Fachkräfte gesucht

Gegen Personalmangel: OWL-Unternehmen bieten Mitarbeitern günstige Wohnungen

Wohnraum wird zu einem entscheidenden Faktor bei der Jobsuche. Auch in OWL schaffen deshalb immer mehr Unternehmen das Zuhause für ihre Mitarbeiter einfach selbst.

Das Welcome-Haus in der Ostlandstraße in Espelkamp steht Mitarbeitern lokaler Unternehmen zur Verfügung – mehrere Unternehmen in OWL bieten ihren Fachkräften Wohnraum an. | © Stephan Patzsch

19.05.2025 | 19.05.2025, 16:00

Hannover. „Viele Unternehmen in Ballungsräumen, Unistädten oder Tourismusregionen haben wegen hoher Mieten Probleme, Mitarbeiter zu finden. Sie machen sich deshalb immer mehr Gedanken, wie sie selber Wohnraum für ihre Beschäftigten schaffen können“, sagt Tine Fuchs, Abteilungsleiterin beim Spitzenverband der Immobilienwirtschaft ZIA. Bei der jüngst beendeten Messe Real Estate Arena in Hannover stellten Verbände und Unternehmen konkrete Beispiele und Erfahrungen mit diesem Thema vor.

Von hohen Mieten sind besonders Auszubildende betroffen, die häufig auswärtige Lehrstellen nicht annehmen können, da günstige Wohnheimplätze fehlen. Die Region Hannover plant deshalb den Umbau eines leerstehenden Krankenhauses, in dem bis 2030 mindestens 70 Azubi-Wohnungen entstehen sollen. „Die Mini-Appartements sollen nicht teurer als 450 Euro sein“, sagt Wirtschaftsdezernent Ulf-Birger Franz.

Auch in Paderborn entsteht derzeit ein neues Azubi-Haus mit 80 Wohnplätzen, das 2027 eröffnet werden soll. Die Miete soll bei maximal 350 Euro liegen. „Ich würde mir wünschen, dass dort durch Angebote wie Sport oder miteinander grillen der Kontakt und die Gemeinschaft gefördert wird. Auch der Einsatz von Sozialarbeitern wäre sinnvoll. Darüber reden wir mit den Investoren“, sagt auf Anfrage Uwe Schoop, für die Fachkräftegewinnung bei der Wirtschaftsförderung Paderborn zuständig. Er fügt hinzu: „Gerade für Eltern von minderjährigen Kindern spielt die gute Betreuung eine große Rolle bei der Entscheidung, ob sie ihr Mädchen oder ihren Jungen fern der Heimat eine Ausbildung machen lassen.“

Tine Fuchs, Abteilungsleiterin des Zentralen Immobilien-Ausschusses beim Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, beobachtet einen Trend zu Mitarbeiterwohnungen. - © Joachim Göres
Tine Fuchs, Abteilungsleiterin des Zentralen Immobilien-Ausschusses beim Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, beobachtet einen Trend zu Mitarbeiterwohnungen. | © Joachim Göres

Wohnungen sollen Fachkräfte ins ländliche OWL locken

In Espelkamp sind die Mieten deutlich niedriger als in Großstädten und es gibt auch freie Wohnungen – trotzdem haben die Harting Technologiegruppe und die Mittwald CM Service GmbH zusammen mit der Wohnungsgesellschaft Aufbaugemeinschaft Espelkamp das Welcome Haus für neue Beschäftigte gebaut. „Das ist ein urbanes Wohnungsangebot für junge Fachkräfte, die es nach der Uni in die Großstädte zieht. Ihnen muss man etwas bieten, damit sie nach Espelkamp kommen“, sagt Sascha Golnik, Geschäftsführer der Aufbaugemeinschaft.

Vorzeigeprojekt in OWL: Das Welcome-Haus hat erste Mieter

Neben modernen möblierten Wohnungen gibt es eine Lounge mit großer Küche, Dachterrasse und Fitnessraum, wo neue Bewohner miteinander in Kontakt kommen können. So wurden schon Mitarbeiter aus Kassel, Berlin und Venedig nach Espelkamp gelockt. „Die Kosten für eine nicht besetzte Stelle sind ungleich höher als für so ein Angebot“, sagt Golnik. Ähnliche Projekte sind nach seinen Worten derzeit nicht geplant – die Baukosten seien dafür zu hoch.

Dutzende Mitarbeiterwohnungen in Bielefeld geplant

Die IHK Ostwestfalen-Lippe veranstaltet am 23. Juni in Bielefeld zusammen mit dem Bundesbauministerium eine Tagung unter dem Titel „Zukunft Beschäftigtenwohnen“, auf der auch Denis Rauhut sprechen wird. Er ist Geschäftsführer der Bielefelder Möller Real Estate, die derzeit 20 Wohnungen in Bielefeld vermietet. „Wir vermieten an jedermann, wobei Mitarbeiter der Möller Group Vorrang haben“, sagt Rauhut. Er würde gerne weitere 150 bis 200 Mitarbeiterwohnungen bauen – ob das realisiert werden kann, hänge vom Verlauf des Bebauungsplanverfahrens ab.

Auf jeden Fall sei das Interesse an weiteren Werkswohnungen beim Schwesterkonzern groß. „Ob bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht, spielt eine Rolle für die Frage, ob Bewerber eine Stelle bei Möller antreten“, sagt Rauhut und fügt hinzu: „In Bielefeld ist der Wohnungsmarkt angespannt. Wenn man eine Wohnung anbieten kann und die dann auch noch günstig ist, kann das schon ein wichtiges Argument sein, dass sich auswärtige Fachkräfte für eine Stelle in Bielefeld und zum Beispiel gegen Berlin entscheiden.“

Ostwestfalen-Lippe: Das sind die teuersten und günstigsten Wohngegenden

Für diese Einschätzung sprechen Erfahrungen beim öffentliche Verkehrsunternehmen Üstra in Hannover. Es bietet insgesamt 625 Werkswohnungen an, vor fünf Jahren wurden 139 neue Wohnungen gebaut. „Wegen Personalknappheit mussten wir sechs Monate lang den U-Bahn- und Busverkehr reduzieren. Durch die neuen Wohnungen konnten wir leichter neue Fahrerinnen und Fahrer von außerhalb finden, die sonst mit Sicherheit nicht alle zu uns gewechselt wären“, sagt Bernd Burghardt, Geschäftsführer der Versorgungseinrichtung der Üstra.

Wohnungen wirken gegen Personalmangel

Aus seiner Sicht gibt es nur positive Effekte: Für die Fahrgäste können wieder mehr Fahrten angeboten werden. Die eigenen Wohnungen tragen sowohl zur Mitarbeitergewinnung als auch zum Verbleib der Beschäftigten im Unternehmen bei, da die Wohnung an den Arbeitsvertrag gebunden ist. Und die Üstra nimmt bei einer Kaltmiete von 9,90 Euro pro Quadratmeter für die 2020 fertiggestellten Wohnungen zusätzliches Geld zur Finanzierung der Betriebsrenten ein.

In Lüneburg hat die Psychiatrische Klinik im vergangenen Jahr 26 Wohnungen durch die Lüneburger Wohnungsgesellschaft bauen lassen und dafür sieben Millionen Euro investiert. „Wir haben einige Mitarbeiterinnen gewonnen, die nur deshalb zeitnah in der Klinik anfangen können, weil für sie die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung entfällt“, sagt Geschäftsführer Jan-Hendrik Kramer. Für 20 dieser Wohnungen liegt die Miete mit rund acht Euro pro Quadratmeter deutlich unter der ortsüblichen Miete. Die Klinik tritt direkt als Vermieter auf – dadurch müssen Beschäftigte den geldwerten Vorteil der niedrigen Miete nicht extra versteuern.

Bundesweit stellen nach Schätzungen Arbeitgeber rund 700.000 Wohnungen für Mitarbeiter bereit. Alleine die Bundesanstalt für Immobilien (Bima) verwaltet 38.000 eigene Wohnungen für Beschäftigte des Bundes, für weitere 26.000 Wohnungen hat die Bima das Belegungsrecht. Aktuell sind etwa 3.000 neue Wohnungen im Bau, vor allem in Berlin, Hamburg, im Rhein-Main-Gebiet, im Raum Köln-Bonn, Stuttgart und Freiburg. Die Durchschnittsmiete liegt unter zehn Euro.

Mitarbeiterwohnungen haben aus Sicht von Fuchs noch einen weiteren Vorteil: „Wer Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben will, muss Wohnraum anbieten. Sie haben sonst auf dem Wohnungsmarkt kaum eine Chance, wenn sie zum Beispiel eine Schufa-Auskunft erbringen müssen.“