Gesetzesentwurf

Neue Risiken für Besitzer von Eigentumswohnungen

Die Bundesregierung will das Wohnungseigentumsgesetz schnell reformieren. Doch nicht nur Verbraucherschützer befürchten finanzielle Nachteile und Haftungsrisiken für Wohnungsbesitzer. Auch der BGH hat Bedenken.

In Großstädten wie Berlin oder München gibt es große Häuserkomplexe mit vielen Eigentumswohnungen. Rund die Hälfte ist vermietet. | © picture alliance / dpa-tmn

Andrea Frühauf
11.05.2020 | 13.05.2020, 11:51

Berlin. Die Bundesregierung will das Wohnungseigentumsgesetz (1951) schnell reformieren. Betroffen sind die Besitzer von bundesweit rund zehn Millionen Eigentumswohnungen, sprich fast jeder vierten Wohnung. Das Bundeskabinett hat den von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) vorgelegten Entwurf bereits beschlossen.

Mit der Reform sollen beispielsweise bauliche Maßnahmen zur energetischen Sanierung und zur Barrierefreiheit vereinfacht werden. Wohnungseigentümer sollen einen Rechtsanspruch auf den Einbau einer Ladestation für Elektrofahrzeuge, auf Maßnahmen für Barrierefreiheit und Einbruchschutz bekommen – auf eigene Kosten.

Gesetz soll schon im September in Kraft treten

Doch Teile des geplanten Gesetzes, das am 19. Juni im Bundestag verabschiedet werden soll und schon zum 1. September in Kraft treten soll, stoßen auf massive Kritik. Vier Verbraucherverbände – der Bauherren-Schutzbund, der Verband Wohneigentum, der Verband der deutschen Wohnungseigentümer und der Verein Wohnen im Eigentum – befürchten finanzielle Risiken für Wohnungsbesitzer.

Mauscheleien und Vetternwirtschaft befürchtet

Vor allem die künftige Rolle des Verwalters, der mehr Rechte erhalten soll, löst Kritik aus. Werde der Entwurf zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes so umgesetzt, würden die Machtverhältnisse in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) zugunsten der Verwalter, Bauträger und Auftragnehmer verschoben, warnt Gabriele Heinrich, Vorstand des Bonner Vereins Wohnen im Eigentum. Sie befürchtet, dass die neuen Strukturen Mauscheleien, Vetternwirtschaft und Korruption befördern.

Denn die Verwalter sollen unbeschränkte Vertretungsmacht nach außen erhalten und selbst ohne Beschluss der Eigentümer Aufträge an Handwerker vergeben oder Verträge mit Versicherungen oder Wartungsdiensten abschließen.  Die Verwaltung könne künftig quasi wie ein Geschäftsführer einer GmbH auch hohe Kredite aufnehmen, fürchtet die
Verbraucherschützerin. Die Verträge wären für die WEG bindend, und die Wohnungseigentümer müssten den Zahlungspflichten nachkommen. „Da geht es auch um hohe Kredite." Die Wohnungsbesitzer könnten die Verwalter nur noch als Eigentümergemeinschaft auf Schadensersatz verklagen.

„Wir erwarten gerade für die nicht professionellen Eigentümer neue Haftungsrisiken", warnt Heinrich. Denn mit der Reform solle der Verband WEG als „ein Rechtskonstrukt" die gesamte Verantwortung und Haftung für die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums übernehmen und auch für Schäden aufkommen, die durch nicht ordnungsmäßige Verwaltung oder Pflichtverletzungen der Verwalter entstanden seien. Wohnungsbesitzer sollen demnach nicht mehr direkt gegen Verwalter, Miteigentümer oder Handwerker vorgehen können.

"Vergesellschaftung der Schäden"

Weiterer Kritikpunkt: Alle baulichen Veränderungen sollen nur noch mit einfacher Mehrheit der Eigentümerversammlung beschlossen werden. „Wenn nur drei Eigentümer da sind, stimmen nur die ab", kritisiert Heinrich.

Auch der Deutsche Richterbund hat „erhebliche Bedenken" und befürchtet Missbrauchsmöglichkeiten, denen einzelne Eigentümer effektiv zunächst wenig entgegensetzen könnten. Er fordert mehr Kontrollmöglichkeiten für Wohnungsbesitzer. Der Beirat stehe der Verwaltung zur Seite, kontrolliere sie aber nicht.

Der Bundesgerichtshof befürchtet eine „Vergesellschaftung" der Schäden, „für die nicht die eigentlichen Verursacher in Anspruch genommen werden" – und damit mehr Zahlungsklagen. Einzelnen Wohnungseigentümern würde kein individueller Anspruch gegen den Verwalter mehr zustehen, wenn dieser seinen Verwalterpflichten nicht nachkomme, so der BGH. Auch für eigenmächtige Handlungen des Verwalters könne die Gemeinschaft künftig haftbar sein. "In den gerichtlichen Kostenentscheidungen soll ein Verschulden des Verwalters nicht mehr berücksichtigt werden."

"Verwalter sind für fremdes Vermögen verantwortlich"

Der Senat habe immer wieder Fälle zu beurteilen, in denen Verwalter ihre Pflichten in gravierender Weise verletzten, konstatiert der Bundesgerichtshof. "Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass Verwalter in großem Umfang für fremdes Vermögen verantwortlich sind."

Nach der ersten Lesung im Bundestag, bei der auch Politiker mehrerer Parteien Bedenken äußerten, gibt es am 27. Mai eine Anhörung. „Danach sollen Änderungen erarbeitet werden", heißt es bei der SPD. Sie fordert einen Sachkundenachweis für Immobilienverwalter.