Grundsteuer-Reform in Herford: Was Bürger jetzt noch tun können

Herford. Die Grundsteuerreform wird aus Sicht einiger Herforder zum Problem: Sie müssen für ihre Grundstücke und Immobilien, die teils Geschäfte, aber auch Wohnungen umfassen, deutlich mehr zahlen als in der Vergangenheit, teils mehrere Tausend Euro – und es gibt einige Fälle, die mit exorbitanten Steigerungen aufwarten: Ein Sportverein muss aktuell rund 11.000 Euro berappen, 2024 waren es noch 690 Euro. Der Eigentümer einer 1.400 Quadratmeter großen Hühnerwiese im Überflutungsgebiet der Aa wird statt mit 59 nun mit 901 Euro zur Kasse gebeten. Doch wie kam es zu den Problemen und wie sollten Grundstücksbesitzer jetzt reagieren? Die Neue Westfälische sprach mit den Steuerberatern und Rechtsanwälten Claas Winkler und Arnd Kögel von der Herforder Kanzlei LTS, die auf Steuer- und Wirtschaftsrecht spezialisiert ist. Lesen Sie auch: Neue Grundsteuer macht Herforder Hühnerwiese zu Luxusimmobilie Warum gibt es überhaupt die neue Grundsteuer? In der Vergangenheit wurden Häuser und Grundstücke auf Basis des sogenannten Einheitswerts bewertet. Das Bundesverfassungsgericht hat 2018 entschieden, dass dieses Verfahren verfassungswidrig ist. &bdquo;Danach musste der Gesetzgeber handeln und bis Ende 2019 eine Neuregelung vornehmen“, ergänzt Claas Winkler. Auch war über Jahrzehnte wenig passiert. &bdquo;Die ursprünglichen Bewertungen waren sehr alt, stammten teils noch aus dem Jahr 1964“, sagt Arnd Kögel. So lief das Verfahren Haus- und Grundstücksbesitzer wurden aufgefordert, die Daten für ihre bundesweit 36 Millionen Grundstücke und Immobilien digital über ein Online-Portal zu melden. Das System brachte eine ungeheure Belastung für die Finanzämter und die Steuerberater. Wie die NW in der Vergangenheit erfuhr, haben auch viele Eigentümer angesichts der Technik und der komplexen Fragen keine oder unrichtige Angaben gemacht. Die Daten konnten jedoch aufgrund der Menge nicht in vollem Umfang durch die Finanzverwaltung geprüft werden. Diese Daten flossen in die Berechnungen ein &bdquo;In diesem ersten Schritt wurden aus den Angaben der Immobilienbesitzer vom Finanzamt der Grundsteuerwert und der Grundsteuermessbetrag festgesetzt“, so der promovierte Rechtsanwalt Kögel. Der Grundsteuerwert orientiert sich an Faktoren wie dem Immobilienwert – also etwa der Lage und der Größe. &bdquo;Das Problem begann, wenn man das so sagen kann, schon vor zwei Jahren, wenn in den Steuererklärungen Unrichtigkeiten auftraten, vielleicht etwas übersehen wurde. Denn die Bewertung ist schon recht komplex geworden. Ich denke, das ist das Hauptproblem.“ So haben die Steuerexperten bereits vor zwei Jahren ihren Mandanten geraten, Einsprüche gegen die damals ergangenen Grundsteuerwertbescheide einzulegen. Hintergrund sind offene Fragen zur Verfassungsmäßigkeit, etwa aufgeworfen durch das Finanzgericht in Rheinland-Pfalz, die aber wohl erst in den kommenden Jahren entschieden werden. Doch was ist, wenn man dem Bescheid vor zwei Jahren nicht widersprochen hat? Rechtsanwalt Winkler: &bdquo;Alle Feststellungen, die damals in den Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheiden getroffen worden sind, können steuerrechtlich grundsätzlich nicht mehr angegriffen werden, der Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheid sind bestandskräftig. Das bedeutet, dass die Stadt Herford derzeit allein noch an den Hebesätzen Änderungen vornehmen kann.“ Wie sah die Empfehlung des Landes für den Hebesatz aus? Die Grundsteuer ist eine der wenigen Einnahmen, von denen Städte und Gemeinden direkt profitieren und die sie mit der Höhe der Hebesätze selbst bestimmen. Eigentlich sollte die Grundsteuer nach den ursprünglichen Aussagen aufkommensneutral sein, das heißt, die Städte sollten die gleichen Einnahmen haben wie vor der Reform. Und es gab auch Tipps vom Land NRW. &bdquo;Die NRW-Finanzverwaltung hatte für jede Stadt sogenannte aufkommensneutrale Hebesätze vorgegeben. Der empfohlene Hebesatz für Nicht-Wohngrundstücke liegt in Herford bei 1.180 Prozent.“ Das Herforder Modell und seine Einteilungen Der Rat der Stadt Herford, der die eigentlichen Grundsteuerhebesätze festlegt, hat sich dann für abweichende Grundsteuerhebesätze entschieden – gegen den Rat der Verwaltung, wie der Bürgermeister betont. Für Ackerland liegt er bei 332, für unbebaute oder Gewerbegrundstücke wie Geschäftshäuser mit Mietwohnungen sind es 1.555 Prozent, bei Wohngrundstücken 778 Prozent. Claas Winkler: &bdquo;Wir haben in Herford drei Kategorien bei der Grundsteuer. Wenn etwa die Hühnerwiese und Überschwemmungsfläche an der Aa, über die die NW berichtet hat, nicht als Land- und Forstwirtschaft eingetragen ist, dann bleibt da nur die Einordnung als Nichtwohngrundstück und dann sind wir bei 1.555 Prozent. Das ist im Einzelfall ein Riesen-Problem.“ Ein einfaches Grundstück am Altensenner Weg soll plötzlich statt 59 nun 901 Euro kosten. Winkler verweist auf einen Sportverein, den er vertritt. Statt 690 Euro soll der Verein nun rund 11.000 Euro zahlen. Gleichzeitig weist er in puncto Hebesätze darauf hin, dass diese Werte in Nachbarstädten wie Bielefeld, wo der Hebesatz für einheitlich für alle nicht land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke bei 765 Prozent liegt, oder Hiddenhausen (635 Prozent) ganz anders aussehen. Dort sind die Sätze geringer. Die Daten zeigten an der Stelle, dass Herford schon ein Stück weit darüber liegt. Doch wie sollten Herforder Immobilieneigentümer, so sie mit den Bescheiden unzufrieden sind, reagieren? Das hängt davon ab, wie sie auf die Festlegung des Grundsteuermessbetrags reagiert haben, so Winkler und Kögel. Wer bereits vor zwei Jahren einen Einspruch eingelegt hat, sei hinsichtlich etwaiger verfassungsrechtlicher Bedenken auf der sicheren Seite. &bdquo;Diese vor zwei Jahren ergangenen Bescheide bilden das Fundament.“ Darauf bauten die weiteren Steuerbescheide auf. Wenn das Fundament aufgrund etwaiger Verfassungswidrigkeit wegfalle, so Winkler bildlich, verlieren auch die späteren Bescheide ihre Gültigkeit. Dennoch sollte auch dann gegen die zuletzt ergangenen Bescheide über Grundbesitzabgaben Widersprüche erhoben werden. Bei anderen Grundstückseigentümern, die damals keinen Einspruch eingelegt haben, sei die Situation komplizierter. Aber auch ihnen raten die Steuer-Experten nun, &bdquo;zumindest Widerspruch gegen die aktuellen Grundsteuerbescheide zu erheben“. Die Chance, dass sich Änderungen ergeben, sei aber auch hier vergleichsweise gering, so die Steuerexperten. Sie sehen allein die Möglichkeit, dass die Herforder Hebesätze politisch infrage gestellt werden könnten. Wer muss nach einem Widerspruch zahlen? Müssen Bürger, die Widerspruch erhoben haben, ihre Grundsteuer nicht mehr zahlen? Arnd Kögel und Claas Winkler haben auch hier keine gute Botschaft. &bdquo;Ein Widerspruch gegen den aktuellen Grundsteuerbescheid hat keine aufschiebende Wirkung“, erklärt Claas Winkler. Das heißt: Zunächst muss gezahlt werden. Zwar gibt es rein rechtlich noch die Möglichkeit, einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellen. Allerdings hat die Rechtsprechung derartige Anträge regelmäßig abgewiesen. Hilfe für die Vereine - und Prüfung durch die Stadt Bürgermeister Tim Kähler hatte in einem Schreiben angekündigt, dass der Kämmerer prüfen solle, wie vor allem Sportvereine entlastet werden können. Kähler hatte sich im Gespräch mit der NW dabei auch auf den Verein bezogen, der jetzt 11.000 Euro zahlen muss. &bdquo;Im Grundsteuer-Gesetz gibt es Möglichkeiten zum Erlass der Grundsteuer, zum Beispiel für Sportplätze“, erklärt Claas Winkler. Inwieweit diese Regelungen auch für gemeinnützige Körperschaften oder aber historische Stätten greift, hängt vom Einzelfall ab. Das bedeute, dass etwa für Bereiche des Grundstücks – bei denen die Voraussetzungen für einen Erlass gegeben sind - ein entsprechender Teil der Grundsteuer zu erlassen wäre. News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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