Neue Biografie erscheint: Wer war Reinhard Mohn wirklich?

Gütersloh. Memoiren hat er nie verfasst, der Mann, der aus einem ostwestfälischen Buchverlag Europas größten Medienkonzern gemacht hat. Auch biografische Werke über Reinhard Mohn gibt es kaum. Anlässlich seines 100. Geburtstages aber, den er am 29. Juni gefeiert hätte, erscheint heute das Buch &bdquo;Reinhard Mohn – Ein Jahrhundertunternehmer". Bertelsmann hat einen renommierten Historiker für deutsche Unternehmensgeschichte als Autor gefunden. Joachim Scholtyseck ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Er hat Bücher geschrieben über den Aufstieg der Industriellenfamilie Quandt und den Pharmakonzern Merck. Nun also über Reinhard Mohn. Persönlich begegnet ist Scholtyseck dem Gütersloher, der 2009 starb, nie. Ein Nachteil? &bdquo;Es kann gerade bei einer beeindruckenden und bisweilen Ehrfurcht erregenden Persönlichkeit ein Vorteil sein, eine gewisse Distanz zu haben", sagt der Autor im Gespräch mit nw.de. Zeitzeugen hätten diese Distanz mit ihren Voreingenommenheiten notgedrungen nicht. So hat Scholtyseck auch weitgehend auf Interviews mit Begleitern Mohns verzichtet, sondern verlässt sich eher auf Quellen. "Er war ein Pionier des neuen Management-Geistes" Der Historiker nähert sich dem Phänomen Reinhard Mohn aus mehreren Perspektiven. Er ordnet seine politischen Haltungen ein, schildert den Weg, auf dem Mohn nach dem Krieg eher unvorhergesehen an die Verlagsspitze kam, und begleitet den Macher auf dem Weg nach oben. Nach ganz oben. Wert legt Scholtyseck dabei auf Mohns Führungskultur, mit der er seiner Zeit weit voraus gewesen sei. &bdquo;Er war durch seine Ideen, deren Wurzeln unter anderem in seinen USA-Erfahrungen während der Kriegsgefangenschaft liegen, ein Pionier eines neuen Management-Geistes", sagt der Autor im Gespräch mit nw.de. Mit seinen Vorstellungen flacher Hierarchien seit den 1950er Jahren sei Mohn für die Bundesrepublik wegweisend gewesen. Scholtyseck gelingt es dabei, Schubladen zu vermeiden. Mohn war vielschichtig, manchmal widersprüchlich, immer realitätsbewusst. Er konnte fortschrittlich, ja fast visionär denken, und dabei zugleich Traditionen verhaftet bleiben. Er war &bdquo;ein Ordnungs- und Pünktlichkeitsfanatiker, der in seinem Büro ,Ordnung und Stille brauchte", konnte aber auch den legendären Klamottenball genießen. Er behielt das große Ganze im Blick und reagierte doch im Detail hin und wieder dünnhäutig. Am Beispiel der gescheiterten Übernahme des Springerverlages Anfang der 1970er-Jahre oder auch an der Frage, ob Mohn nun in erster Linie pragmatischer Unternehmer oder intellektueller Verleger sein wollte, zeigt Scholtyseck diese Komplexität auf. Vielleicht ist es genau das, was diese Biografie lesenswert macht. Das Buch ist reich bebildert, manchmal ein wenig zu Lasten des Textes. Neben vielen Fotos sind es Abbildungen wichtiger Dokumente und Briefe, die zum genauen Hinsehen einladen. Sie lassen hier und da Blicke in Mohns Gedankenwelt zu. "Dafür ist das Private kaum relevant" Wer aber ausführliche Schilderungen und bislang unbekannte Details von Mohns Privatleben erwartet, der wird enttäuscht. Das Private bleibt weitgehend außen vor. Für Autor Scholtyseck eine bewusste Entscheidung, wie er andeutet: &bdquo;Das Private, das habe ich bei Studien über Unternehmer festgestellt, ist für die zentralen Eigenschaften, die den Unternehmer ausmachen, kaum relevant." Es könne sogar den Blick auf das Entscheidende verstellen. Am ehesten sind es die Bilder, die den Blick ins Private zulassen: Aufnahmen vom Holzhacken auf seinem Hof oder vom Mackie-Messer-Ball 1974 mit Ehefrau Liz. Am Ende bleibt die Frage nach dem Titel des Buches: War Reinhard Mohn nun ein Jahrhundertunternehmer? Für Joachim Scholtyseck ist das aus drei Gründen der Fall. Er nennt hier den "Abschied vom Denken in patriarchalischen Strukturen" und die "konsequente Delegation von Verantwortung". Und er spricht vom "Streben nach einem Unternehmertum, das sich der gesellschaftlichen Aufgaben eines dynamisch und global agierenden Unternehmens bewusst ist und dabei höchst erfolgreich wirtschaftet". All das mache "einen Jahrhundertunternehmer aus". Joachim Scholtyseck, &bdquo;Reinhard Mohn – Ein Jahrhundertunternehmer", 224 Seiten, 25,00 Euro, C. Bertelsmann.

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