Demografische Entwicklung

Nachfolge regeln: Künstliche Intelligenz löst Problem von Bielefelder Firma

Das BOW-Forum zum Thema Künstliche Intelligenz zieht Unternehmen aus ganz OWL nach Paderborn. Ein konkreter Anwendungsfall sorgt für großes Interesse.

Wilhelm Klat hat für das Maschinenbauunternehmen ZF am Standort Bielefeld-Brackwede das Prüfsystem "Ferdinand" realisiert. | © Jemima Wittig

Jemima Wittig
27.02.2025 | 27.02.2025, 12:08

Paderborn. Was tun, wenn ein Mitarbeiter in Rente geht und niemand dessen Job übernehmen will? Vor diesem Problem sah sich das Maschinenbauunternehmen ZF am Standort Brackwede. Alle vier Mitarbeiter, die dort Kupplungen vor der Wiederaufarbeitung prüfen, verlassen in den nächsten paar Jahren das Unternehmen. Kein Nachfolger ließ sich finden. Die Lösung dafür kam eher zufällig und trägt den Namen „Ferdinand“ – eine Künstliche Intelligenz.

Wilhelm Klat, Geschäftsführer von CircoVision mit Sitz in Borchen, ist der Erfinder von „Ferdinand“. Beim BOW-Forum des Bildungswerks der ostwestfälisch-lippischen Wirtschaft in Paderborn erklärt er am Beispiel von „Ferdinand“, wie KI fehlendes Personal ersetzen kann.

Was „Ferdinand“ genau tut, demonstriert er am kleinen Modell: Bevor eine Kupplung wiederaufbereitet werden kann, wird sie geprüft. Früher nur von Menschenhand, jetzt zusätzlich von der KI: „Ferdinand“ wird eine Kupplung vorgelegt, und eine Kamera erkennt die Schäden, die es für eine Aufbereitung brauchbar oder eben unbrauchbar machen. Dann wird das Teil automatisch sortiert. Zusätzlich wird angezeigt, warum eine Kupplung aussortiert wurde. Mitarbeitende lernen dadurch von „Ferdinand“, weil das Wissen im Unternehmen bleibt, obwohl das Fachpersonal geht.

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20 Prozent der Unternehmen in Deutschland nutzen KI

„Wir müssen mutiger vorangehen“, hatte Gunther Olesch, Vorstandsvorsitzender des Vereins BOW, die rund 60 Teilnehmenden zum Auftakt begrüßt. „KI bietet große Chancen.“ Wie groß das Interesse daran in Ostwestfalen-Lippe ist, zeigt, dass fast alle großen Firmen aus der Region – von Benteler über Schüco bis Miele – Mitarbeitende nach Paderborn geschickt haben.

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„KI wird die Arbeitswelt nachhaltig verändern“, sagt Alex Dieckmann vom KI-Bundesverband und will gleichzeitig Ängste nehmen: „Es geht um die Umstrukturierung von Aufgaben, nicht um Jobverluste.“ Eine Erhebung habe gezeigt, dass knapp 20 Prozent der Unternehmen in Deutschland KI bereits nutzen und 37 Prozent es planen.

Mitarbeitende müssen ihr Fachwissen an die KI weitergeben

Gunther Olesch, Vorstandsvorsitzender des Vereins BOW, begrüßt die rund 60 Teilnehmenden beim Forum rund um KI in der Arbeitswelt. - © Jemima Wittig
Gunther Olesch, Vorstandsvorsitzender des Vereins BOW, begrüßt die rund 60 Teilnehmenden beim Forum rund um KI in der Arbeitswelt. | © Jemima Wittig

Auch die Diskussion mit Wilhelm Klat nach seiner Präsentation von „Ferdinand“ zeigt, dass es den anwesenden Firmen eher um eine Umverteilung der Aufgaben geht. „Kann man die KI auch in anderen Bereichen anwenden? Unsere Mitarbeiter beschweren sich auch, dass sie solche Aufgaben machen müssen“, entgegnet ein Vertreter einer Firma aus Bad Wünnenberg.

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„Wie steht es um den Faktor Mensch?“, ist eine weitere Frage. „Die Mitarbeiter müssen mitmachen wollen, weil nur sie das Fachwissen haben“, sagt Klat. Er habe „Ferdinand“ nach der Entwicklung vor gut fünf Jahren mit zehn Mitarbeitenden des Unternehmens getestet. Auch der Betriebsrat sei von Anfang an mit einbezogen worden.

„Nicht nur dieser Arbeitsschritt hätte nach dem Renteneintritt der vier Mitarbeiter ausgelagert werden müssen, sondern ein ganzer Bereich“, darum hätte sich ihnen bei der Entwicklung niemand in den Weg gestellt. Von den damals vier Mitarbeitern sind heute noch zwei da; allerdings nur noch für etwa drei Jahre. „Sie können ihren Job jetzt gründlicher machen und überwachen ’Ferdinand’ und geben Veränderungen ein.“

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So funktioniert „Ferdinand“:

Heute arbeiten Mensch und KI zusammen. Im November 2024 hat ZF den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“ gewonnen. Der Standort Bielefeld habe mit einem ganzheitlichen Konzept, das Umweltfreundlichkeit, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft in den Mittelpunkt stelle, überzeugt.

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So sieht „Ferdinand“ am Standort in Bielefeld aus: