Berlin. Auch die Union hat nun die ersten Sondierungstermine mit FDP und Grünen. Aber ausgerechnet vor den Gesprächen mit dem "Wunschpartner" FDP steigen die internen Spannungen in der Union. In der CDU äußern Politiker Zweifel an der künftigen Rolle von Parteichef Armin Laschet - und potenzielle Nachfolger geraten aneinander. Zudem gibt es fast täglich Nickeligkeiten mit der CSU in München. Viele Grüne und Liberale zweifeln inzwischen offen, ob Gespräche mit einer immer zerstrittener wirkenden Union noch Sinn haben. Dabei haben diese beiden Parteien sogar ein Interesse daran, mit Blick auf die SPD die Jamaika-Karte im Spiel zu halten.
Laschet und die potenziellen Nachfolger
Doch Unions-Kanzlerkandidat Laschet war schon vor der Wahl umstritten und nicht nur von dem in der Kanzlerkandidaten-Kür unterlegenen CSU-Chef Markus Söder ständig infrage gestellt worden. Seit dem Wahlsonntag hat sich die interne und öffentliche Kritik an ihm noch verstärkt, obwohl die Parteigremien und auch die neue Bundestagsfraktion dem CDU-Chef das Mandat für Jamaika-Sondierungen gaben.
Hinter den Kulissen gärt es weiter - und auch Unterstützer rücken von ihm ab. Dieser Trend verstärkt sich, je klarer scheint, dass die Union statt in eine Jamaika-Koalition eher in die Opposition gehen dürfte. Mit dieser Option freunden sich etwa Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer oder Friedrich Merz mittlerweile öffentlich an. Das führt zu Absetzbewegungen gerade bei denen, die selbst auf Fraktions- oder Parteispitze schielen.
Merz steht zu Laschet - aber nur mit Jamaika-Option
Merz betonte in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe zwar, er stehe hinter Laschet, solange es eine Jamaika-Option gibt. Zugleich übte er aber so massive Kritik an Wahlkampf und Kandidat, dass dessen politische Zukunft noch unsicherer wirkte. Einem Medienbericht zufolge hält sich Merz unter bestimmten Bedingungen eine erneute Kandidatur für den CDU-Vorsitz offen. Dies sei rein spekulativ, reagierte Merz auf Twitter.
Gesundheitsminister Jens Spahn, der Laschets Wahl zum Parteichef und Kanzlerkandidaten unterstützt hatte, rückte ebenfalls mit jedem Interview ein wenig stärker ab, weil er nicht mit in den politischen Abgrund gezogen werden will.
Am Freitag wurde die Lage zudem anders beurteilt als am Montag: "Am besten wäre rückblickend gewesen, Laschet hätte am Sonntagabend den Rücktritt erklärt", sagen jetzt drei befragte Unterstützer Laschets. Denn die Hoffnung, das Hochhalten der Jamaika-Option könne die Union stabilisieren, habe sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Im ZDF-Politbarometer wächst die Zustimmung der Deutschen für die SPD, Olaf Scholz und eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP noch weiter. "Die Jamaika-Option wird durch unsere Zerstrittenheit immer weiter diskreditiert", räumt ein CDU-Bundesvorstandsmitglied ein. So gerieten auch Merz und CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus aneinander.
Die Folge: Die Sondierungen beginnen zwar mit Laschet. Aber dass er im Fall einer erfolgreichen Abschlusses noch Kanzler werden könnte, glauben immer weniger der Befragten in der CDU. Im Laschet-Lager hofft man dagegen, dass sich die Debatte ändert, wenn es in den Ampel-Gesprächen erst einmal um Inhalte und Widersprüchlichkeiten der Positionen von SPD und FDP gehe.
Problem CSU
Dazu kommt, dass die CSU fast täglich Attacken auf Laschet und auch gegen Jamaika reitet - diese aber gleichzeitig dementiert. "Die Partei wirkt schizophren", heißt es aus der CDU. Einerseits beteuerten sowohl Parteichef Söder als auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, dass sie Jamaika wollten. "Jamaika hat eine Chance, Jamaika ist eine Chance", betonte auch CSU-Generalsekretär Markus Blume am Freitag. Andererseits glauben dies der CSU immer weniger.
Dominierte am Montag in Gesprächen mit CDU-Politikern noch die Einschätzung, Söder brauche den Zugang zu den Berliner Geldtöpfen auch mit Blick auf die bayerische Landtagswahl, so gewinnt nun eine andere Deutung Oberhand: Die CSU wolle weder einen Kanzler Laschet noch ein Jamaika-Bündnis, mutmaßen CDU-Politiker. "Söder kann kein Interesse daran haben, vor der bayerischen Landtagswahl FDP und Grüne mit einer Koalition im Bund zu stärken und diese dann schlechter angreifen zu können", heißt es zur Begründung. Dass Söder selbst in letzter Minute als "Ersatzmann" für Laschet als Jamaika-Kanzler einspringen könnte, wird von CDU-Parlamentariern abgetan. Viele in der Bundestagsfraktion würden auch ihn nach den letzten Monaten in der geheimen Wahl nicht wählen, heißt es.
Es wird weiter gestichelt
Zumindest wird fleißig gestichelt: Bayerns Finanzminister Albert Füracker gibt Laschet offen die Schuld am Wahldebakel. Am Donnerstag prescht die bayerische Regionalpartei mit der Nominierung von gleich fünf Sondierern vor - und streut danach Empörung, dass die sehr viel größere CDU zehn Personen nominiert.
CSU-Generalsekretär Blume wiederum bringt mit einem Tweet den möglichen Koalitionspartner FDP gegen sich auf, als er twittert, die CSU hätte auch früher sondieren können. "Das Zauberwort gerade für Sie heißt aktuell Demut. Sie brauchen uns, nicht wir Sie", twittert die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zurück. Sowohl in der FDP als auch den Grünen heißt es, dass man an der Verlässlichkeit der CSU als Partner zweifle. Anders als die CDU sind beide Parteien jahrzehntelange Dauersticheleien und Doppeldeutigkeiten aus München nicht gewohnt - und sie haben mit der SPD jetzt eine Alternative. (rtr)
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