TuS Eintracht Rulle überrascht

Fußball in Corona-Zeiten: Eine glückliche Entwicklung

Die Pandemie hat einen geregelten Spielbetrieb im Sport kaum möglich gemacht. Nach langem Warten wurden die Fußball-Amateur-Ligen abgebrochen. Das hat einen kleinen Fußball-Club aus Niedersachsen zum Meister gemacht. Endlich.

Meister nach Saisonabbruch: Im Rahmen des ersten Testspiels vor zwei Wochen hat sich die Mannschaft aus dem Osnabrücker Ort Rulle feiern lassen. Der Verein übergab dem Team einen eigens angefertigten Pokal.  | © Bernhard Horn

12.08.2020 | 24.08.2020, 12:04

Alle Fußball-Spiele sind während der Corona-Krise bis auf weiteres abgesagt. Nein, eine Überraschung war die Nachricht nicht. Sie kam einige Tage nach dem letzten Spiel meiner Mannschaft am 8. März. Ärgerlich, aber verständlich angesichts der drohenden Ausbreitung des Corona-Virus. Als dann wiederum Tage später die Saison vorerst unterbrochen wurde und gleichzeitig verschiedene Möglichkeiten über die Beendigung der Spielzeit 2019/20 die Runde machten, da dachte ich nur: bloß keine Annullierung. Wir waren Tabellenführer. 18 Spiele, 17 Siege, eine Niederlage. Eine Annullierung, gleichbedeutend mit der Löschung sämtlicher Ergebnisse – das wäre so gewesen, als hätte es diese überragende Spielzeit nicht gegeben.

Fußball ist für viele sehr wichtig

Corona hat die Welt vorerst auf den Kopf gestellt. Auch die Sportwelt, die, objektiv betrachtet, nicht so wichtig ist wie beispielsweise der Schutz der Umwelt, die Bildung, Gleichberechtigung und der Frieden. Doch in all seinen Facetten hat der Sport für viele, viele Menschen eine enorme Bedeutung. Und so wurde in vielen Sportarten die Frage bedeutend: Wie geht es weiter?

Die Frage habe ich mir nach dem Ende einer Saison in den vergangenen Jahren oft gestellt. Seit 2012 spiele ich, nach einem zweijährigen Intermezzo bei einem anderen Verein, in Rulle im Landkreis Osnabrück. Nicht erst seit 2012 heißt es hier: Kreisliga. 2001 spielte die 1. Herren-Mannschaft des Vereins das letzte Mal in der Bezirksliga, damals noch Bezirksklasse. Gedanken an den Aufstieg habe ich in meinen ersten beiden Saisons in Rulle – 2008 bis 2010 – deutlich weniger verschwendet als in der jüngeren Vergangenheit.

Aussicht auf Erfolg vor der Corona-Krise

Die Aussicht auf eine erfolgreiche Zeit begann eigentlich erst 2012, nachdem die Mannschaft in der Vorsaison Vizemeister geworden war. Nur der Erstplatzierte steigt auf. Da gilt man der äußeren Wahrnehmung nach als der logische Topfavorit für den Aufstieg, wenn man Zweiter geworden ist. Klar. Und wenn man mit einem 8:0 in die Saison startet, ja, dann macht das Mut und gibt Zuversicht. Wenn man aber gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte knapp verliert, dann endet eine gute Saison am Ende doch wieder nur auf Tabellenplatz zwei.

Nicht Zweiter, sondern Dritter hieß es dann ein Jahr später. Und so schade das ist, und so verärgert wir am Ende waren, so positiv war doch der Blick nach vorne. Der Wille, wieder oben anzugreifen, er war da.

Und es wurde Realität. Doch was heißt „oben angreifen"? Bis zum vorletzten Spieltag Tabellenführer sein und dann selbst eine 2:1-Führung aus der Hand geben und nach Abpfiff erfahren, dass der punktgleiche Konkurrent im Parallelspiel in der Nachspielzeit aus einem 0:2 ein 3:2 macht? Dass man am Ende zwar 98 Tore geschossen hat, aber letztendlich doch um zwei Punkte scheitert?

Wir halten während Corona zusammen

Dass nach verpassten Aufstiegen, Meisterschaften oder anderen Erfolgen Mannschaften auseinanderbrechen, weil Leistungsträger wechseln, kommt nicht selten vor. Wir taten es nicht. Die Spieler fühlen sich in dem Verein wohl. Wir trinken gern nach Training und Spiel ein Bier zusammen. Wir verstehen uns untereinander. Und einige von uns widerstanden Angeboten anderer Vereine. Also? Nächster Versuch in der folgenden Spielzeit. Es sollte wieder ein enger Zweikampf um Platz eins werden. Sie mögen sich denken, wie er geendet ist, sonst wäre diese Geschichte wohl obsolet.

Und irgendwann, da bleiben auch Veränderungen nicht aus. Zur Saison 16/17 auf der Trainerposition. Zu zweit blieben unsere neuen Trainer zwei Jahre, einer von ihnen noch ein drittes. Mehr als die Plätze zwei, fünf und drei, ja Sie lesen richtig, sprangen nicht heraus.

Was gibt einem da schon Hoffnung? Doch diese Spielzeit stellte alles in den Schatten. Fast selbstverständlich und wie quasi in jeder Saison von anderen Trainern in einer Umfrage als Mitfavorit auf den Aufstieg gehandelt, ging es vorrangig darum, auf den ersten acht Plätzen zu landen, um sich für eine neu zusammengelegte Liga zu qualifizieren. Junge Spieler, die aus dem Verein kommen, ein neuer Trainer, der die beschriebenen Spielzeiten als Spieler selbst miterlebt hat – es war ein Neuanfang. Und mit der Zeit, mit jedem einzelnen Sieg, der uns als Tabellenführer bestätigte, wuchs der Glaube: Diesmal packen wir es wirklich. Niemand kann uns diesmal stoppen. Doch ein unsichtbarer und bislang unbekannter Gegner – nicht wir selbst und auch keine andere Mannschaft – setzte dem zunächst ein jähes Ende: das Corona-Virus.

Endlich geht es mit dem Fußball trotz Corona weiter

Doch an jenem Samstag, Ende Juni, spielte all das keine Rolle mehr. Über Wochen wurde gemutmaßt, wie die Fortführung der Saison aussehen soll. Annullierung, die unterbrochene Saison, sobald es möglich wäre, weiterspielen oder die Saison abbrechen und nach einer Quotientenregel werten?

In Niedersachsen wurde abgestimmt, dass die Spielzeiten abgebrochen werden und es nur Aufsteiger nach Quotientenregel geben soll: Die Anzahl der Punkte wird durch die Anzahl der Spiele geteilt. Wir konnten nicht von der Tabellenspitze verdrängt werden. Die Meisterschaft und der damit verbundene Aufstieg waren Realität.

Die Option, die im Vorfeld als die wahrscheinlichste galt, wurde beschlossen. Das lange Warten hatte ein Ende. Nicht nur das knapp vier Monate lange Warten, währenddessen kein Fußball gespielt wurde. Nein, für manche endete eine 20-jährige Wartezeit positiv.

Vergessen waren die teils knapp gescheiterten Versuche. Und trotzdem musste ich einmal innehalten. Wir haben es tatsächlich geschafft. Das erlösende Gefühl, unmittelbar nach dem Abpfiff des entscheidenden Spiels feiern zu dürfen – so habe ich es mir oft vorgestellt. Corona wollte es anders.

Und dennoch: Als die entscheidende Nachricht in der Whatsapp-Gruppe gesendet wurde, da war auch meine Freude und Erleichterung riesengroß. Wie es nun weitergeht? Eine Liga höher. Bezirksliga! Was drin ist? Jedenfalls eine ganze Menge Mut und Zuversicht.