gebietsfremde Pflanze handelt, kann spezielle Pflanzenapps zur Identifizierung nutzen. Auch die Mitglieder des Naturwissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und Umgegend können helfen. "Wir geben gerne Tipps und schätzen die Lage vor Ort ein", sagt Wennemann. Für invasive Arten auf öffentlichen Flächen sind die Kommunen zuständig. Laut Bundesnaturschutzgesetz müssen die zuständigen Behörden die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen treffen, um "die Einbringung oder Ausbreitung von invasiven Arten zu verhindern oder zu minimieren".

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