Es wird bunter: So sieht der Wald der Zukunft in OWL aus

Kreis Paderborn. Der Schnee in den Wäldern ist geschmolzen. Aus der "Puderzucker-Landschaft" ist ein Schlachtfeld geworden: Jetzt kommen die von schwerem Gerät zerpflügten und matschigen Wege wieder zum Vorschein. Und die riesigen Flächen, auf denen statt Bäumen nur noch Wurzeltrümmer aus dem Boden ragen, sind nicht mehr von einer weißen Winteridylle verhüllt. Dass der Wald hierzulande kein romantischer Rückzugsort, sondern eine Baustelle ist - es ist längst deutlich geworden. Doch Roland Schockemöhle, Leiter des Regionalforstamts Hochstift, ist es leid, ständig mit traurigem Gesicht vor Stapeln gefallener Fichten für die Kameras posieren zu müssen. Der Mann, der von Berufswegen nicht in Jahren, sondern in Generationen denken muss, blickt nach vorne. Er tut das an einem besonderen Datum, denn der 18. Januar hat aus Sicht der Waldhüter gleich doppelt traurige Berühmtheit erlangt: Die Orkane Kyrill (2007) und Friederike (2018) warfen am selben Tag des jeweiligen Jahres tausende Bäume um. Orkan, Trockenheit, Insektenbefall - der Wald kämpft gegen mehrere mächtige Feinde. Und ein Baum steht symbolisch für diese dramatischen wie rasanten Veränderungen: die Fichte. Davon gab es viele - vor allem auf den Hängen des Wiehengebirges, des Teutoburger Waldes und des Eggegebirges. Sie wurde dort nach dem Krieg angepflanzt, um Bauholz zu generieren. Die Siegermächte hatten zuvor im Zuge der Reparationen großflächig abgeholzt. "Auch damals konnte man auf der Egge weit schauen", sagt Revierförster Friedrich Bertmann. Aber daran könne sich kaum noch jemand erinnern. "Wir wollten es mit den Fichten etwas ruhiger angehen" Jetzt steht also die nächste radikale Veränderung der Landschaft bevor. Der Umbau der Monokulturen war dabei längst im Gange. "Aber wir wollten es mit den Fichten etwas ruhiger angehen", gibt Schockemöhle zu. Kyrill und Co. durchkreuzten diese Pläne. 11.000 der 72.800 Hektar Wald im Hochstift sind gefallen oder geschädigt. "Das schafft man nicht, die schnell wieder zu bepflanzen", dämpft der Forstamtsleiter überzogene Erwartungen. Zur Verdeutlichung: 500 bis 700 Hektar wurden in seinem Gebiet in 2020 neu bepflanzt. In Staats- und Privatforst im Hochstift waren das immerhin zusammen 1,8 Millionen Bäume - vom Land gefördert. Der Umbau wird langsam vonstattengehen. Und die Fichten werden nicht gänzlich verschwinden: "Die kommen überall aus Naturverjüngung wieder nach", sagt Schockemöhle. Ebenfalls ein Pionier, der sich ganz von selbst schnell verbreitet: die Birke. Auf diese "Vorwälder" setzt man, damit sich Brombeere oder andere Arten, die jungen Bäumen den Raum streitig machen, nicht ausbreiten können. Angepflanzt werden Eichen oder Hainbuchen. Insgesamt 39 Baum- und Straucharten wurden im vergangenen Jahr ausgebracht. "Pro Fläche sollten fünf bis sieben Arten stehen", erklärt Förster Bertmann. "Wir müssen jetzt auf Veränderungen reagieren, die noch bevorstehen" Ob sie richtig entscheiden? Sie wissen es nicht mit Sicherheit. "Wir müssen jetzt schon auf Veränderungen reagieren, die noch bevorstehen", sagt Schockemöhle. Der junge Revierförster Stefan Befeld gibt zu: "Sturmschäden können wir beseitigen, mit dem Borkenkäfer kommen wir auch irgendwie zurecht. Aber ob die Erde sich um zwei oder um drei Grad erwärmt, das kann einen Unterschied ausmachen, den wir nicht einrechnen können." Der Wald der Zukunft wird in jedem Fall bunter. Aber: 64 Prozent der Forste NRWs sind in privater Hand. Hunderte Waldbesitzer verdienen mit ihren Flächen Geld. "90 Prozent ihrer Einnahmen haben die über Forstwirtschaft erzielt und zehn Prozent über die Jagd", ordnet Schockemöhle grob ein. Da ist bunt nicht immer erwünscht. Dass der Weg, nur auf eine Baumart zu setzen, nicht mehr praktikabel ist, haben aber wohl die Meisten erkannt. Für 2021 hat das Land NRW 75 Millionen Euro zur Verfügung gestellt Der Verlust ist enorm. Kostete ein Kubikmeter Fichtenholz im Januar 2018 - also vor Orkan Friederike - noch 95 Euro, so ist der Preis jetzt auf 32 Euro abgestürzt. Und die Bestände für die kommenden Jahre mussten bereits geerntet werden oder sind von selbst gefallen. "Aber das Land tut auch etwas", betont Schockemöhle. Fördermittel für Ernte und Aufforstung werden ausgeschüttet - auch an die Privatbesitzer. Zwei Millionen Euro flossen allein im Hochstift. Der Forstamtsleiter verdeutlicht den Unterschied: "Früher waren es um die 80.000 Euro jährlich." Für 2021 hat das Land NRW 75 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. 36 Millionen waren es in 2020. Das Gesicht der Wälder wird sich verändern. Und damit auch die Möglichkeit, mit Forstwirtschaft Geld zu verdienen, wie der Amtsleiter prognostiziert: "Der Forstbetrieb der Zukunft wird wesentliche Einnahmen aus Ökosystemleistungen generieren müssen." Bindung von CO2, Reinhaltung von Grundwasser, der Erhalt der biologischen Vielfalt oder der Naherholungswert seien Faktoren, die künftig vergütet werden müssten. "Ein Umdenken in der Politik hat längst eingesetzt", weiß Schockemöhle. Vielleicht wird die jetzige "Baustelle Wald" also doch mehr denn je der von den Deutschen so geliebte romantische Rückzugsort.

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