
Natürlich im Primark-Outfit kommt Christiane Wiggers-Voellm zum Gespräch. Zumindest Jeans der Marke trage sie schon seit zehn Jahren, versichert sie glaubhaft. Da war die Managerin allerdings noch bei H&M unter Vertrag.
Eine kleine Erfahrung aus der Vorbereitung dieses Interviews, Frau Wiggers-Voellm: Die Leute runzeln die Stirn, wenn es bei Primark um Nachhaltigkeit geht, manche lachen. Warum hat das Unternehmen bei diesem Thema einen so schlechten Ruf?
Christiane Wiggers-Voellm: Als Primark vor 50 Jahren gegründet wurde, hatten wir die Vision, Mode für alle erschwinglich zu machen. Mit Primark Cares gehen wir noch einen Schritt weiter und machen nachhaltige Mode für alle erschwinglich. Wir arbeiten schon lange an dem Thema, haben aber nie so deutlich darüber gesprochen.
Also dann: Wie will Primark nachhaltiger werden?
Unser Fokus liegt darauf, unsere Produkte nachhaltiger zu produzieren, mehr für den Schutz unseres Planeten zu tun und das Leben der Menschen zu verbessern, die unsere Produkte herstellen.
Wie soll das gehen? Primark-Mode ist billig und gilt nicht gerade als langlebig.
Unser Ziel ist eine Kreislaufwirtschaft. Wir fangen übrigens nicht bei Null an – schon heute wird jedes vierte Kleidungsstück von Primark entweder aus nachhaltigen oder recycelten Materialien hergestellt. Wir wollen die Lebensdauer unserer Produkte erhöhen und 2027 volle Recyclingfähigkeit erreichen. Bis 2030 werden alle unsere Kleidungsstücke aus recycelten oder nachhaltiger beschafften Materialien bestehen. Außerdem wird unsere Kleidung so designt werden, dass sie am Ende ihrer Lebensdauer recycelt werden kann.
Wir werden ausschließlich Bio-Baumwolle, recycelte Baumwolle oder Baumwolle aus unserem Sustainable-Cotton-Programme verwenden. Darüber hinaus werden wir alle Einwegplastikprodukte aus unserem Unternehmen verbannen und keine fossilen Brennstoffe mehr in unserem eigenen Betrieb verwenden. Und alle Landwirte, die an unserem Programm für nachhaltige Baumwolle teilnehmen, werden regenerative Anbaumethoden anwenden.
Wird es für all das, was Sie ankündigen, eine neutrale Kontrolle geben?
In erster Linie haben wir unser Team vor Ort in allen unseren Beschaffungsländern, das sind über 130 Mitarbeiter, die regelmäßig Kontrollen in den Fabriken unserer Lieferanten durchführen – über 3.000 pro Jahr. Wir planen, unsere Fortschritte in Bezug auf unsere Nachhaltigkeitsverpflichtungen jedes Jahr zu messen und darüber zu berichten. Um unsere zentralen Selbstverpflichtungen zu erfüllen, arbeiten wir mit zuverlässigen Partnern zusammen. Darüber hinaus sind wir Teil wichtiger Brancheninitiativen. Dazu gehört beispielsweise die Initiative Textiles 2030, deren Mitglieder sich zum Ziel gesetzt haben, die Treibhausgas-Emissionen neuer Produkte um 50 Prozent zu reduzieren.
Es gibt eine Menge Nachhaltigkeitssiegel. Würde nicht zum Beispiel der „Grüne Knopf" Vertrauen schaffen?
Wir haben durchaus Siegel und Kollaborationen, zum Beispiel Oeko-Tex 100, Cradle to Cradle oder Reprieve. Der „Grüne Knopf" hingegen ist ein rein deutsches Siegel. Aber wir sind ein internationales Unternehmen und verkaufen die gleichen Produkte in 14 Ländern.
Was halten Sie vom neuen Lieferkettengesetz?
Primark unterstützt das Lieferkettengesetz und ist überzeugt, dass es das Potenzial hat, gleiche Wettbewerbsbedingungen für die gesamte Branche zu schaffen. Wir halten ein Lieferkettengesetz auf EU-Ebene für den nächsten logischen Schritt.
Ihr Geschäft beruht darauf, dass Betriebe vor allem in Asien für Primark produzieren. Was ist mit Lieferanten, die Standards nicht erfüllen?
Es geht darum, partnerschaftlich mit unseren Lieferanten auf einen neuen Standard hinzuarbeiten. Dafür braucht man eine langfristige Zusammenarbeit. In extremen Fällen haben wir uns auch schon von Lieferanten getrennt, aber wir versuchen, mit den Lieferanten zusammenzuarbeiten, um das zu vermeiden.
Trotzdem ist zum Beispiel 2013 der Rana-Plaza-Komplex in Bangladesch eingestürzt. Mehr als 1.000 Menschen sind gestorben, die dort Billigmode genäht hatten.
Das war ein Schock und macht heute noch betreten. Gerade wurde die Verlängerung des Bangladesch-Abkommens unterzeichnet, und Primark ist auch Mitglied beim Accord-Abkommen mit den Gewerkschaften. Wir haben direkte finanzielle Hilfe geleistet für Opfer und Hinterbliebene und bestehen inzwischen bei Lieferanten auf statischen Prüfungen ihrer Gebäude.
Aber Arbeitsbedingungen und Löhne bleiben schlecht.
Gemeinsam mit unseren Zulieferern haben wir sehr hart daran gearbeitet, um sicherzustellen, dass in den Fabriken, die uns beliefern, gute Arbeitsbedingungen herrschen, die Arbeiter anständig behandelt werden und ein fairer Lohn gezahlt wird. Wir arbeiten nur dann mit Lieferanten zusammen, wenn sie unseren Verhaltenskodex unterzeichnen und einhalten, der auf international anerkannten Standards beruht. Vor Ort unterhalten wir ein Team von über 130 Experten, das sicherstellt, dass diese Standards auch eingehalten werden.
Was kann man realistisch erreichen?
Wir wissen, dass wir mehr tun müssen, um die Löhne für die Arbeiter in unserer Lieferkette zu verbessern. Deshalb streben wir einen existenzsichernden Lohn für die Menschen an, die unsere Produkte herstellen, und bieten Zugang zu Schulungen zur finanziellen Bildung. Wie hoch muss ein Lohn sein, um Menschen ein angemessenes Leben in Indien, Bangladesch oder Pakistan zu ermöglichen? Das wird jetzt zusammen mit verschiedenen Organisationen ermittelt. Das Ziel ist der Abschluss von Tarifverträgen. Dafür setzt sich Primark auch mit den Gewerkschaften ein.
Wäre das alles nicht leichter, wenn Sie Abschied nehmen würden von der Wegwerfmode? Bricht uns ein Zacken aus der Krone, wenn wir einen Euro mehr für ein T-Shirt zahlen?
Der Rückschluss ist falsch, dass die Menschen in der Fabrik besser leben, wenn T-Shirts teurer sind. Dort werden auch für andere Auftraggeber T-Shirts genäht, die im Laden ein Vielfaches von unseren kosten – der Lohn ist aber derselbe. Wir glauben, dass es nicht teurer sein darf und auch nicht teurer sein muss, nachhaltig zu produzieren. Es ist unser Geschäftsmodell, nachhaltigere Produkte für alle erschwinglich zu machen.
Was kostet bei Primark ein komplettes Outfit? Nehmen wir mal Ihres?
Ich zahle normalerweise so um die 50 Euro – ohne Schuhe. Die Jacke hat übrigens ein Vegan-Siegel vom TÜV: Sieht aus wie Leder, ist aber keines. Und die Jeans sind aus nachhaltiger Baumwolle.
Wäre Nachhaltigkeit leichter zu erreichen, wenn es nicht alle paar Wochen ein neues Outfit sein muss?
Ich glaube, dass Nachhaltigkeit und Menge gar nicht direkt miteinander in Verbindung stehen. Nachhaltigkeit hat etwas mit der Qualität zu tun, also mit dem Material, den Herstellungsbedingungen und der Recyclingfähigkeit. Wir schreiben unseren Kunden nicht vor, wie viel sie kaufen. Unsere Verantwortung ist, dass die Ware nachhaltig produziert wird und alle Menschen, die dazu beitragen, ein gutes Leben führen können.
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