Wegen Satire

Nach "Umweltsau"-Lied: Rechte demonstrieren und bedrohen Journalisten

Politiker verurteilen das Lied, der Kinderschutzbund kritisiert hingegen die Rücknahme des Videos.

Das WDR-Studio in Köln war am Wochenende Schauplatz einer von Rechten angemeldeten Demonstration. | © picture alliance / Oliver Berg/dpa

Björn Vahle
30.12.2019 | 30.12.2019, 17:39

Köln. Nach einer vom WDR-Kinderchor gesungenen Umweltsatire über die „Oma als Umweltsau" haben Dutzende Menschen vor dem Gebäude des Senders in Köln protestiert. Einige Demonstranten hätten augenscheinlich zur rechten Szene gehört, sagte ein Polizeisprecher. Ein Privatmann habe die Aktion unter dem Motto „Unsere Oma ist keine Umweltsau" angemeldet.

Außerdem kam es zu einer spontanen Gegendemonstration aus der linken Szene, wie der Sprecher weiter sagte. Nach bisherigem Stand habe es verbale Auseinandersetzungen zwischen beiden Lagern gegeben, aber es sei zu keinerlei Straftaten gekommen. Expliziten Polizeischutz für das Gebäude habe es nicht gegeben, die Polizei verhinderte nach eigenen Angaben das Aufeinandertreffen der Demonstranten. Zur genauen Zahl der Teilnehmer machte die Polizei zunächst keine Angaben.

Der gemeinnützigen Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) zufolge, bei der judenfeindliche Vorfälle gemeldet werden können, sollen Teilnehmer der Kundgebung antisemitische Verschwörungslieder gesungen haben. Ein Sprecher der Polizei Köln sagte auf Anfrage von nw.de, von solchen Gesängen sei ihm nichts bekannt.

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Die vom WDR-Kinderchor gesungene Satire über die „Oma als Umweltsau" hatte einen sogenannten Shitstorm im Netz mit mehr als 40.000 Facebook-Kommentaren bis Sonntagvormittag ausgelöst. Der WDR hatte das Video schon am Freitagabend von der WDR2-Facebookseite gelöscht und sich „für die missglückte Aktion" entschuldigt.

Hausbesuch bei Eltern von WDR-Reporter

Im Zuge der Debatte sah sich WDR-Mitarbeiter Danny Hollek im Laufe des Wochenendes von Rechtsextremisten bedroht. Der freie Journalist, der für die "Aktuelle Stunde" berichtet, schrieb in einer Twitter-Diskussion: "Lass mal über die Großeltern reden, von denen, die sich jetzt über Umweltsau aufregen. Eure Oma war keine Umweltsau. Stimmt. Sondern eine Nazisau." Daraufhin ließ sich "Die Rechte"-Politiker und Rechtsextremist Michael Brück beim "Hausbesuch" vor dem Elternhaus des Journalisten filmen. Die Rechte Dortmund veröffentlichte das Video auf Twitter.

Hollek entschuldigte sich in der Folge für den Tweet. "Meine Absicht war eine sarkastische Bemerkung zum Thema #Umweltsau. Das war unüberlegt. Mir hätte bewusst sein müssen, dass Twitter kein geeigneter Ort für Sarkasmus ist." Von der Entschuldigung schloss er explizit jene aus, "die mich seit gestern mit Gewalt- und Todesdrohungen überhäufen."

WDR2-Programmchef Jochen Rausch sagte, die privaten Tweets gäben "in keinster Weise die Meinung des WDR wieder". Die "Aktuelle Stunde" twitterte, Hollek sei kein Redakteur, sondern freier Mitarbeiter. Er habe den Tweet von seinem privaten Konto abgesetzt. "Wir distanzieren uns scharf von Form und Inhalt." Der Leiter des WDR-Newsrooms, Stefan Brandenburg, schrieb später auf Twitter:

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Die "Aktuelle Stunde" schrieb am Montag außerdem auf Twitter:

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Chorleiter von Shitstorm überrascht

Das Deutsche Kinderhilfswerk warf dem WDR eine überzogene Reaktion auf die Kritik vor. „Ich hätte mir vom WDR da mehr Rückgrat gewünscht", sagte Pressesprecher Uwe Kamp. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) bezeichnete die Distanzierung des WDR-Intendanten Tom Buhrow als "wenig hilfreich". Er müsse sich der Frage stellen, "ob er mit seiner eilfertigen redaktionellen Distanzierung für den Beitrag nicht all denen Oberwasser gegeben hat, die nicht auf den Austausch von Argumenten, sondern auf das Mundtotmachen kritischer Journalisten aus sind."

Buhrow zeigte sich am Montag erschüttert über Morddrohungen gegen den WDR-Mitarbeiter. "Wir werden das nicht dulden, ich gehe mit allen juristischen Mitteln dagegen vor", sagte der Chef des größten ARD-Senders am Montag im „Mittagsmagazin" auf WDR 2. Die Drohungen offenbarten ein erschreckendes Maß an Verrohung. „In unserem Land ist etwas richtig krank, und wir haben alle dazu beizutragen, dass sich das ändert", sagte Buhrow. „Wir in den Medien müssen etwas demütiger sein (...) und auch mal Kritik ertragen können." Gewaltandrohungen lasse man sich aber nicht gefallen. Buhrow distanzierte sich erneut von dem Lied. Satire sei dazu da, die Mächtigen aufs Korn zu nehmen - aber nicht pauschal eine ganze Generation.

Die WDR-Verantwortlichen sowie die Sicherheitsbehörden müssten sich aktiv um den Schutz und die Sicherheit des freien Journalisten Danny Hollek bemühen, forderte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall in Berlin und wies darauf hin, dass der Journalist derzeit Opfer von Beleidigungen und Morddrohungen im Zusammenhang mit seinen Tweets zu dem Thema sei.

Es gehe daher nicht um Geschmacksfragen von Satire, sondern um den Schutz von Satire- und Meinungsfreiheit. Zugleich bezeichnete der DJV-Chef die redaktionelle Distanzierung des WDR-Intendanten Buhrow von der Satire als „wenig hilfreich": „Buhrow muss sich der Frage stellen, ob er mit seiner eilfertigen redaktionellen Distanzierung für den Beitrag nicht all denen Oberwasser gegeben hat, die nicht auf den Austausch von Argumenten, sondern auf das Mundtotmachen kritischer Journalisten aus sind."

Kubicki: Missbrauch des Chores

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sprach von einem Missbrauch des Chores, „um zu denunzieren und Umerziehung zu betreiben".

Der Leiter des WDR Kinderchores Dortmund, Zeljo Davutovic, wurde nach eigener Aussage vom Wirbel um das Satirelied völlig überrascht. „Ich habe geglaubt, dass das Lied in der WDR-Satire-Ecke bleiben und auch in diesem Kontext diskutiert werden würde", erklärte Davutovic in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

"Beleidigung nicht beabsichtigt"

„Nachdem ich den parodierten Text gelesen hatte, war für mich ohne jeden Zweifel, dass mit der Textfigur 'Oma' wir alle gemeint sind", schilderte der Chorleiter: „Selbst die Jüngeren werden in einigen Jahren oder Jahrzehnten Großeltern sein und sich von Nachfolgegenerationen Fragen gefallen lassen müssen, die unbequemer sind." Der Text bringe die jüngere Generation genauso zum Nachdenken.

Vielleicht sei es zu kompliziert, ein „um die Ecke denken" von allen zu erwarten. „Ich kann mich an dieser Stelle auch nur bei allen entschuldigen, die den Text nicht als Satire anerkennen möchten. Eine Beleidigung ist weder von mir noch von den Kindern mit diesem Lied beabsichtigt", erläuterte Davutovic in dem per E-Mail geführten Interview.

Kubicki: "Erinnert an die untergegangene DDR"

Der FDP-Politiker Kubicki sagte der Bild: „Dass ein Kinderchor missbraucht wird, um zu denunzieren und Umerziehung zu betreiben, spricht gegen die Fernsehmacher und erinnert fatal an die untergegangene DDR."

Chorleiter Davutovic indes hatte bereits am Wochenende erläutert, dass Kinder und Eltern freiwillig entschieden hätten, an dem Projekt teilzunehmen. Die Kinder seien nicht instrumentalisiert worden. „Manche Familien haben sich sogar mit ihren Großeltern beraten", berichtete der Chorleiter der Süddeutschen: „Einige Familien haben sich entschieden, dabei nicht mitzuwirken."