Antibiotikaresistenzen: NRW nimmt Tönnies-Schlachthof ins Visier

Gütersloh. Die Gefahren durch multiresistente Keime nehmen dramatisch zu. Doch auf welchem Wege gelangen die bedrohlichen Keime in die Umwelt und den Nahrungskreislauf? Der WDR zitierte eine Studie der Uni Bonn, wonach auch Schlachthöfe multiresistente Keime verbreiten. Denn wenn Tiere mit Antibiotika behandelt würden, könnten sie diese in die Schlachthöfe einschleppen. Umweltschützer im Kreis Gütersloh vermuten, dass der Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück solche Keime über das Abwasser, das im Klärwerk möglicherweise nicht ausreichend gereinigt wird, in die Ems einleitet. Solche Keime wurden im Herbst 2018 in dem Fluss nachgewiesen. In der Ems hohe Belastungen mit gefährlichen Keimen festgestellt Im Streit um die Erweiterung des Tönnies-Schlachthofes in Rheda-Wiedenbrück hatten Natur- und Umweltschützer 2018 eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben. Wissenschaftler der Ruhr-Uni Bochum fanden in der Ems, in die die Tönnies-Abwässer – nach der Reinigung im Klärwerk – fließen, an zwei Stellen eine hohe Belastung mit multiresistenten, selbst gegen Reserveantibiotika gefeiten Bakterien. Nicht festgestellt wurde aber, woher die Keime kamen. Quelle könnten also auch Krankenhäuser der Umgebung sein. Um den Verursacher zu finden, müsste das Schlachthof-Abwasser vor der Mischung mit anderen Abwässern geprüft werden, sagt Michael Pusch vom &bdquo;Bündnis gegen die Tönnies-Erweiterung". Doch die Behörden hätten die Kontrolle wegen fehlender Grenzwerte abgelehnt. &bdquo;Da ist der Kreis in der Verantwortung – es wäre fahrlässig, das nicht zu untersuchen", so Pusch. "Tönnies-Abwasser sauberer als häusliches Abwasser" Tönnies-Sprecher André Vielstädte weist die Vorwürfe zurück. Tatsächlich seien multiresistente Keime zwar ein Problem für das deutsche Oberflächenwasser. Aber das Tönnies-Abwasser sei nach der vom Konzern bezahlten Vorreinigung &bdquo;sauberer als das häusliche Abwasser". Zudem unterstütze der Konzern den vom Rheda-Wiedenbrücker Rat beschlossenen Bau einer vierten Klärstufe. Das Umweltministerium der Landes Nordrhein-Westfalen kündigte an, im Jahr 2020 ein Messprogramm starten zu wollen, das auch Schlachthöfe kontrollieren soll. Würden dort antibiotikaresistente Keime nachgewiesen, müssten die Kläranlagen gegebenenfalls nachgerüstet werden. Resistente Bakterien entstehen in Kliniken und Bauernhöfen &bdquo;Resistenzen entstehen dort, wo Antibiotika eingesetzt werden – etwa in Kliniken oder bei der Nutztierbehandlung, nicht in Schlachthöfen", so die Tierwissenschaftlerin Julia Steinhoff-Wagner von der Uni Bonn. Die weitere Senkung des Antibiotika-Einsatzes in der Tierhaltung und die Aufrüstung von Kläranlagen seien nun die wichtigsten Maßnahmen, um das wachsende Problem zu kontrollieren. Laut der Organisation Germanwatch sterben dem Bericht zufolge in Deutschland jedes Jahr rund 2.400 Menschen durch eine Infektion mit antibiotikaresistenten Bakterien. Pro Tag werden bei Tönnies rund 25.000 Schweine geschlachtet Im Tönnies-Schlachthof Rheda-Wiedenbrück pro Tag im Durchschnitt rund 25.000 Schweine geschlachtet. Der Kreis Gütersloh genehmigte eine Erhöhung dieser Zahl, ohne das Abwasser zu überprüfen. Hygieniker der Universität Bonn haben darauf hingewiesen, dass antibiotikaresistente Erreger auch über Waschmaschinen verbreitet werden können. Dieser Effekt wurde für ein Kinderkrankenhaus nachgewiesen, in dem mehrfach ein Bakterium vom Typ Klebsiella oxytoca auf Neugeborene übertragen wurde. Glücklicherweise kam es demnach nicht zu einer gefährlichen Infektion. Erreger können auch über Waschmaschinen verbreitet werden Quelle war eine handelsübliche Waschmaschine, in der Kleidungsstücke der Neugeborenen gewaschen wurden. Der Fall lasse aufhorchen, zumal auch in Haushalten mit zu pflegenden Menschen antibiotikaresistente Bakterien über die Waschmaschine übertragen werden könnten, erklärte die Universität. In einer weiteren Studie soll nun dieser Verbreitungsweg genauer untersucht werden. Sofern pflegebedürftige, ältere Menschen mit offenen Wunden oder Blasenkathetern oder auch jüngere Menschen mit eiternden Verletzungen oder Infektionen im Haushalt lebten, sollte die Wäsche bei höheren Temperaturen - zum Beispiel 60 Grad - gewaschen werden, um die Übertragung von gefährlichen Keimen zu vermeiden, raten die Experten. Hygieniker sehen darin eine wachsende Herausforderung, weil die Zahl der in Familien versorgten Pflegebedürftigen ständig zunimmt.

Meistgelesen