Kommentar

Kevin Kühnert tritt zurück: Politik ist ein brutales Geschäft

Erst die Linken mit dem Führungswechsel, dann die Grünen und nun auch noch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der aufhört. „Was ist da los?“, fragt unser Autor.

Kevin Kühnert, ehemaliger Generalsekretär der SPD, bei der Präsentation der Europawahl-Kampagne der SPD. (Archivfoto) | © IMAGO/Marten Ronneburg

Carsten Heil
07.10.2024 | 07.10.2024, 18:54

Was ist in der deutschen Spitzenpolitik los? Vor kaum zwei Wochen kündigte die gesamte Parteiführung der Grünen ihren Rückzug an. Davor schmiss das Führungsduo der Linken hin. Nun hört der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert auf. Alle aus unterschiedlichen Gründen. Aber dennoch gibt das Hinweise darauf, wie hart und brutal das Politikgeschäft sein kann.

Kühnert gibt gesundheitliche Gründe an, wie er in seinem Schreiben zumindest andeutet. Ihm fehle die Kraft, sich voll dem bevorstehenden Bundestagswahlkampf zu widmen und „über sich hinauszuwachsen“. Das ist zu respektieren. Zu allererst ist dem ja noch jungen Mann beste Genesung zu wünschen. Er ist wirklich ein umgänglicher, freundlicher, informierter und fähiger Typ. Eigentlich ein Zukunfts-Mensch für die SPD. Das hat diese Redaktion bei einem Interview mit ihm auf der Westtribüne der Bielefelder Schücoarena selbst erfahren dürfen.

Wenn selbst solche Leute wie der glühende Arminia-Fan Kühnert im Polit-Geschäft ihre Gesundheit verlieren und damit scheitern, muss man sich fragen, welche Ansprüche Politik und Öffentlichkeit an Politiker stellen.

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Kühnert hat selbst zur Härte beigetragen

Kühnert hat als Juso-Vorsitzender selbst zu dieser Härte beigetragen als er einst gegen die GroKo zu Felde zog und später im Kampf um den SPD-Vorsitz gegen Olaf Scholz Stimmung in der Partei machte. Danach hat er allerdings sehr viel zur Einigkeit der Sozialdemokraten beigetragen, gemeinsam mit zunächst Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als Parteivorsitzende, danach mit Esken und Lars Klingbeil.

Dann aber wurde Kühnert als Generalsekretär mehr zum Sekretär als zum General. Die Abteilung Attacke nach außen gehörte nicht so zu seinen Stärken, er war eher in die Partei ausgerichtet. Was zu Anfang seiner Amtszeit auch wichtig war.

Sein Gegenüber aus Paderborn, Carsten Linnemann als Generalsekretär der CDU, hat, wie es scheint, beides hinbekommen. Dennoch war Kühnert nicht erfolglos, wie die Europawahl zeigt. Aber es war wohl dann doch zu hart.

Kühnerts Entschluss scheint SPD zu überraschen

Für die SPD bleibt nur eins: nach vorn schauen. Auch das ist Teil der Härte des Geschäfts. Selbst die Gremien scheinen von Kühnerts Entschluss überrascht worden zu sein. Neuer SPD-Generalsekretär soll SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch (55) werden, hieß es am Abend aus Parteikreisen. Der Jurist vom linken Parteiflügel werde zunächst kommissarisch ernannt.

Ohne eine funktionierende SPD, wozu ein leistungsstarker Generalsekretär gehört, wird auch die Ampel-Koalition weiter in die Krise geraten und damit das ganze Land. Das kann sich die Kanzler-Partei nicht leisten.