Hoch angesetzt, hart aufgeschlagen – so kann man das Verhandlungsergebnis für Lisa Paus interpretieren. Die grüne Familienministerin hatte zwölf Milliarden Euro zur Finanzierung der Kindergrundsicherung veranschlagt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) setzte als "Merkposten" lediglich zwei Milliarden Euro an, für das Jahr 2025 wohlgemerkt. Geeinigt hat sich die Ampelkoalition jetzt auf einen Betrag, der nur leicht über dem Erinnerungswert liegt: 2,4 Milliarden. Gegen dieses Ergebnis wirkt Paus' ursprüngliche Forderung wie ein Fantasiegebilde.
Mit der Kindergrundsicherung, das sagte die Ministerin nun ernsthaft, habe die Bundesregierung "eine Antwort auf Kinderarmut in Deutschland gefunden". Sozialminister Hubertus Heil (SPD) behauptete, dass nach dem Koalitionsstreit über die neue Sozialleistung nicht eine Partei "gewonnen" habe, sondern die Kinder in Deutschland.
Fraglich, ob das wirklich so ist. Wie es gerade aussieht, ist Ministerin Paus an Minister Lindner abgeprallt, der sich seit Monaten als eiserner Kassenwart präsentiert. Die Hilfe für Kinder und Jugendliche soll einfacher zugänglich sein als die bisherigen Modelle, die Staatsausgaben aber sollten nicht allzu spürbar steigen.
Lindner geht es um Arbeitsanreize – vor allem für Migranten
Zu den wenigen positiven Punkten dieser Einigung gehört, dass die Kindergrundsicherung mehrere Leistungen zusammenfasst, vom Kindergeld über den Kinderfreibetrag bis hin zu Geld- und Sachleistungen zu Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe. Auch die Informationspflicht über die Ansprüche durch den Staat ist eine Verbesserung. Längst nicht sichergestellt ist aber, dass Kinder durch das neu geschaffene Modell Bildungsdefizite aufholen oder dass sie kulturell gefördert werden.
Lindner geht es um den Arbeitsanreiz – vor allem für Menschen mit Migrationsgeschichte. Was er damit suggeriert: Kinderarmut sei primär ein Problem von ausländischen Familien. Einige finden das perfide, sogar schäbig.
Der Hinweis nach einem möglichen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kinderarmut sollte im politischen Meinungsstreit gestattet sein. Tatsächlich ist die Zahl der Minderjährigen in Bedarfsgemeinschaften gesunken, die eine deutsche Staatsangehörigkeit haben; die der ausländischen Minderjährigen stieg in den vergangenen acht Jahren.
In NRW ist der Handlungsdruck noch einmal größer
In Nordrhein-Westfalen ist der Handlungsdruck noch größer als jenseits der Landesgrenzen – gemessen an der Kinderarmutsgefährdungsquote rangiert NRW hinter Bremen auf Platz zwei. Armut von Kindern und Jugendlichen sollte gerade hier losgelöst von Herkunft angegangen werden. Sonst gehen diesem Land seine Kinder verloren.