Zum 100. Geburtstag des Bertelsmann-Patriarchen

„Mein Vater Reinhard Mohn hat mich tief geprägt“

Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, schreibt über ihren Vater. Sie schätzte einige Eigenschaften an ihm ganz besonders.

Brigitte Mohn hat sich eher selten öfentlich zu ihrem Vater geäußert. Zu dessen 100. Geburtstag tut sie es. | © Jens Dünhölter

29.06.2021 | 29.06.2021, 17:18

„Oft, wenn ich Menschen über meinen Vater Reinhard Mohn sprechen höre, die ihn gekannt oder über ihn gelesen haben, denke ich: „In der Tat – er war nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer und Denker, sondern auch ein besonderer Mensch, der sich selbst, seine Arbeit und den unternehmerischen Erfolg in den Dienst der Gesellschaft stellte."

Welch ein Glück hat man als Kind, wenn dieser Mensch gleichzeitig der eigene Vater ist. Dies empfand ich immer als Privileg. So konnte ich bis zu seinem Tode von ihm lernen und in der Begleitung seiner Liebe, seines Vertrauens und der mir von ihm zugesprochenen Freiheit in einem klaren Wertegefüge aufwachsen. Schon sehr früh hat er mir gezeigt, dass es wichtig ist, den eigenen Weg zu finden, frei und unabhängig zu denken und im Sinne der Gemeinschaft zu handeln.

Reinhard Mohn hätte am 21. Juni dieses Jahres seinen 100. Geburtstag gefeiert. Dieses Bild zeigt ihn im Jahr 2006. - © Jens Dünhölter
Reinhard Mohn hätte am 21. Juni dieses Jahres seinen 100. Geburtstag gefeiert. Dieses Bild zeigt ihn im Jahr 2006. | © Jens Dünhölter

Ich bin dankbar für eine lange gemeinsame Wegzeit in der Familie und später im Umfeld des Unternehmens und der Stiftung. Er hat mich tief geprägt mit seinem feinsinnigen Humor, seiner Reflektionsfähigkeit, komplexe Sachverhalte in Systemen zu hinterfragen und verstehbar zu machen, seiner ruhigen Art Probleme zu lösen und seiner großen Toleranz gegenüber anderen.

Und es gab die wundervolle Seite an ihm, die des mit Schalk und einer unbändigen Lebensfreude und Entdeckergeistes gesegneten Menschen. „Gibt es nicht, gab’s nicht", er war zu jedem Unfug bereit und wir durften alles ausprobieren. Er vermittelte mir immer: geh los und entdecke die Welt. Er war der Fels in der Brandung. Er stand. Geprägt durch eine strenge Erziehung, die frühen, harten Jahre im Krieg und den Aufbau des Unternehmens war er derjenige, der mich „mich selbst" werden ließ. Durch Fördern und Fordern.

„Die Entscheidung für dein Leben kannst nur du selbst treffen"

Dazu gehört seine die Aussage, die ich heute jungen Menschen sagen würde: „Die Entscheidung für dein Leben kannst nur du selbst treffen". Ich werde diese Worte nie vergessen und je älter ich wurde, desto mehr habe ich verstanden, was er mir sagen wollte. Ich hätte mir keinen besseren Lehrer vorstellen können, der mich darauf vorbereitet, dass das Leben nur eine kurze Gastzeit auf dieser Welt ist, in der wir uns maximal einbringen können, wenn wir es wollen und unsere Chancen ergreifen.

Menschen wie mein Vater haben den unternehmerischen Erfolg immer als Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft gesehen. Ich bin überzeugt, dass gerade die junge Generation diese Chance der Gestaltung hat, ausgerichtet auf die Erfüllung der nachhaltigen Entwicklungsziele der UN und der Eindämmung der Konsequenzen, die wir Menschen verursachen.

Dies setzt voraus, dass die ältere Generation in ihren Machtansprüchen zurücktritt und einen Führungswechsel vorbereitet und begleitet. Ihre Aufgabe ist, die nicht mehr tragfähigen Ordnungssysteme zu verändern und die damit inhaltlich verbundenen komplexen Fragen in kurzer Zeit zu lösen."