Grünen-Kandidat Frank Wolters: „Geförderter Wohnungsbau bleibt Kern“

Herr Wolters, der Wahlkampf geht in die Verlängerung. Was ist jetzt noch zu erwarten? FRANK WOLTERS: Ich komme aus dem Langstreckenlauf und eigentlich gibt es nach dem Ziel die Erholung. Aber jetzt wird direkt wieder angetreten. Angenommen Sie werden Bürgermeister: Wie wäre Ihr Stil, wenn Sie Chef der Stadtverwaltung mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden wären? Es ist für mich immer ganz wichtig, dass ich ein klares Rollenverständnis darüber habe, was meine Aufgaben sind. Und der Bürgermeister hat unterschiedliche Rollen und Aufgaben. Da ist der repräsentative Auftrag. Für mich ist es aber ganz wichtig, auch ins Innenverhältnis zu wirken, in die Verwaltung rein: Da müssen wir die Änderungen herbeiführen, damit sie draußen sichtbar und wirksam werden. Insgesamt habe ich eher einen kooperativen Stil. Ich möchte gerne Vertrauen in die Verwaltung bringen und dass man einen Weg gemeinsam durchhält. Kehren Sie im Schlussspurt vor allem die Unterschiede heraus und sagen, das biete ich als Wolters im Gegensatz zur CDU? Darum geht es. Zu sagen, was bringe ich mit, was haben die Bürgerinnen und Bürger davon und die verschiedenen Organisationen. Wir gucken auf unser Programm, auf unsere und meine Stärken – wie die Erfahrung an der Schnittstelle Verwaltung-Wirtschaft. Die Menschen wollen überzeugt werden, warum jemand der beste Kandidat ist oder warum eine beste Partei das beste Programm hat und was für sie dabei heraus springt. Wie würden Sie Diskussionen im Stadtrat leiten - auch in Bezug auf einen geänderten Ton besonders durch die AfD? Der Kommunikationsstil hat sich gerade auch im politischen Bereich verändert durch die zahlenmäßig stärkere AfD. Ich möchte mit den Parteien zu einer Verabredung über die Kommunikationskultur kommen. Dass wir uns auch ein Regelwerk auferlegen. Ob das mit der AfD zu machen ist, weiß ich nicht. Ich wäre die Verbindung aus Kommunikator und Moderator. Ich würde den Rat in der neuen Konstellation sicher enger führen müssen. Wir werden die Sitzungen auch intensiver vorbereiten müssen: Dazu gehören Einzel- und Fraktionsgespräche und zu verhandeln, damit wir mit den demokratischen Kräften zu guten Entscheidungen kommen. Was brennt Ihnen beim Thema Wohnen, so vielfältig es ist, unter den Nägeln? Durch den demografischen Wandel erhöht sich der Bedarf, weil die Zahl der Ein-Personen-Haushalte steigt. Ich würde noch in diesem Jahr anstreben, dass wir die wohnungsmarktpolitischen Akteure an einen Tisch holen. Ich habe die aufgekommene Kritik wahrgenommen zum Thema geförderten Wohnraum, von dem ich überzeugt bin. Ich habe einen Akzent gesetzt auf die städtische Wohnungsbaugesellschaft, aber immer auch gesagt, dass die anderen Modelle mit Genossenschaft und Baugruppen völlig unterrepräsentiert sind in Paderborn. Da sehe ich auch eine Zukunft darin, dass sich verschiedene Akteure oder Familien zusammentun, um ein Mehrfamilienhaus eigenwirtschaftlich zu entwickeln. Da müssen wir Angebote schaffen. Strate gegen Wolters in Paderborn: Erstmals Stichwahl um Bürgermeisteramt Was haben Sie da für Ideen? Man kann auch die Bauwirtschaft mit hinzunehmen, um zu gucken, wie viel Kapazitäten es gibt, wenn wir Wohnbauflächen ausweisen und entwickeln. Es gilt ja, die Wertschöpfung hier zu halten. Auch dazu gehören neue Wohnformen, Konzepte, wo junge und alte Menschen zusammenkommen. Die Wohnungswirtschaft macht so etwas schon, aber es wäre auch eigenwirtschaftlich möglich, Einfamilienhäuser zu Zwei- oder Dreifamilienhäusern umzubauen. Da müssen wir beratend rein. Die Erfahrungen haben wir, wir müssen nur alles zusammenbringen. Warum sollen wir nicht einen Masterplan Wohnungsbau erstellen als Aufgabenzettel für Politik, Verwaltung und Wirtschaftspartner wie IHK, Kreishandwerkerschaft, Spar- und Bauverein und sonstige, die aktiv sind und eine kluge Meinung einbringen können? Ab 30 geht’s in der Regel los mit Familie und typischem Einfamilienhaus. Wie sehen Sie den Bedarf? Es gibt die Empirica-Studie, nach der Paderborn bis zu 11.000 Wohnungen benötigt. Mehr als 4.000 Wohnungen entstehen im Rahmen der Konversion. Zugleich tritt Paderborn bei der Einwohnerzahl auf der Stelle, die Studierendenzahlen sinken und auf dem Alanbrooke-Areal stagniert die Zahl der Wohnungsverkäufe. Einfamilienhausbebauung wird es auch weiter geben, weil der Bedarf da ist. Aber es ist nicht Priorität 1. Das ist der geförderte Wohnungsbau. Und ich glaube schon, dass wir Bedarf für Wohnraum haben werden. Da ist eine Dynamik drin durch Zuwanderung aus welchen Ländern auch immer und aus der Region. Wir müssen Grundannahmen treffen, aber man sollte vielleicht analysieren, warum wir aktuell diesen Rückgang oder Stagnation haben. Und wie bewerten wir das Image einer Stadt? Ich bin der festen Überzeugung: Mit einem progressiven bekäme die Stadt ein anderes Image. Wichtig ist auch eine attraktive Innenstadt. Wo würden Sie ansetzen, um die Stadt so zu gestalten, dass man gerne hingeht und lange bleibt? Wir haben in der Fußgängerzone kein Grün. Die Menschen möchten aber mehr Durchgrünung, Sitzgelegenheiten, auch Spielgelegenheiten für Kinder, um die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Wenn ich solche Dinge mache, haben Immobilieneigentümer die Möglichkeit, auch andere Mietverhältnisse reinzubekommen und wir bemerken ja den Unterschied der Qualität, die vom Westerntor Richtung Rathaus zunimmt. Das ist eine Folge fehlender städtebaulicher Qualitäten mit entsprechender Mieterstruktur. Und wir haben einfach zu viel Kaufkraft an den Rand wandern lassen. Teile der Verwaltung sind am Hoppenhof, Finanzamt, Jobcenter und eine große Kanzlei sind abgewandert. Da sind viele Tausend Arbeitsplätze an den Rand gezogen, die in der City als Kunden und Kaufkraft fehlen. Deshalb ist es wichtig, den Parkplatz Florianstraße so zu entwickeln, dass wir dort möglichst viele Menschen rein bekommen, die auch einen positiven Effekt für die Innenstadt haben. Und was ist mit konsumfreien Orten? Auch solche Raumangebote gehören zu städtebaulichen Qualitäten. Sie werden von unterschiedlichen Nutzergruppen, die sich in der City aufhalten wollen. Dann sind wir auch bei Kulturangeboten, die wir stärker reinbringen müssen in den zentralen Innenstadtbereich, um den Übergang von den Geschäftszeiten in die Randzeiten gut zu gestalten, um die Aufenthaltsqualität oder die Frequenz zu erhöhen. Wir müssen auch die Universität über den Asta-Stadtcampus hinaus sichtbarer machen. Schwierige Verhältnisse: Wie die Mehrheitsbildung im Paderborner Rat laufen könnte .responsive23-maKOPIxYiF0WgXpG-bar-horizontal-buerg-oberbuergemeisterwahl-wahl { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-maKOPIxYiF0WgXpG-bar-horizontal-buerg-oberbuergemeisterwahl-wahl { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-maKOPIxYiF0WgXpG-bar-horizontal-buerg-oberbuergemeisterwahl-wahl { padding-top: 142.86%; } } Ohne die Eigentümer geht es nicht. Da bin ich wieder beim Stadtimage. Wenn Personen, wie jetzt im Wahlkampf, das Thema Sicherheit immer als Erstes spielen, ist es das schlechteste Stadtmarketing, das man sich auferlegen kann: dass wir so ein hohes Unsicherheitspotenzial haben. Ich finde das schrecklich, weil es auch nicht das Gesamtbild widerspiegelt. Und ich will das nicht kleinreden. In dem Umfeld ist das ganz schwierig. Aber jede kleine Unsicherheit wirkt sich immobilienwirtschaftlich auf mögliche Investoren aus. Wer soll sich da mit einem schönen Zara oder was auch immer niederlassen, wenn wir nur von Drogenkonflikten und Gewalt reden? Auch wenn mir klar ist, dass es diese Konflikte dort gibt. Also da muss man auch politisch überlegen, wie man damit umgeht. Auch Sie fordern die Präsenz von Ordnungskräften. Ich habe in den letzten drei Monaten mit allen gesprochen, die im Sozialbereich tätig sind, und bin auch einen Tag lang mit den Streetworkern von Kim unterwegs gewesen, um unter anderem an der Westernmauer mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Interessant war die Eigenwahrnehmung der Personen, die ist genauso so, wie sie von außen auch teilweise als abstoßend wahrgenommen werden, dass sie kein gutes Bild abgeben und sie auch nicht da sein möchten, wo sie sind, aber keine Alternative haben. Und ich habe gefragt, was für einen Raum sie brauchen: irgendwo etwas Wind- und Regengeschütztes, nichts Tolles, aber etwas, wo sie ein Umfeld haben, das in der Nähe zu den zentralen Bereichen ist. Ging es auch um den Drogenkonsum? Ja, wir haben auch Spritzen verteilt, was ich zuvor noch nie gemacht hatte. Daneben war der Dealer und ich dachte, das kann nicht wahr sein. Der packt seine Waage aus, das Pülverchen kommt drauf und dann wird Geld hin und her geschoben. Ich hätte am liebsten meine Tochter, die ist Polizistin, dabei gehabt, um den dingfest zu machen. Aber wir werden so etwas nicht aus der Gesellschaft herausbekommen. Deshalb spreche ich von einem Drei-Säulen-Modell. Für akute Intervention und Präsenz braucht man Polizei und Ordnungsamt. Säule zwei ist die soziale Betreuung, dass die Menschen eine gewisse Form der Sicherheit und Gesundheitshygiene bekommen und dass man versucht, sie aus dieser Situation herauszukommen. Der dritte Bereich sind städtebauliche Qualitäten. Wenn ich die Marienstraße aufwerte, habe ich eine viel größere Chance, mehr Publikumsverkehr dorthin zu bekommen, der nicht aus dieser Szene ist, eine bessere Durchmischung und weniger Brennpunkt. Ich unterstütze einen Drogenkonsumraum, auch weil die Leute vor Ort das sagen und gerne einen geschützten Raum hätten. Die Betroffenen wollen ihre Sucht ja gar nicht öffentlich machen, weil es ihnen selber unangenehm ist. Bürgermeister-Stichwahl in Paderborn: Bekommen Strate und Wolters Unterstützung? Wo könnte so ein Drogenkonsumraum, in der Diskussion wird von anderen auch der Begriff Drogenhilfezentrum genannt, entstehen? Wie wir das sehen, umfasst unsere Definition von Drogenkonsumraum die Angebote eines Hilfezentrums. Ich würde gucken, ob wir was Mobiles hinbekommen. Nicht, dass das sozusagen permanent unterwegs ist, das wird nicht funktionieren. Aber dass wir es für ein halbes Jahr oder so an einem Standort ausprobieren. Auch um den Anwohnern Sicherheit zu geben: Das muss nicht dauerhaft da bleiben, wenn es nicht funktioniert. Auch das Umfeld muss begleitet und aufgeräumt werden, nicht dass die Anwohner das machen müssen. Sonst gibt es keine Akzeptanz. Ein möglichst gutes Nebeneinander ist auch im Verkehr wichtig. Welche Vorstellung haben Sie von der Aufteilung des Verkehrsraums? Mein Grundansatz ist Gerechtigkeit. Wir wollen eine Prioritäten- und Sichtweisen-Verschiebung mit der Stärkung des ÖPNV und des Fahrrads. Wenn andere sagen, jeder soll sich aussuchen, womit er fährt, dann sage ich im Sinne von Gerechtigkeit im öffentlichen Raum: Nicht jeder kann es sich aussuchen und sich ein Auto leisten. Deshalb sollte es Straßen geben, wo der Radverkehr Priorität hat, gerade wenn es um Schulen, Bildungs- und Kultureinrichtungen geht und in einem größeren Wegenetz, sodass ich möglichst kurze, schnelle, sichere Radwegeverbindungen aus den Stadtteilen in die Innenstadt habe. Und jemand aus Bad Hastenichtgesehen, der mit dem ÖPNV nicht anreisen kann, der fährt mit dem Auto. Zu diesem Punkt wird von verschiedenen Seiten immer gesagt, dass es für den Handel nicht gut ist, wenn die Leute am Stadtrand parken müssen und dass der künftige Mobilitätshub am Bahnhof zu weit entfernt ist. Das ist eine gewachsene historisch-konservative Betrachtungsweise. Ich muss sagen: Am Bahnhof bin ich eigentlich schon ganz nah dran. Woanders haben wir ganz andere Dimensionen. Und da funktioniert etwa autonomes Fahren. Wir haben in Paderborn mit Benteler und dem Holon ein Unternehmen, das das auch kann. Das Thema Nemo ist auf Forschungsebene nochmal was ganz anderes: Und ich kann mir vorstellen, dass solche Fahrzeuge irgendwann in den nächsten drei Jahren, wenn der Mobilitätshub fertig ist, Richtung Westerntor und über den Ring hin- und hergondeln. Libori finde ich diesbezüglich faszinierend, weil es uns den ganzen Blumenstrauß von Mobilität ermöglicht und dieser von allen akzeptiert wird. Offensichtlich muss nur der Anlass passen, dann sind die Leute bereit, mit dem Rad zu fahren und am Heinz-Nixdorf-Ring zu parken und mit dem Bus zu pendeln. 📲 News direkt aufs Smartphone? Hier gehts zum kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Paderborn Was sagen Sie zur Kritik am Technischen Dezernat von Claudia Warnecke? Frau Warnecke sorgt für Stringenz in der Arbeitsweise. Und sie lässt sich letztendlich nicht von außen lenken. Dass dies dem einen oder anderen bitter aufstößt: Ja, das ist dann so. Und dass ihr Dezernat auch für Genehmigungsfragen zuständig ist und es für Investoren nicht immer zum gewünschten Ergebnis kommt: Auch das kann so sein. Es wird immer in Richtung Technisches Rathaus gelenkt. Aber Entschuldigung, da gibt es einen Bürgermeister, der ist Chef der Verwaltung und für die Organisation auch der Beigeordneten verantwortlich. Und dann bin ich beim nächsten Thema: Über 70 Jahre hat keine Politik ein Beschlusscontrolling zwischen Politik und Umsetzung in der Verwaltung auf den Weg gebracht. Dafür muss ich nur einen Pflichttagesordnungspunkt in der Geschäftsführung verankern, sodass die Verwaltung mindestens einmal im Jahr berichtet: umgesetzt, nicht umgesetzt, warum nicht umgesetzt. Dabei geht es immer auch ums Geld. Wie schauen Sie trotz bisher vermiedener Haushaltssicherung auf das Thema Finanzen? Wir haben eine ganz starke Steigerung im Personalkostenbereich. Einerseits durch Tarife, aber es gibt auch eine Zunahme um 80 Prozent der Beschäftigten über 12, 13 Jahre. Unternehmen digitalisieren, weil sie sparen möchten – und das müssen wir auch. Darüber und über die Personalfluktuation aufgrund des demografischen Wandels müssen wir Kosten reduzieren. Ich kann mir auch vorstellen, die Einnahmenseite noch weiter zu entwickeln. Für mich stehen da die Stadtwerke ganz vorne. Da sollten wir konsequenter auf Eigenstromproduktion, eigene Energieversorgung und Energiemanagement setzen, was wir Industrie und Privatkunden in Paderborn anbieten können. Liveticker: Alle Informationen zur Kommunal- und Stichwahl in Paderborn Und wie steht es um den Wirtschaftsstandort Paderborn? Wir müssen bei der Wirtschaftskraft noch stärker werden mit einer besseren Verzahnung von Wohnen, Handwerk und Industrie, sodass die Wertschöpfung vor Ort bleibt. Das hat in der Vergangenheit meines Erachtens nicht so gut funktioniert. Auch im Bereich der Gewerbegrundstücke müssen wir strategisch intelligenter sein und gucken, was der Stadt hilft und wem wir Grundstücke verkaufen. Ist es ein Unternehmen, bei dem sich die Gewerbesteuer und auf der Beschäftigtenseite das Einkommen stark entwickeln kann? Beim Gewerbesteueraufkommen sind wir in Paderborn weit hinten, weil es sich nicht gut weiterentwickelt hat. Wir haben eine Liegenschaftspolitik betrieben, die für die Stadt keine guten Effekte hatte. CDU-Kandidat: Hier geht’s zum großen Interview mit Stefan-Oliver Strate

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