Mindener Familienunternehmen in der fünften Generation: „Geblieben sind unsere Grundwerte“

Minden. Als Karl Preuß am 10. April 1900 seinen Kolonialwarenladen in Barkhausen eröffnete, hatte er sicher nicht geplant, damit den Grundstein für eine große inhabergeführte Supermarktkette zu legen. 125 Jahre später gibt es 30 Märkte mit 2.000 Mitarbeitern. Im Interview des Mindener Tageblatts sprechen Karl Stefan und Karlotta Preuß als vierte und fünfte Generation über die enge Verbindung von Familie und Unternehmen. Herr Preuß, Sie haben schon als Kind in der Leergutannahme im Stammgeschäft in Barkhausen mitgeholfen. Wie war ihr erster Kontakt zu Wez, Frau Preuß? Karlotta Preuß: Bereits als Kind war ich viel mit meinem Opa und meinem Vater in unseren Märkten unterwegs. Mit 16 habe ich dann neben der Schule im Wez an der Marienstraße gearbeitet, insbesondere im Bereich Obst und Gemüse. Karl Stefan Preuß: Man wächst nicht nur in einer Familie auf, sondern auch mit einem Unternehmen. Die Geschichte mit der Leergutannahme erzähle ich gern, um meine Nähe zum Geschäft zu betonen. Unsere Unternehmensgröße lässt ja vermuten, dass die Inhaber mit 30 Märkten und fast 2.000 Mitarbeitern nicht mehr nah am Tagesgeschäft sind. Aber wir haben immer noch den Anspruch einer Verbindung von Unternehmensführung und Marktnähe. Es ist also wichtig, in ein Unternehmen reinzuwachsen, um das Geschäft richtig zu verstehen? Karlotta Preuß: Ich glaube, das geschieht im Familienunternehmen ganz selbstverständlich, da geschäftliches Geschehen und unternehmerische Aufgaben in der Familie besprochen und schon als Kind wahrgenommen werden. Außerdem sind wir als lokaler Lebensmitteleinzelhändler in der Region fest verwurzelt. Über unsere Kunden, Mitarbeiter und unser Engagement sind wir mit allen Gesellschaftsgruppen verbunden und das erfährt man auch persönlich schon früh im Leben. Ist das mehr Fluch oder mehr Segen? Karl Stefan Preuß: Einkaufen ist etwas aus der Lebenswelt aller Menschen. Zu seinem Supermarkt fällt jedem etwas ein und zu diesem Austausch muss man als Händler immer bereit sein – auch in der Freizeit. Dann kommt entweder Positives, zum Beispiel über vorbildliche Mitarbeiter Karlotta Preuß: oder manchmal auch Negatives, zum Beispiel fehlende Grillkohle bei bestem Wetter - das bleibt nicht lange unbemerkt. Karl Stefan Preuß: Fluch ist es aber niemals - es ist schön, wenn man angesprochen wird Karlotta Preuß: und es freut uns, dass es vielen Menschen etwas bedeutet. Einkaufen gehen ist etwas sehr Persönliches, da ist der Supermarkt fast wie ein Zuhause Karl Stefan Preuß: &bdquo;125 Jahre Lebensmittelpunkt“ ist unser Wortspiel zu diesem Selbstverständnis - wir sind sowohl Einkaufsstätte als auch Begegnungsstätte. Gab es auch einmal den Gedanken, diesen Weg nicht einzuschlagen oder war es für sie beide selbstverständlich, ins Unternehmen einzusteigen? Karl Stefan Preuß: Die Abwägung zwischen diesem und anderen Wegen hatte ich bis zum Abitur und während der Wehrpflicht. Anschließend habe ich zunächst eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht. Meine Geschwister haben andere Wege eingeschlagen und auch ich bin von meinen Eltern nicht gedrängt worden. Nach der Ausbildung habe ich mich entschieden und weiter auf die Nachfolge meines Vaters vorbereitet, weil es eine wunderbare Chance war. Karlotta Preuß: Auch mein älterer Bruder und ich haben uns schon früh mit dem Unternehmen beschäftigt. Während sich bei ihm ein anderer beruflicher Weg abzeichnete, wurde für mich die Überlegung kontinuierlich konkreter. Nach meinem Abitur habe ich zunächst Sozialarbeit in Argentinien geleistet und anschließend Psychologie und Verhaltensökonomie, eine Mischung aus Psychologie und Betriebswirtschaft, in Mannheim, München und Bergen studiert. Nach dem Studium war ich dann zur weiteren Vorbereitung einige Jahre in einer Unternehmensberatung und in der österreichischen Handelsgruppe Spar tätig. Mit der Geburt unseres ersten Kindes sind wir dann 2021 zurückgekehrt und ich bin im Unternehmen eingestiegen Karl Stefan Preuß: zunächst als Projektmanagerin Karlotta Preuß: und nach der Geburt meines zweiten Kindes seit 2024 als geschäftsführende Gesellschafterin. Mein Einstieg war also ein kontinuierlicher Prozess Karl Stefan Preuß: und der wurde von meiner Seite mit dem Projekt &bdquo;Friends of Karlotta“ begleitet Ein berühmtes Filmzitat Karl Stefan Preuß: aus &bdquo;Tote tragen keine Karos“ – einer Film-Noir-Parodie, in der wird &bdquo;FOC“ aber mit C geschrieben, mein Ordner heißt &bdquo;FOK“. Ich habe mir einfach seit 15 Jahren bei jeder Entscheidung der Unternehmens- und Organisationsentwicklung Gedanken gemacht, ob das auch für und mit Karlotta funktionieren würde. Unser Generationenübergang sollte gut vorbereitet sein, sowohl atmosphärisch als auch inhaltlich. Wenn ich morgen ausfiele, würde das Unternehmen gut weitergeführt. Das wird vermutlich nicht jeder Unternehmer mit 65 sagen können. Das operative Geschäft wird inzwischen erfolgreich von Karlotta und Rüdiger Heß geleitet. Wie viel Erfahrung aus dem eigenen Einstieg haben sie mitgenommen in den jetzigen Übergang? Karl Stefan Preuß: Karlotta hat es mir leichter gemacht als ich meinem Vater. Der Übergang zwischen Vätern und Söhnen ist anders, mit mehr Reibungsenergie, aber die gemeinsame Zeit von 1991 bis 1998 war dennoch fruchtbar. Karlotta Preuß: Zwischen Euch beiden herrschte auch immer grundsätzlich große Wertschätzung. Karl Stefan Preuß: Ja, immer noch. Es vergeht kaum kein Tag, an dem ich mich nicht gedanklich mal an meinen Vater wende, schon weil er mich an meinem Schreibtisch aus unserer Ahnengalerie anblickt. Ein Familienunternehmen bekommt man anvertraut, man denkt an die vorherige und an die nächste Generation, es gehört einem nicht, es ist die Sozialverpflichtung des Kapitals im besten Sinne. Wie viel vom ursprünglichen Geist steckt 125 Jahre nach der Gründung noch im Unternehmen? Karl Stefan Preuß: Das sollte man nicht romantisieren. Heute ist eine erhebliche Professionalisierung notwendig, um ein Unternehmen gesund durch die Zeit zu führen. Stichworte sind Wettbewerbsintensität, Konsumvolatilität und Komplexitätsreduktion. Unsere Vorgänger hatten dagegen existenzielle Herausforderungen zu bewältigen. Die ersten Generationen mussten Weltkriege und Wirtschaftskrisen überstehen. Mein Vater hat sich kurz nach seinem Einstieg schneller als andere dem Thema Selbstbedienung geöffnet. Das war für den Einzelhandel ein Paradigmenwechsel und die Grundlage für eine Erfolgsgeschichte in der Zeit des deutschen Wirtschaftswunders. Karlotta Preuß: Bis heute geblieben sind unsere Grundwerte: Dankbarkeit, Verantwortung und Gestaltungswillen. Neben allen Transformationen steckt im Familienunternehmen auch viel Kontinuität. Genau wie mein Vater damals mit uns Marktbesuche durchgeführt hat, sind mein Mann und ich nun mit unseren Kindern, der 6. Generation, in unseren Häusern unterwegs, das bedeutet uns viel. 2017 haben sie Marke WEZ von Rot-Gelb mit Pfeil auf Edeka umgestellt. Hat sich das gelohnt? Karl Stefan Preuß: Das Rebranding war mit der Verbindung der nationalen Markenkraft der Edeka und der regionalen Markenstärke von Wez erfolgreich. Wir haben seit Jahren eine Entwicklung, die über dem Branchen-Durchschnitt liegt. Insbesondere Karlotta legt Wert auf Bewahrung der regional gelernten und geschätzten Händlermarke Wez. Gleichzeitig stellen wir heute als Unternehmensgruppe den Namen Preuß wieder mehr in den Vordergrund. Neben Edeka Wez und E-Center betreiben wir inzwischen Edeka Preuß Märkte im Werre Park und Bad Salzuflen und die kleineren Nah & Gut Preuß Märkte, die sich nach Übernahme und Umbau zweistellig entwickeln. Karlotta Preuß: Diese Nahversorger sind vor allem für die ältere und teilweise weniger mobile Bevölkerung im ländlichen Raum wichtig und wir erfahren dort große Wertschätzung. Aber es gibt auch größere Projekte. Wie sieht es aus in Espelkamp und Bad Oeynhausen? Karl Stefan Preuß: In Bad Oeynhausen planen wir am Tor zur Innenstadt hinter der historischen Fassade des Autohaus Fuhrken ein E-Center. Der Markt wird vermutlich 2027 eröffnet, aber dafür müssen Stadt und Land zunächst die Erschließung finalisieren. Zeitlich näher liegt 2026 die Eröffnung eines E-Center im früheren Real-Markt in Espelkamp. Hier wurde bereits die Einrichtungsplanung und das Ladendesign entwickelt. Und auch die Neuaufstellung des Marktes in Lahde ist in Bearbeitung. Für diese Pläne muss auch die wirtschaftliche Entwicklung passen. Die letzten Zahlen wurden für das Jahr 2022 veröffentlicht, damals lag der Umsatz bei etwa 265 Millionen Euro. Wie waren die Jahre danach? Karl Stefan Preuß: 2024 hat das Unternehmen einen Jahresumsatz von 350 Millionen Euro erzielt, für 2025 planen wir mit 375 Millionen. Nach dem Umsatzschub für die Vollversorger während der Pandemie haben sich die Discounter in den zwei Jahren der Inflation einen Teil der Marktanteile zurückgeholt. In der Zehnjahresbetrachtung hatten wir ein kontinuierliches Wachstum über dem Branchendurchschnitt. Inzwischen finden sich neben den discountnahen &bdquo;Gut und günstig“-Produkten auch immer mehr Wez-Eigenmarken. Was steckt dahinter? Karlotta Preuß: Die Wez-Produkte stammen entweder aus eigener Herstellung, wie unser Hauskaffee, die Convenience-Produkte von Holland’s und jetzt auch die Fleischerei-Produkte von Timmerberg oder von exklusiven Partnern aus unserer Region, beispielsweise bei Obst und Gemüse, Eiern, Milch und anderen Frischwaren. Lebensmittel aus unserer Region nehmen bereits einen Umsatzanteil von mehr als 15 Prozent ein und sie werden bei uns stark gefördert. Lesen Sie auch: Edeka WEZ-Bedientheken erhalten Auszeichnung Das heißt, Wez wird hier bewusst als Marke gewählt? Karl Stefan Preuß: Teilweise, beispielsweise bei unseren Kartoffeln. Die liefert unser langjähriger Partner Heinz Fischer aus Hille. Wez ist ein Vertrauenslabel und wir verwenden es bei regionalen Produkten meistens in Verbindung mit der Marke des Erzeugers. Karlotta Preuß: Wir freuen uns natürlich über jeden Euro, der hier in die Region fließt und wenn unsere Partner hier wachsen und die Region attraktiv gestalten. Das sichert Arbeitsplätze, schafft Kaufkraft und ist Regionalförderung im besten Sinne Karl Stefan Preuß: und es ist auch unser wichtigster Nachhaltigkeitsbeitrag. Der größte Hebel sind nicht unsere Solaranlagen, Elektroautos und Nachhaltigkeitstechnik, sondern der Regionalanteil unserer Produkte. Dadurch verringern wir große Mengen an Transport-Emissionen auf der Beschaffungsseite. Karlotta Preuß: Als Lebensmitteleinzelhändler empfinden wir es auch als unsere Verantwortung saisonale und regionale Ernährung zu fördern und das Bewusstsein zu schärfen. Mitarbeiter, Kunden und Umwelt sind gleichrangige Förderziele in unserem Leitbild. Wir sind ein vorbildlicher und fairer Arbeitgeber, versorgen die Menschen mit guten und gesunden Lebensmitteln und haben dabei auch unsere Heimat im Blick. Wenn die nächste Generation ins Unternehmen kommt, dann ändern sich möglicherweise auch Schwerpunkte und Perspektiven. In welchen Punkten unterscheiden sie sich? Karlotta Preuß: Unser Fokus und unsere Einsatzbereiche sind unterschiedlich. Ich bin viel im operativen Tagesgeschäft involviert, mein Vater viel im strategischen Bereich, auch bei der Edeka und bei Themen Expansion, Strategie und Unternehmenskommunikation. Ich verantworte Teile des Vertriebs, Prozesse und die Organisationsentwicklung und bin dabei viel und gerne in den Märkten unterwegs und mit unseren Mitarbeitern und Kunden in Kontakt. Ihr Vater konnte mit dem Unternehmen wachsen, sie sind jetzt plötzlich für knapp 2.000 Mitarbeiter verantwortlich. Was macht das mit Ihnen? Karlotta Preuß: Natürlich trete ich in große Fußstapfen und lerne jeden Tag dazu. Seit ich mich vor gut zehn Jahren für die Nachfolge meines Vaters in unserem Unternehmen entschieden habe, hat es sich noch einmal stark entwickelt. Mit unseren 30 Häusern in vier Vertriebsschienen, 20 Backshops, dem Catering-Unternehmen mit Produktion und Event-Management, der Rösterei und dem Fleischerfachgeschäft sind wir mittlerweile eine mittelständische Unternehmensgruppe rund um das Thema Lebensmittel und selbstverständlich habe ich mich gefragt, ob ich mir die Aufgabe zutraue. Aber nach guter Vorbereitung und mit der Verlässlichkeit eines starken Teams um meinen Vater und unseren Geschäftsführungskollegen Rüdiger Heß in der Unternehmenszentrale, in den Märkten und in den anderen Unternehmenssparten blicke ich zuversichtlich auf die weitere Unternehmensentwicklung und denke gern an die letzten Worte meines Opas: &bdquo;Macht was draus“. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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