Hightech-Arm hilft 19-Jährigem nach Horror-Unfall zurück ins Leben

Bielefeld/Bad Driburg. Im Dezember 2017 überlebt Sven Roosen einen schweren Motorradunfall. Der damals 17-Jährige verliert einen Arm und erleidet schwerste Verletzungen an Becken, Bein und Brustkorb. Zwei Jahre und mehr als 20 Operationen später, feiert er vor Weihnachten seinen zweiten Geburtstag – mit einer bionischen Prothese, die er mit seinen Gedanken über Muskeln ansteuert. Erinnerungen an den Unfall hat Sven Roosen nicht. Im Unfallbericht steht, dass ein unter Drogeneinfluss stehender Autofahrer in einer unübersichtlichen Kurve ein Auto überholt und den entgegenkommenden Motorradfahrer mitreißt. Der Schüler verliert bei dem Unfall seinen linken Arm, hat Blutungen im Brustkorb und ein instabiles Becken. Zudem erleidet er offene Brüche des linken Ober- und Unterschenkels mit der Folge, dass auch der Verlust des Beines droht, weil es nicht mehr durchblutet wird. Rettungskräfte bringen Roosen zunächst in das St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn, um ihn für den Transport in das evangelische Klinikum Bethel (EvKB) zu stabilisieren, weil das EvKB mit seinem überregionalen Traumazentrum für die Versorgung von Schwerverletzten im Traumanetzwerk OWL zuständig ist. Chirurgen retten dem 17-Jährigen in einer achtstündigen OP das Leben Im EvKB retten Unfallchirurg Thomas Vordemvenne und sein Team sowie Gefäß- und Thoraxchirurgen in einer achtstündigen Operation das Leben von Roosen. &bdquo;Die Schwere und Kombination der Verletzungen waren an der Grenze dessen, was ein Mensch überleben kann", sagt Vordemvenne, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie im EvKB. Roosen benötigt in dieser Nacht 60 Blutkonserven. &bdquo;Das gesamte Blutvolumen musste mehrfach ausgetauscht werden." Mit eingeliefert wird neben Roosen auch ein Beutel mit dem abgerissenen Arm und Knochenfragmenten. Den Arm können die Mediziner jedoch nicht mehr retten. &bdquo;Wir müssen bei der Behandlung von Schwerverletzten Prioritäten setzen, um ihnen das Leben zu retten", erklärt Vordemvenne. Im Fall von Roosen liegt die Priorität auf der Rettung des Beines und der Behandlung der Blutung im Brustkorb. &bdquo;Da bei dem Abriss des Armes auch das Nervengeflecht mit herausgerissen wurde, hätte der Arm zwar reimplantiert werden können, aber nie seine Funktion zurückerlangt." Nach der lebensrettenden Operation liegt Roosen mehrere Tage in einem künstlichen Koma. Anschließend folgen weitere Operationen und die Rehabilitation in der Teutoburger-Wald-Klinik Bad Lippspringe. Der Chirurg ist von seinem Patienten begeistert Chefarzt Alexander Strassburg behandelt Roosen und stellt Kontakt zu dem Rekonstruktionsmediziner Oskar Aszmann in Wien her, der seinen Patienten mit bionischen Prothesen die Möglichkeit gibt, verlorene Körperfunktionen mit technischen Hilfsmitteln wiederherzustellen. &bdquo;Im Mai 2018 wurden mir in einer achtstündigen Operation Nerven aus meinem Bein in die Schulter transplantiert", erklärt Roosen. &bdquo;Dank der neugewachsenen Nerven kann ich meinen Arm abspreizen und die Prothese bewegen." Möglich sind für den 19-Jährigen mittlerweile verschiedene Griffe sowie das Beugen und Strecken des Arms. Vordemvenne ist von der Entwicklung seines Patienten beeindruckt. &bdquo;Bereits als er noch keine Anleitung für die Nutzung der Prothese hatte, konnte er sie schon benutzen." Zudem ist Roosen für den erfahrenen Unfallchirurgen ein Beispiel dafür, wie wichtig die Vernetzung der Kliniken im Traumanetzwerk OWL ist. &bdquo;Schwerverletzte müssen möglichst schnell und kompetent von einem interdisziplinären und erfahrenen Team behandelt werden. Durch diese Vernetzung können wir mehr Leben retten und die Lebensqualität der Patienten erhöhen." Auch zwei Jahre nach dem Unfall noch nicht genesen Seine bionische Prothese trägt Roosen anstelle einer Schmuckprothese mittlerweile auch im Alltag. Nur nachts legt er sie ab. Trotz der vielen Operationen als Folge des Unfalls hat er in diesem Jahr sein Abitur geschafft und eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Sparkasse Paderborn begonnen. Auch Autofahren ist mit minimalen Anpassungen, wie einem Knauf am Lenkrad, kein Problem. Verzicht gehört jedoch auch zu seinem neuen Leben. &bdquo;Ich würde gerne wieder Motorrad und Mountainbike fahren oder Schlagzeug spielen", sagt Roosen. Außerdem ist sein Traum, Polizist zu werden, geplatzt. &bdquo;Das geht nun nicht mehr, aber ich fühle mich nicht eingeschränkt. Ich bin in manchen Dingen vielleicht etwas langsamer als andere, aber ich habe mich gut damit arrangiert." Trotz der guten Entwicklung, ist der 19-Jährige auch zwei Jahre nach dem Unfall nicht komplett genesen. Roosen stehen noch weitere Operationen bevor. "Bei dem Unfall habe ich einen Teil des Oberschenkelknochens verloren. Aktuell hält ein Nagel den Knochen, weil die eingesetzte Knochenmasse aus meinem gesunden Bein nicht so gut wächst wie geplant", erklärt Roosen. Auch diese Entwicklung steht laut Vordemvenne exemplarisch dafür, dass viele Traumapatienten auch noch Jahre nach dem Unfall Baustellen haben. "Deshalb ist die Vernetzung von Experten der Akutkrankenhäuser und Rehabilitationskliniken wichtig."

Meistgelesen