ICE-Trasse: Ablehnung gegen Neubaustrecke wächst

Berlin/Bielefeld. Um die Verkehrswende einzuläuten, plant die Bundesregierung mit der Einführung des Deutschlandtaktes schnelles, pünktliches und innovatives Bahnfahren. Hochgeschwindigkeitsstrecken sollen das Bahnfahren in Konkurrenz zu Flugreisen stärken. Doch um die Umsetzung des Deutschlandtaktes ist ein Streit entbrannt. Im Mittelpunkt der Frage, wie schnell Bahnkunden künftig auf welchen Strecken von A nach B kommen, steht mit der Bahnstrecke zwischen Bielefeld und Hannover OWL. Nach Ansicht der heimischen SPD-Bundestagsabgeordneten fehlt jedoch ein entscheidendes Detail in den Plänen des Bundesverkehrsministeriums: der Ausbau der bestehenden Strecke. Pläne Das Ziel des Deutschlandtaktes ist nach Angaben des Verkehrsministeriums, dass der Zugverkehr immer zu denselben Taktzeiten an bestimmten Knotenpunkten ankommt. Umstiege sollen zuverlässiger erreicht werden, und der Nahverkehr soll von dem Bau neuer Schnellzugtrassen profitieren, da für ihn auf den alten Trassen dann mehr Fahrzeiten zur Verfügung stehen. Angepeilt wird eine Fahrzeit von vier Stunden von Bonn nach Berlin. Der Nebeneffekt: Die Fahrzeit von Bielefeld nach Hannover würde sich von aktuell 48 auf 31 Minuten reduzieren. Kritik Doch die von der Deutschen Bahn vorgeschlagenen fünf Fernzugtrassen-Varianten sind mitunter aufwendig, teuer und greifen stark in die Natur ein. Die SPD-Abgeordneten Wiebke Esdar (Bielefeld), Achim Post (Minden-Lübbecke), Stefan Schwartze (Herford) sowie Marja-Liisa Völlers (Schaumburg und Nienburg) kritisieren zudem, dass keine der fünf Varianten den viergleisigen durchgehenden Ausbau der Bestandsstrecke zwischen Bielefeld und Hannover vorsieht. &bdquo;Und das, obwohl mit dem Ausbau der Trasse das aktuell bestehende zweigleisige Nadelöhr zwischen Minden und Haste im europäischen Zugverkehr beseitigt werden könnte", sagt Schwartze. Forderungen &bdquo;Diese Variante muss deshalb zwingend mit in den Variantenkatalog für den Planungsdialog aufgenommen werden", fordert Schwartze. &bdquo;Passiert das nicht, verliert die Bevölkerung das Vertrauen in die Politik, und die Akzeptanz für den Deutschlandtakt und den Schienenverkehr insgesamt schwindet." Zudem befürchten die Politiker, dass der Bahnhof Minden als ICE-Halt abgekoppelt werden könnte. &bdquo;Unsere Region ist eine der wirtschaftsstärksten in Deutschland. Sie darf nicht vom Fernverkehr abgehängt werden. Deswegen fordern wir Abgeordneten neben dem Ausbau der Bestandsstrecke weiterhin einen ICE-Systemhalt Minden, der auch für die gesamte Region OWL von großer wirtschaftlicher und verkehrspolitischer Bedeutung wäre", fordert Post. In einem Brief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) fordern die Abgeordneten deshalb die Aufnahme des Ausbaus der Bestandsstrecke in die Pläne als sechste Variante. &bdquo;Unsere Kritik richtet sich nicht gegen den Deutschlandtakt, sondern gegen den Bau von Leuchttürmen für Großstädte, während es in der Fläche dunkel bleibt", moniert Schwartze. Der Deutschlandtakt funktioniere nur, wenn er bis in den letzten Winkel der Republik umgesetzt werde und, wenn auch Nah- und Güterverkehr profitieren. Zudem müsse die Umsetzung bezahlbar sein, insbesondere mit Blick auf die noch nicht abzuschätzenden Kosten durch die Pandemie, ergänzt Völlers. &bdquo;Was nutzen uns Hochgeschwindigkeitstrassen, wenn uns kein Geld für den Ausbau der Bahnhöfe, Knoten und Zulaufstrecken zur Verfügung steht und die Fahrzeitersparnis vor dem Bahnhof verbummelt wird?" Die Abgeordneten befürchten zudem, dass die vorliegenden Trassenvarianten mit alten Preisen berechnet und die Mehrwertsteuer nicht mit eingerechnet wurde und insgesamt die Nutzen-Kosten-Analyse der Gesamtmaßnahme von zu optimistischen Szenarien ausgeht. &bdquo;Insbesondere das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke mit ein paar Minuten Zeiteinsparung sehen wir kritisch", sagt Esdar. &bdquo;Die Fahrzeit von Bielefeld nach Hannover muss nicht zwingend auf 31 Minuten reduziert werden, wenn sich das nicht effizient und ökologisch umsetzen lässt." Bürgerbeteiligung Im Januar soll nach Angaben der Deutschen Bahn die Beteiligung der betroffenen Bevölkerung entlang einer möglichen Neubautrasse zwischen Bielefeld und Hannover beginnen. Diverse Bürgerinitiativen in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford sowie den angrenzenden Kreisen in Niedersachsen fordern anstelle einer neuen Trasse den Ausbau der Bestandsstrecke. Auch Landwirte sprechen sich dafür aus, weil sei einen verstärkten Flächenfraß verhindern wollen. Zudem haben diverse Kreistage mit parteiübergreifenden Beschlüssen deutlich gemacht, dass sie eine Neubautrasse ablehnen. &bdquo;Die Bürgerinnen und Bürger fürchten massive Eingriffe in die Natur und ihre Lebenswelten und einen dadurch entstehenden Verlust an Lebensqualität", weiß Post. Zur Unterstützung der häufig ehrenamtlich agierenden Mitglieder der Initiativen fordern die Abgeordneten in ihrem Brief an Scheuer Budgets für die Bürgerinitiativen. &bdquo;Die Thematik ist sehr komplex, weshalb Bürger für Gutachten, Rechtsberatung und Verwaltungskosten finanzielle Mittel benötigen. Ansonsten droht eine Alibi-Bürgerbeteiligung, da die Initiativen nicht mehr auf Augenhöhe mit verhandeln können", warnt Esdar.

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