Historiker aus Salzkotten enthüllt wahre Geschichte der Bounty

Salzkotten/Bielefeld. Schon als Kind war Simon Füchtenschnieder ein großer Fan des Romans &bdquo;Meuterei auf der Bounty“. Er hatte die spannende Geschichte aus dem Jahr 1789 mit Kapitän William Bligh und Fletcher Christian als Hauptpersonen auf einer Hörspielkassette. &bdquo;Das hat sich tief bei mir eingebrannt. Ich kann heute noch Passagen auswendig“, sagt der 45-jährige gebürtige Salzkottener. Als er als Geschichtsstudent ein Thema für sein Staatsexamen suchte, begegnete ihm die &bdquo;Meuterei auf der Bounty“ erneut. &bdquo;Beim Auslandssemester in Dublin lag eine DVD mit dem Kinofilm von 1984 einer Zeitschrift bei. Ich war dann so begeistert, dass ich mir das als Thema nahm.“ Allerdings aus seefahrthistorischer und wissenschaftlicher Sicht, wie er betont. Mittlerweile ist daraus auch die Doktorarbeit von Füchtenschnieder geworden und daraus dann das historische Sachbuch &bdquo;Meuterei im Paradies“. Dass das Thema immer noch zieht, zeigt sich anhand der Verkäufe. Die erste Auflage von 3.000 Exemplaren sei nach acht Wochen ausverkauft gewesen, wie Füchtenschnieder berichtet. Das im Klett-Cotta-Verlag erschienene Buch bekommt nun eine zweite Auflage mit 1.500 Stück. Dabei beschäftigt sich das Buch des in Bielefeld lebenden Autors nicht nur mit der Bounty und der Meuterei, sondern auch mit der zweiten, dann erfolgreichen Reise von Kapitän Bligh mit der Providence. Füchtenschnieder hat beide Reisen in einem historischen und wissenschaftlichen Gesamtzusammenhang gestellt und erklärt, was wirklich dahinter steckte. Brotfrucht schmeckte den Sklaven in den britischen Kolonien nicht Ziel der königlichen Marine war es, Brotfruchtpflanzen von Tahiti in die Karibik zu bringen. Denn in den britischen Kolonien war preiswertes und auch ständig verfügbares Essen für die Sklaven knapp. &bdquo;Der Pflanzentransfer war ein groß angelegtes Projekt von der britischen Regierung aus wirtschaftlichem Kalkül. Die Brotfrucht war nahrhaft, hatte viel Stärke und brauchte wenig Wasser. Allerdings war die ganze Mühe am Ende vergeblich, denn die Sklaven mochten die Frucht gar nicht. Sie wurde oft als Schweinefutter verwendet“, weiß der Autor. Aber auch das habe sich schon sehr lange gewandelt - heute sei die Brotfrucht eines der beliebtesten Essen im karibischen Raum. Es sei aber nicht nur um die Pflanze gegangen. &bdquo;Auch Tee spielte eine große Rolle bei den Briten, es gab im 18. Jahrhundert schon einen Welthandel mit China, die Briten haben da sehr viel Geld investiert“, hat der 45-Jährige recherchiert. In seinem Sachbuch räumt er auch damit auf, dass Kapitän Bligh - wie im Roman - ein Tyrann und Sadist war. &bdquo;Das war er nicht. Er war wohl cholerisch veranlagt und konnte schnell aus der Haut fahren. Er wusste aber, wie man eine Mannschaft behandeln musste. Auf See war man auf einem beschränkten Raum, da musste jede Aufgabe ineinandergreifen, damit ein Schiff segelbar war“, so Füchtenschnieder. Auch seien Fletscher Christian und Bligh eigentlich befreundet gewesen und kannten sich schon vorher von einem britischen Handelsschiff. Original-Logbuch von Kapitän Bligh ist unter Verschluss &bdquo;Fletscher Christian war ein Hitzkopf, aber nicht die heldenhafte Figur wie im Roman - das wurde hinzugedichtet.“ Viele historisch belegbare Informationen hat Simon Füchtenschnieder bei einem zweimonatigen Auslandssemester in Australien sammeln können. Dort leben heute noch Nachfahren von Bligh. Eine Abschrift eines Reiseberichts aus dem Fundus von Kapitän Bligh konnte er dort studieren. &bdquo;Das war für mich wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Das Original-Logbuch ist unter Verschluss und nur mit einer Sondergenehmigung zu sehen“, freute er sich. Zudem hat er diverse Archive, Bibliotheken und Museen in Sydney und London nach Quellen durchforscht. Das war nicht annähernd so hart, wie Kapitän Bligh sich nach der Meuterei in einem kleinen Beiboot fast 6.000 Kilometer durch die Südsee navigierte. Aber dennoch für den Bielefelder eine besondere Herausforderung. Er kam drei Monate zu früh auf die Welt und ist seit Geburt an halbseitig gelähmt. Seinen linken Arm und die linke Hand kann er so gut wie gar nicht benutzen, auch das Gehen fällt ihm schwer. &bdquo;Ich mache fast alles mit meiner rechten Hand. Sie ist meine Leistungssportlerin“, erklärt er, warum er unter anderem sieben Jahre für seine Dissertation gebraucht habe. Füchtenschnieder bricht Referendariat wegen seiner Behinderung ab, Plan B ist die Promotion &bdquo;Ich komme aber gut zurecht“, betont er. Sein Vater wechselte damals vom Haus Widey in Salzkotten nach Bethel, wo Simon Füchtenschnieder dann aufwuchs und zur Schule ging. Schon früh galt seine Leidenschaft der englischen Sprache. &bdquo;Es ist für mich die schönste Sprache der Welt und die wichtigste. Zudem haben wir seit über 50 Jahren Freunde in Irland und besuchen sie oft“, so der Bounty-Experte. Er studierte Englisch und Geschichte auf Lehramt, brach dann aber im Referendariat ab. &bdquo;Ich war ein völlig glückloser und talentfreier Referendar und hatte auch Probleme, mich mit meiner Behinderung vor eine Klasse zu stellen“, stellte er für sich fest. Plan B war, zu promovieren. Er bekam ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung und konnte dann, wie er sagt, die &bdquo;Segel setzen“. Ein enger Freund seines Doktorvaters stellte den Kontakt zu dem Verlag her. Und das historische Sachbuch, basierend auf seiner Doktorarbeit, läuft gut. &bdquo;Aber aktuell bin ich arbeitslos und nur von den Tantiemen kann man nicht leben“, gibt Füchtenschnieder zu. Aber es gibt bereits ein Nachfolgeprojekt. Er habe Kapitel für ein Buch beigesteuert, das aufklärt, was in Filmen echt und was Fiktion ist. Damit kennt er sich bestens aus.

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