Münster. Die Läden in Nordrhein-Westfalen müssen an den Vorweihnachtssonntagen sowie am Sonntag nach Neujahr geschlossen bleiben. Mit einem Eilbeschluss hat das Oberverwaltungsgericht Münster am Dienstag die fünf landesweiten von der Landesregierung vorgesehenen verkaufsoffenen Sonntage untersagt.
Die Landesregierung hatte in der Pandemie mit der Regelung das Einkaufsgeschehen im Advent entzerren und einen „unregulierbaren Kundenandrang" vermeiden wollen – und die Möglichkeit zur Öffnung in der Corona-Schutzverordnung festgeschrieben. Die Gewerkschaft Verdi ging im Eilverfahren gegen diese pauschale Regelung vor. (Az.: 13 B 1712/20 NE)
Die für Infektionsschutzrecht zuständige Kammer beim Oberverwaltungsgericht Münster gab der Klägerin nun recht: Die Richter äußerten „erhebliche Zweifel an der Eignung der Sonntagsöffnung, das Infektionsrisiko einzudämmen", hieß es in einer Mitteilung. Es könne nicht angenommen werden, dass sich das Kundenaufkommen des Samstags auch auf den Sonntag verteilen werde.
Mangels mögliche Freizeitaktivitäten zusätzlicher Anreiz
Es erscheine zudem naheliegend, dass mangels Möglichkeiten der Freizeitgestaltung zusätzliche Kunden animiert würden, in die Innenstädte zu kommen. Das stehe im Widerspruch mit dem Infektionsschutzgesetz. Außerdem sei eine landesweite Regelung nicht rechtens, da davon auszugehen sei, dass gerade in ländlichen Regionen der Andrang überschaubar bleibe.
Der Senat habe nicht über durchaus verständliche wirtschaftliche Interessen entscheiden müssen, sondern lediglich bewerten müssen, ob die landesweite Öffnungsregelung dem Infektionsschutz diene, betonte eine Gerichtssprecherin. Unberührt von der Entscheidung seien möglicherweise geplante verkaufsoffene Sonntage, die die Stadträte als Begleitung sonstiger Veranstaltungen in der Vorweihnachtszeit anberaumt hatten.
Grundsätzlich werden kommunale verkaufsoffene Sonntage meist im Zusammenhang mit örtlichen Festen oder Märkten genehmigt, die allerdings coronabedingt ohnehin ausfallen müssen.
Bereits zuvor ähnliche Beschlüsse und Urteile
Der Eilentscheidung der Richter gehen bereits zahlreiche ähnlich gelagerte Beschlüsse und Urteile rund um Sonntagsöffnungen voraus: Immer wieder ging Verdi in den vergangenen Jahren erfolgreich gegen Kommunen vor, die aus ihrer Sicht den gesetzlich verankerten Sonntagsschutz aushöhlten.
Nach der coronabedingten Schließung vieler Läden im Frühjahr hatte das Wirtschaftsministerium im Sommer mit einem Erlass einen neuen Anlauf für mehr verkaufsoffene Sonntage gestartet – damit sollte der Einzelhandel die ausgefallenen Umsätze aufholen können. Doch das OVG hatte nach Klagen von Verdi reihenweise entsprechende Plänen der Kommunen gekippt.
Verdi begrüßte die Gerichtsentscheidung. Man habe immer betont, dass es durch verkaufsoffene Sonntage nur zu einer Verdichtung komme und sie keinesfalls zum Schutz der Bevölkerung beitrügen, teilte die Gewerkschaft mit. Auch trage der Beschluss zur Beruhigung der Beschäftigten bei, die ohnehin Sorge vor Ansteckung hätten.
„Dass sie jetzt zumindest an den Adventssonntagen bei ihren Familien zu Hause bleiben und sich damit ein bisschen von dem hohen Adventsstress im Einzelhandel erholen können, ist wichtig für den Erhalt der Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen und das haben sie sich auch redlich verdient", sagte Silke Zimmer, bei Verdi für Handel zuständig.
Einzelhandel: "Maßlos enttäuscht und fassungslos"
Der Einzelhandelsverband dagegen reagierte mit Unverständnis: „Wir sind maßlos enttäuscht und fassungslos", fasst Michael Radau, Präsident des Handelsverbandes Nordrhein-Westfalen, die Stimmung zusammen. „Was möchte Ver.di aus ideologischen Gründen noch alles unternehmen, um die Existenzgrundlage ihrer Mitglieder zu zerstören", erklärte Radau. Er verwies darauf, dass gerade ängstlichen Kunden, die auf das Wochenende zum Einkaufen angewiesen sind, die zusätzliche Sonntagsöffnung die Möglichkeit gegeben hätte, dem hohen zu erwartenden Besucheraufkommen an den Adventssamstagen zu entgehen.
Eine Entzerrung hätte auch dem Schutz der Beschäftigten gedient, sagte Radau weiter. „Ich frage mich, ob das OVG wirklich den Ernst der Lage erkennt, ganze Innenstädte drohen wegzubrechen."