Kommentar

Wahlkampf: Auf eine politische Schlammschlacht hat niemand Lust

Es gehört dazu, im Wahlkampf zuzuspitzen. Doch es gibt Unterschiede zwischen dem Aufzeigen von inhaltlichen Unterschieden und dem Schüren von Panik, meint unser Autor.

Friedrich Merz kritisiert Kanzler Olaf Scholz nach dessen Regierungserklärung im November 2024. | © Michael Kappeler/dpa

Ingo Kalischek
15.12.2024 | 15.12.2024, 17:51

Frohe und besinnliche Weihnachten? Könnte knapp werden. CDU-Chef Merz stimmt auf einen der „härtesten“ Wahlkämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik ein. Er erwarte einen „Angstwahlkampf“, verriet Merz jetzt. Sein Parteifreund Wüst wirft Kanzler Olaf Scholz mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine vor, im Wahlkampf „auf Angst“ zu setzen. Mit der Angst der Menschen vor Krieg Stimmung zu machen, sei „eines Bundeskanzlers unwürdig“, sagte Wüst. Das sind große Worte.

Und das ist genau das, was die Menschen im Land jetzt nicht hören wollen. Nach zwei Jahren des Ampel-Dauerstreits, unsäglichen „D-Day-Papieren“ und schlechten Nachrichten an jeder Ecke dürfte sich das Interesse an einer politischen Schlammschlacht doch sehr in Grenzen halten. Die wäre nicht nur nervtötend, sondern auch gefährlich.

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Natürlich wissen auch biedere Sachpolitiker, dass sie im Wahlkampf eine Schippe drauflegen – und zuspitzen müssen. Zumal es um viel geht. Doch es gibt Unterschiede zwischen dem Aufzeigen von inhaltlichen Alternativen und dem Schüren von Panik.

Das macht man aber, wenn man der Union vorwirft, nun alle Klima-Bemühungen zurückdrehen zu wollen oder einen grenzenlosen sozialen Kahlschlag zu planen. Das ist genauso falsch wie der Vorwurf, die Grünen hätten ihre Friedenswerte über Bord geworfen oder das Bürgergeld der SPD sei im Prinzip nur eine Einladung an faule Totalverweigerer.

Wahlkämpfer werden bald wieder Koalitionen ausloten

Die Wahlkämpfer sollten bei allem Wetteifer nicht vergessen, dass sie schon in wenigen Wochen wieder an einem Tisch hocken werden, um mühselig eine Koalition auszuloten. Viele Auswahlmöglichkeiten dürften sie dann kaum haben. Aktuellen Umfragen zufolge könnte es für Schwarz-Rot und/oder für Schwarz-Grün reichen. Auf eine erneute Dreierkonstellation würden viele Menschen derweil wohl getrost verzichten.

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Insofern stimmt es etwas verwunderlich, dass sich nun ausgerechnet SPD, Grüne und Union gegenseitig inhaltlich zum Hauptgegner erklären – und von Richtungsentscheidungen sprechen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass zwei dieser drei Parteien in ein paar Wochen gemeinsam vor die Kameras treten werden, um staatstragend Begriffe wie „Vertrauen“, „Neuanfang“ und „mühsamer Kompromiss“ raus zu posaunen. Dann werden sie mit viel Pathos in der Stimme erklären, warum nun genau ihre Koalition die Richtige ist, um das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen.

Je mehr Porzellan sie bis dahin im Wahlkampf zerschlagen haben, desto schwieriger wird das später mit der Glaubwürdigkeit. Und das nützt mittel- und langfristig nur den extremen Rändern.