Zu Fuß vom Herforder Tierpark zum Stuckenberg

Herford. Es tropft. Überall. Es zwitschert. Überall. Es duftet nach Wald. Überall. Aus einem nassen Brombeerdickicht springt ein Rehkitz auf und verschwindet zwischen dunklen Fichten. Noch kann es das, noch ragen hier oben ein paar Nadelbäume in den Himmel. Aber der Wald ist im Wandel – was einen ausgedehnten Spaziergang allerdings nicht uninteressanter macht. Begonnen hat mein Weg am Herforder Tierpark. Direkt gegenüber vom Parkplatz geht dort ein Weg in den Wald hinein. Heute ist er ziemlich matschig, in der Nacht hat es kräftig geregnet. Kalt ist es jetzt trotzdem nicht. Aus dem Farnkraut am Wegesrand steigt leichter Dunst auf. Es riecht nach Laub und Erde. Zahllose Wassertropfen fallen von den hohen Bäumen in einen kleinen dunklen Tümpel zu meiner Linken. In der von Ringen bewegten Wasseroberfläche spiegelt sich eine Rabenkrähe auf einem toten Ast. Sofort bin ich in einer anderen Welt. Der Buntspecht frühstückt, der Eichelhäher schimpft Große Eichen stehen hier unten. Und Buchen. Die glatte Rinde ihrer mächtigen Stämme glänzt nass und schwarz. Nur hier und da ist mal eine Fichte oder auch eine Lärche zu sehen. Der Gesang der Buchfinken ist allgegenwärtig. Ein frühstücksuchender Buntspecht macht durch lautes Hacken an einem morschen Ast auf sich aufmerksam. In einem triefendnassen Ilex sitzt ein aufgeplusterter Zaunkönig und hat keine Lust zu singen. Und über mir schimpft ein Eichelhäher. Bestimmt nicht über den Regen. Eher über mich. Ein quietschorangefarben gekleideter Jogger kreuzt meinen Weg. Schon fast eine gespenstische Erscheinung in all dem Grün, das mich umgibt und mir den Begriff "Waldbaden” auf einmal sehr sinnig erscheinen lässt. An einer Wegkreuzung steht ein schiefer Wegweiser aus verwittertem Holz: &bdquo;Herford, 2 km" steht dort geschrieben. Und &bdquo;Bad Salzuflen, 3 km". Und wo bin ich jetzt? Im Niemandsland? Vier Wege habe ich an dieser Stelle zur Auswahl. Ich habe einen schlechten Orientierungssinn. Vorsichtshalber gehe ich nur geradeaus. "Wirklich schön hier”, denke ich mir. Und auch nicht allzu steil. Muss ich mir mal merken, vielleicht komme ich mit meinen kleinen Töchtern noch mal zurück. Brennnesseln und Kleines Springkraut säumen den Weg. Und Brombeeren. Und die großen Bäume natürlich. Aber etwas weiter oben wird es plötzlich ziemlich licht. Wo vor wenigen Jahren noch dichter Fichtenforst war, stehen jetzt nur noch einige wenige Aufrechte. Und auch die werden wohl bald verschwinden. Klimawandel und Borkenkäfer lassen den Forstleuten keine andere Wahl mehr. &bdquo;Das ist aber allenfalls wirtschaftlich schwierig", hat mir vor einiger Zeit mal ein Förster erklärt. &bdquo;Für unsere Natur ist es vielleicht sogar eine Chance: Jetzt können hier wieder die Arten wachsen, die hier mal heimisch waren – bevor die Forstwirtschaft mit ihrer Fichtenkultur kam." Erste Anzeichen für einen Wandel sind an einigen Stellen bereits sichtbar: Der Boden ist – im wahrsten Sinne des Wortes – übersät mit Eichensämlingen. Im Tal rasen Autos über die A2 Zwischen dem Braun der überall herumliegenden Fichtenüberbleibsel ist es allerdings zurzeit etwas anderes, das ins Auge sticht: Roter Fingerhut. Das Wegerichgewächs siedelt sich besonders gerne dort an, wo vorher in großen Mengen Bäume verschwunden sind. Wunderschön anzusehen, aber hochgiftig. Zwei Blätter davon, so heißt es, reichen aus, um einen Menschen ins Jenseits zu befördern. Egal, ich will ja nicht daran rumknabbern. Wo kommt eigentlich der Autolärm her? War mir vorher gar nicht so aufgefallen. Kurz unterm Bergkamm hört es sich an, als donnerten die Brummis direkt durch den Wald. Und fast so ist es auch: Über eine mit Brombeeren dicht zugewachsene Böschung schaue ich nach unten ins Tal und sehe die viel befahrene A 2, die den Stuckenberg durchschneidet. Dann schaue ich nach oben. Dunkle Wolken kündigen den nächsten Schauer an. Ich feiere ein ganz kurzes Bergfest und mache mich auf den Rückweg. Ich hab ja jetzt schon &bdquo;waldgebadet". Da brauche ich keine zusätzliche Dusche von oben mehr. Anreise: Der Tierpark Herford liegt an der Stadtholzstraße 234. Er ist sowohl mit dem Öffentlichen Nahverkehr als auch mit dem privaten Pkw gut erreichbar. Direkt gegenüber vom großen Parkplatz führt ein unbefestigter Weg in den Stuckenberg – der sich dann an diversen Stellen gabelt. Für einen langen Spaziergang lohnen sie sich alle.

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