Neuer Streit um Grundsteuer: Werden private Hausbesitzer mehr geschröpft?

Bielefeld. Die vom Bundesverfassungsgericht 2018 erzwungene Grundsteuerreform ist seit Jahren umstritten. Zahllose Einsprüche und Klagen könnten den für 2025 geplanten Start für die Erhebung der neuen Grundsteuern nach Einschätzung von Beobachtern noch ins Wanken bringen. Für zusätzlichen Verdruss dürfte es sorgen, wenn die Berechnungen des Bielefelder Amtes für Finanzen nicht nur für das Oberzentrum, sondern auch für weitere Städte zutreffen: Die Bielefelder rechnen damit, dass Einfamilienhausbesitzern künftig im Schnitt 25-prozentige Grundsteuererhöhungen drohen, damit eine insgesamt "aufkommensneutrale" Grundsteuersumme einkassiert werden kann. Zweifamilienhausbesitzer müssten demnach eine 17-prozentige Erhöhung aufbringen, während die Eigentümer von Gewerbegrundstücken und gemischt genutzten Immobilien sich über erhebliche Entlastungen um 55 beziehungsweise 32 Prozent freuen könnten. Der fällige Betrag wird für jede Immobilie durch die Multiplikation von drei Faktoren bestimmt: Der erste Faktor wird künftig der Grundsteuerwert sein, der ab 2025 den vom Verfassungsgericht verworfenen alten Einheitswert ablösen soll. Um diesen Grundsteuerwert zu ermitteln, sollten alle Immobilieneigentümer bundesweit bis 31. Januar 2023 eine Grundsteuererklärung abgeben. Für die Mehrzahl aller Grundstücke ist inzwischen der Wert festgelegt und den Eigentümern mitgeteilt worden. Der zweite Faktor ist die Grundsteuer-Messzahl (oder bisher Grundsteuermessbetrag). In NRW beträgt sie künftig 0,31 Promille für Wohngrundstücke und 0,34 Promille für Nichtwohngrundstücke. Hebesätze sind der noch unbekannte dritte Faktor Der dritte Faktor ist der von den Städten und Gemeinden festzulegende "Hebesatz", der für die hier maßgebliche Grundsteuer B zum Beispiel in Bielefeld derzeit bei 660 Prozent liegt, in Paderborn bei 479 Prozent und in Verl bei nur 170 Prozent. Die neuen Hebesätze sind noch nicht bestimmt worden – die Kommunen warten erst den "aufkommensneutralen Hebesatz" ab, der ihnen von der Finanzverwaltung vorgerechnet werden soll. Kämmerer und Steuerämter können diesen freilich durch Auflösung einer Gleichung mit nur einer Unbekannten selbst prognostizieren, wenn sie einen Überblick über die bisher von der Finanzverwaltung festgelegten Grundsteuerwerte haben und diese hochrechnen. In Bielefeld lautet das vorläufige Ergebnis: Der Hebesatz müsste von 660 auf 762 Prozent angehoben werden. Eine Anfrage bei mehreren Städten in OWL und beim Finanzministerium des Landes NRW, ob auch dort eine Mehrbelastung für Wohnimmobilien erwartet werde und ob hier ein Korrekturbedarf gesehen werde, führte aber zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Verwaltungen wimmelten die Anfrage mit unterschiedlichen Begründungen ab. Die Oberfinanzdirektion des Landes NRW in Münster teilte im Namen des Finanzministeriums mit, dass die künftige Grundsteuerbelastung "für einzelne Grundstücke oder Grundstücksgruppen erst ermittelt werden" könne, wenn die Kommunen die für 2025 geltenden neuen Hebesätze festgelegt hätten. "Belastungsveränderungen können aber als Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht ausgeschlossen werden", erklärte ein Sprecher. Konkrete Forderungen von Kommunen, Korrekturen vorzunehmen, "liegen dem Ministerium (...) aktuell nicht vor", heißt es weiter. Die Städte verweisen auf fehlende Informationen Die Sprecherin der Stadt Minden erklärte, dass die Verwaltung dort keine Musterberechnungen erstellt habe und auch nicht – wie die Stadt Bielefeld – ausgewertet habe, ob es künftig teurer für die privaten Immobilienbesitzerinnen und -besitzer wird. Sie gab allerdings zu bedenken, dass es in Minden in den vergangenen Jahren nicht zu so starken Erhöhungen von Bodenrichtwerten und Mieten gekommen sei wie in Bielefeld und anderen Ballungszentren. Beide Aspekte – Mietniveau und Bodenwerte – waren entscheidend bei der Berechnung der neuen Grundsteuerwerte. Der Gütersloher Kämmerer Thomas Könnecker ließ ausrichten, dass eine Auswertung der ab 2025 geltenden Messbeträge erst erfolge, "sobald der Stadt Gütersloh die neuen Bemessungsgrundlagen vorliegen, die vom Finanzamt festgesetzt werden". Die Daten würden 2024 übertragen, bis dahin sei eine Aussage zu den Auswirkungen in Bezug auf unterschiedliche Immobilienarten nicht möglich. Auch aus Paderborn heißt es, dass eine "seriöse und belastbare Antwort" auf die Fragen derzeit nicht möglich sei (siehe Info-Box). Aus dem Büro des Herforder Bürgermeisters Tim Kähler kam der Hinweis, dass die Städte vielleicht unterschiedliche Software für Berechnungen zur Verfügung hätten. In Bielefeld werde ein anderes IT-Produkt genutzt. Die erforderlichen Daten der Finanzverwaltung – die Grundsteuerwerte – seien der Stadt Herford jedenfalls noch nicht übermittelt worden. Zudem lasse sich die erwartete Entwicklung in Bielefeld nicht ohne Weiteres auf andere Kommunen übertragen. Experte bestätigt Berechnungen aus Bielefeld Ein ausgewiesener Experte für kommunale Finanzen, der nicht namentlich genannt werden möchte, bestätigte unterdessen die in Bielefeld ermittelte Tendenz, dass Wohnimmobilien künftig stärker belastet werden dürften als bisher: "Das gilt vor allem für Ein- und Zweifamilienhäuser, aber nicht für Mehrfamilienhäuser, bei denen die starke Erhöhung der Bodenrichtwerte in den Städten angesichts mehrerer Wohnungen je Grundstück nicht so stark ins Gewicht fallen." Entscheidend sei, dass Grundstücke in schicken oder zentralen Wohngebieten in den vergangenen Jahren erheblich an Wert gewonnen haben, während viele Gewerbebetriebe an den Stadtrand ausgewichen seien. Also in Lagen, wo die Grundstückspreise allgemein geringer sind und weniger stark an Wert gewonnen haben. Das Land Sachsen hatte eine solche Entwicklung wohl vorausgesehen und sich gegen das vom Land NRW gewählte "Bundesmodell" für die Grundsteuer entschieden. In Sachsen wird für Wohnimmobilien eine Messzahl von 0,36 Promille veranschlagt, für Gewerbegrundstücke aber 0,72 Promille. Die befürchtete Verschiebung der Belastung hin zu den Eigenheim-Besitzern wird dadurch weitgehend ausgeglichen.

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