
Für die Ampel-Koalition lohnt sich ein Blick nach Düsseldorf. Dort haben CDU und Grüne gerade ein Migrationspaket auf den Weg gebracht, welches in Berlin aktuell kaum denkbar ist. Das zeigt, dass sich die Partner in NRW auf schwierige Kompromisse einigen können – ohne diese öffentlich im Streit auszutragen.
Gleichwohl dürfte der Kurswechsel der NRW-Grünen nach Solingen nicht jedem schmecken: weder der Parteiführung in Berlin noch der Basis. Denn durch die Zustimmung zu Wüsts eilig erstelltem Sicherheitspaket geben sie Teile ihrer politischen DNA preis.
Sie stimmen zum Beispiel einer zweiten Abschiebehaft-Anstalt zu und akzeptieren, dass der Verfassungsschutz auch Zugriff auf verschlüsselte Messengerdienste erhält. Und sie tragen mit, dass Flüchtlinge ohne Aussicht auf Bleiberecht künftig bis zum Abschluss ihrer Verfahren in den Landesaufnahmeeinrichtungen wohnen bleiben müssen. Für die Grünen sind das bittere Einschnitte. Und für die Landesregierung in NRW bedeuten sie den ersten Lackmustest.
Lesen Sie auch: Neuer Migrationskurs: Wüsts Abkehr von Angela Merkel
Bislang arbeiteten CDU und Grüne weitestgehend unaufgeregt. Jetzt zur Halbzeit ziehen erste Wolken über Düsseldorf auf. Die Grünen-Ministerinnen und Minister sind angeschlagen. Neben inhaltlichen Differenzen bei den Themen Asyl, Migration und innerer Sicherheit stellt die Haushaltslage die Koalition auf eine Probe. Die Grünen sind angetreten, um den Status quo zu verändern. Das kostet Geld. Und davon ist weniger da als zu Koalitionsbeginn gedacht. Gewisse Wunschprojekte des Juniorpartners dürften aufgrund der Finanzlage scheitern.
Wüsts politische Bilanz in NRW ist schlechter als sein Ruf
Auch für Wüst brechen neue Zeiten an. Der Ministerpräsident ist bislang der Strahlemann der Regierung. Er hat seit Amtsbeginn einen Höhenflug erlebt und wird von einigen Menschen sogar als nächster Kanzler gehandelt. Das wird sich ändern, wenn sich die Union nun auf einen Kanzlerkandidaten Merz einigen sollte. Dann wird das bundesweite Interesse am „Grünen-Versteher“ Wüst nachlassen – und sich das Scheinwerferlicht stärker auf dessen Performance in NRW richten.
Lesen Sie auch: FDP-Landeschef Höne: „Wüst ist ein Schein-Riese“
Dort zeigt sich, dass Wüsts politische Bilanz schlechter ist als sein bundesweiter Ruf: Es gibt auch in NRW zahlreiche Baustellen, die unter Schwarz-Grün nicht gerade kleiner geworden sind. Das betrifft die Lage in den Kitas und Schulen, steigende Kriminalitätszahlen, überforderte Kommunen, eine verunsicherte Wirtschaft und eine besorgte Sozial- und Pflegebranche.
Nicht an allem ist Düsseldorf schuld. Es gibt viele komplizierte Schnittmengen mit der Ampel in Berlin. Doch NRW leitet Kritik und Verantwortung auffällig oft an die Bundesregierung weiter. Auch das dürfte schwieriger werden, sollte die CDU im nächsten Jahr ins Kanzleramt einziehen.