Änderung des Baugesetzes

Bericht: Ampel will Mindestabstand von Windrädern zu Wohnhäusern abschaffen

Laut Medienbericht will die Bundesregierung den Ländern per Gesetz die Erlaubnis entziehen, eigene Mindestabstände festzulegen. Das betrifft auch NRW, wo bisher 1.000 Meter Abstand gelten.

Der Abstand von Windrädern zu Wohnhäusern hat in der Vergangenheit wiederholt zu Streit zwischen Bürgern und Bauherren geführt. | © Patrick Pleul

12.05.2022 | 12.05.2022, 17:27

Berlin/Düsseldorf. Die Bundesregierung will den Bau von deutlich mehr Windrädern in Deutschland möglich machen - und dafür offenbar bisher geltende Mindestabstandsregeln abschaffen. Das geht aus einem Expertenvorschlag der Ampel-Koalition für eine Änderung des Baugesetzbuches hervor. Beim Land NRW zeigt man sich überrascht, ebenso bei der FDP.

Dem Entwurf zufolge, der nw.de vorliegt, sollen die Bundesländer nicht mehr eigene Mindestabstände von Windrädern zur Wohnbebauung festlegen dürfen. Die sogenannte "Länderöffnungsklausel", die dies erlaubt, sollte dem Gesetzesentwurf zufolge "ersatzlos gestrichen werden". "Auch ohne diese Regelungen sind die Anwohnerinnen und Anwohner umfassend geschützt", heißt es weiter, etwa durch das Immissionsschutzgesetz, das vor schädlichen Eingriffen in die Natur schützen soll.

Bisher dürfen die Länder selbst bestimmen, welchen Mindestabstand Windräder zu Wohnhäusern haben dürfen. In NRW sind bisher pauschal 1.000 Meter Abstand verpflichtend. Bestehende Regeln sollen dem Vorschlag zufolge aber "vorerst" weiter gelten. Sprich: Die Abstandsregel in NRW wäre von den Plänen zunächst nicht betroffen.

Verabschiedung des Gesetztes nicht vor Wahl in NRW

Das Gremium rät allerdings außerdem, ein für alle Bundesländer geltendes Flächenziel festzulegen, "um kurzfristig mehr Flächen für den Bau von Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen". Wenn ein Planungsträger dieses Flächenziel unterschreite, solle es ihm nach dem Willen der Regierung "nicht mehr möglich sein, den Bau von Windkraftanlagen außerhalb dafür vorgesehener Flächen zu untersagen", heißt es in der Stellungnahme.

Offenbar soll das Gesetz aber nicht mehr vor der auch für die Bundespolitik wichtigen Landtagswahl in NRW verabschiedet werden. Das berichtet die Bild. So soll womöglich Protesten von Bürgern zuvorgekommen werden. Dem Bericht zufolge soll die FDP auf einen entsprechenden Zeitplan gedrängt haben. Als Stichtag könnte demnach der 18. oder 25. Mai gelten. So soll offenbar verhindert werden, dass Länder ohne eigene Mindestabstandsregeln solche noch schnell einführen.

Abstandsregel in NRW erst 2021 eingeführt

Das NRW-Wirtschaftsministerium stellt auf Anfrage klar: Im Bund-Länder-Koordinierungsausschuss zum Ausbau der Erneuerbaren Energien sei der Entwurf vorgestellt und beraten worden - mit der Aussage an die Länder, dass diese ihre bestehenden Abstandsregeln erhalten könnten. Das teilt das Ministerium auf Anfrage von nw.de mit. "Das ist unser aktueller Erkenntnisstand", so ein Sprecher. Ob die Regel in NRW falle, entscheide künftig also demnach vor allem die neue Landesregierung. Auch Frank Schäffler, Chef der OWL-FDP und Bundestagsmitglied, verteidigt die Abstandsregel indirekt und betont gegenüber nw.de: "Der Ausbau der Windkraft funktioniert nur mit den Menschen, nicht gegen sie." Die FDP werde der Maßnahme nicht zustimmen.

In NRW wurde die Abstandsregel erst im vergangenen Jahr von CDU und FDP eingeführt. Beide Parteien wollen eigentlich an der Regel festhalten und begründen das damit, dass sie zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung führe. Zudem verweisen sie darauf, dass Kommunen, wenn sie wollen, den Abstand auf bis zu 700 Meter reduzieren können. SPD und Grüne in NRW fordern hingegen seit Monaten die Abschaffung der Regel. Sie sind der Meinung, dass dadurch der dringend nötige Ausbau der Windkraft massiv erschwert und blockiert werde.

Scharfe Kritik von NRW-Bauministerin

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich bei einem Besuch in Düsseldorf Ende Februar noch etwas anders positioniert. Auf die Frage von nw.de, ob die 1.000 Meter-Abstandsregel fallen solle, hatte er geantwortet: "Dass es bestimmte Abstände braucht, für Windkraftanlagen, ist völlig klar. Wenn es 1.000 Meter zu geschlossenen Ortschaften sind und im Siedlungsbereich des ländlichen Raums es geringere Abstände gibt, dann wird man damit arbeiten können“, so Habeck. Er kenne die räumlichen Gegebenheiten in NRW nicht gut genug, um sich ein abschließendes Urteil erlauben zu können, so der Bundesminister weiter.

Wenn die Pläne der NRW-Landesregierung aber dazu führten und es gelinge, dass rund zwei Prozent der Fläche mit Windkraftanlagen versehen würden, könne jedes Land die Ausgestaltung selber vornehmen. NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach verteidigt gegenüber nw.de die Abstandsregel in NRW. Sie schaffe Akzeptanz, ohne die der Ausbau der Windkraft nicht möglich sei, so die CDU-Ministerin. Scharrenbach wirft Grünen und SPD vor, ihre Pläne aus dem städtischen Raum heraus zu formulieren. „Sie müssen nicht den ländlichen Raum belehren. Diese Zeit haben wir hinter uns und sie tat Nordrhein-Westfalen nicht gut.“ Scharrenbach fordert mehr Respekt vor den ländlichen Regionen und deren Anliegen. Die Ministerin glaubt, dass die Windkraft bei einem Wegfall der 1.000 Meter-Abstandsregel vor allem in ohnehin stark betroffenen Regionen wie OWL „weiter massiv ausgebaut“ werde.

Laut Scharrenbach wurde der Ausbau der Windkraft in OWL jahrelang „übertrieben“ und rücksichtlos durchgesetzt. worden, so Scharrenbach. „Dort wird den Menschen der Raum genommen, zu gestalten.“ Die umstrittene 1.000 Meter-Abstandsregel in NRW gebe es nur, weil in Teilen des Landes die Interessen von Menschen „nicht berücksichtigt“ worden seien, so Scharrenbach. „Sonst bräuchten wir die gar nicht.“