
Wer ein Päckchen mit Saatgut in seinem Briefkasten findet, das er nicht bestellt hat, sollte Vorsicht walten lassen. Solche Sendungen – oft aus China – sind für die Behörden Anlass für Warnungen. Was dahinter steckt und was Betroffene tun sollten, wenn sie ein solches Paket erhalten.
Warum unbekanntes Saatgut so gefährlich ist
„Im ersten Moment wirkt ein Saatguttütchen harmlos“, sagt Bernhard Schäfer vom Julius Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. „Auch wenn man es nicht bestellt hat, freut man sich über die Gratis-Probe und erwägt vielleicht die Aussaat im heimischen Garten.“ Aber genau davor warnt er. Denn: „Von solchem unbekannten Saatgut geht eine Gefahr für unsere Natur und sogar die Landwirtschaft aus.“
Der Inhalt könne von Krankheiten und Schädlingen befallen sein oder es könne sich sogar um eine invasive Pflanze handeln, die sich dann unkontrolliert ausbreitet und heimische Pflanzen verdrängt. Beispiele von invasiven Arten, die in OWL vorkommen, sind etwa die schnell wachsende und deshalb schwer zu entfernende Schneebeere und die Goldrute. Letztere ist zwar nektarreich und somit gut für Bienen, aber schlecht für andere Insekten – denn sie vertreibt Pflanzen, die vielen Insekten einen Lebensraum bieten. Generell rät das JKI davon ab, Saatgut aus Nicht-EU-Ländern zu kaufen, selbst wenn alle Papiere korrekt sind.
Wie wurde das Saatgut entdeckt?
Bis Anfang Juni wurden am Flughafen Frankfurt bei Kontrollen etwa 65.000 Sendungen mit Saatgut aus China ohne die notwendigen Papiere zur Einfuhr und ohne Pflanzengesundheitszeugnisse entdeckt. Überwiegend sei darin nicht bestelltes Saatgut gewesen. Oft fielen die Päckchen aber dadurch auf, dass der Inhalt falsch angegeben war, zum Beispiel als Schmuck.
Andere Bundesländer sollen von der Masche kaum betroffen sein, berichten die Behörden. Weil sich am Flughafen in Frankfurt das DHL-Postzentrum befindet, tritt das Phänomen hier besonders häufig auf. Den von hier aus werden Päckchen aus China nach ganz Deutschland weiterverschickt.
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Was steckt hinter den Sendungen von Saatgut?
Die Absicht hinter den unbestellten Sendungen ist bislang nicht eindeutig geklärt. Möglich sind aber folgende Gründe:
- Ein sogenannter „Brushing Scam“: Dabei handelt es sich um betrügerische Tricks, die das Ziel haben, Verkaufszahlen von meist billigen Produkten künstlich in die Höhe zu treiben. „Brushing“ bedeutet zu Deutsch „Bürsten“ und bezieht sich auf den Versuch, das Image zu „polieren“. Saatgut komme für diese Methode deshalb infrage, weil es leicht und günstig ist und als Briefsendung verschickt werden kann. Betrüger können außerdem gefälschte Bewertungen unter geklautem Namen für ein Produkt schreiben.
- Suche nach Schwachstellen: Eintrittspunkte in die EU können durch die Saatgutsendungen schnell und einfach getestet werden. So könnten die Verantwortlichen Stellen finden, an denen nicht einfuhrfähige Sendungen leichter durchkämen, heißt es vom Regierungspräsidium.
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Gab es schon ähnliche Fälle?
Unbestellte Saatgutsendungen aus China seien kein neues Phänomen, sagt das Julius Kühn-Institut. Ähnliche Vorkommnisse habe es auch schon 2020 in Deutschland und anderen EU-Mitgliedsstaaten gegeben. Das zuständige Regierungspräsidium Gießen zählte damals mehr als 126.000 solcher Sendungen.
Was Betroffene tun sollten
- 🌱 Auf keinen Fall aussähen: Die zuständigen Behörden empfehlen dringend, unbestellte Samen nicht einzupflanzen, da es sich um eine invasive Art handeln könne.
- 🗑️ Richtig entsorgen: Die Samen sollten im Hausmüll entsorgt werden – nicht im Kompost oder in der Biotonne.
- 📲 Keine QR-Codes abscannen: Manche Betrüger fügen ihren Sendungen QR-Codes hinzu. Diese können auf gefälschte oder betrügerische Websites leiten und sollten deshalb nicht abgescannt werden.
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