CDU-Kandidat Stefan-Oliver Strate: „Alanbrooke-Quartier droht Problemviertel zu werden“

Herr Strate, für Sie war das politische Terrain neu und jetzt kommt es gleich zu einer Stichwahl. STEFAN-OLIVER STRATE: Für einen politischen Quereinsteiger bedeutet jeder Tag Neues und Herausforderndes. Dazu zählt nun mal auch eine Stichwahl. Es ist aber gar nicht mein Ziel, mich innerhalb kürzester Zeit auf dem politischen Terrain 100-prozentig richtig zu bewegen. Aber wenn es um Ziele und Projekte geht und wie ich eine Maßnahme hinsichtlich Erfolg bewerte, werde ich weiter mit einem wirtschaftlichen Denken rangehen. Ich glaube, die Evaluierung von Projekten wird zukünftig ganz wichtig auch für die Glaubhaftigkeit. Bei Ihnen läuft noch das Projekt Bürgermeister. Wie werden die Tage bis zur Stichwahl laufen? Welche Schwerpunkte setzen Sie? Wir werden verschiedene Dialogformen weiter fortführen, also das, was wir im Bereich der Garagenwahlkämpfe gemacht haben. Es ist auch wichtig, nochmal zu mobilisieren – auch im Straßenwahlkampf. Dabei bleiben wir bei unseren Zielsetzungen: Die Betonung der wirtschaftlichen Stärke als Notwendigkeit, um ein System Stadt auch finanzieren zu können. Das Thema Arbeit: Wie kann ich dauerhaft Arbeitsplätze am Ort bereitstellen und wie kann ich deren Besetzung sicherstellen? Damit bin ich beim Thema Bildung, Ausbildung, Studium etc. Für mich ist auch wichtig, zu sagen: Wir haben eine Haushaltssituation, die nicht katastrophal ist, aber so, dass wir sie berücksichtigen müssen, um die Stadt weiter handlungsfähig zu halten. Sehen Sie Potenzial auf der Einnahmen- oder Ausgabenseite? Ich würde eher die Ausgabensituation kritisch beleuchten: Und ich möchte da gleich die Angst nehmen, zu sagen: Jetzt kommt einer aus der Wirtschaft, der geht mit dem Rotstift durch und streicht, streicht, streicht. Der fängt am besten schon mal bei so weichen Faktoren an wie Kultur. Das ist Blödsinn. Mir geht es um Zukunftsfähigkeit. Die Menschen werden nur dort leben wollen, wo sie gute Standortfaktoren haben. Ich gucke zuerst in meinem eigenen System, was ich beeinflussen kann, und das wäre die Verwaltung. Geht es ein bisschen konkreter? Wenn Sie sich die Ausgabenposition des Haushalts angucken, sehen Sie ganz hohe Positionen bei einzelnen Projekten. Sie haben Pflichtaufgaben, da können Sie relativ wenig machen und wir müssen uns sogar eher darauf einstellen, dass diese Summen noch wachsen. Ich muss also mit einem Szenario rechnen, dass ich noch mehr Ausgaben tätigen muss in Bereichen, die ich nicht beeinflussen kann. Strate gegen Wolters in Paderborn: Erstmals Stichwahl um Bürgermeisteramt Zum Beispiel im Bereich Soziales und Jugendhilfe. Und dann ist da der Riesenposten Personalkosten von aktuell mehr als 180 Millionen Euro. Ja. Aber 30 Prozent der Mitarbeitenden werden uns in den nächsten 15 Jahren verlassen. Da muss ich jede Stelle bewerten und fragen, ob ich sie automatisch nachbesetze. Da bin ich vielleicht eher bei der Verwaltung der Verwaltung: ein ideales Feld, wo ich mir überlegen muss, ob Prozesse optimierbar sind. Vielleicht muss man auch Kapazitäten umschichten und an Strukturen rangehen. Auch die Nachbesetzung von Leitungsstellen ist ein Thema. Michael Dreier ist ein sehr jovialer Typ. Wie würden Sie sich als Chef von mehr als 3.000 Mitarbeitenden sehen? Ich bin in meiner Art durchaus schon lockerer, aber sicherlich relativ zielfokussiert. In meiner Funktion jetzt muss ich mit verschiedenen Führungsebenen und Produktionsmitarbeitern umgehen. Dabei brauche ich auch auf unteren Ebenen Entscheidungsautonomie. Ich befähige meine Mannschaft, Entscheidungen zu treffen. Das stellt nicht die Autorität der oberen Ebene infrage. Das IMOK wurde lange diskutiert und vorbereitet, wird aber immer noch stark kritisiert. Wie sehen Sie die Zukunft des Nebeneinanders der verschiedenen Verkehrsformen? Ich glaube, im IMOK wurde ein Zustand beschrieben, der so oder so schnell heute vielleicht gar nicht umsetzbar ist, weil dieser Wandel auch teilweise von der Bevölkerung gar nicht so schnell gewollt wird. Wenn wir etwa bei der E-Mobilität und dem Verbrenner-Aus über die Präferenzen der Menschen hinweg etwas entscheiden, erzeugt das eher Widerstand, keine Akzeptanz. Oder ich reagiere nur auf hohe Subventionen. Das sind die falschen Anreize. Wir müssen darauf Rücksicht nehmen, dass wir eine Stadt mit viel Zustrom aus dem Umland sind. Und der individuelle Personenverkehr muss hier auch parken können. Ich glaube, diesen Zwiespalt müssen wir aushalten. Schwierige Verhältnisse: Wie die Mehrheitsbildung im Paderborner Rat laufen könnte .responsive23-maKOPIxYiF0WgXpG-bar-horizontal-buerg-oberbuergemeisterwahl-wahl { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-maKOPIxYiF0WgXpG-bar-horizontal-buerg-oberbuergemeisterwahl-wahl { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-maKOPIxYiF0WgXpG-bar-horizontal-buerg-oberbuergemeisterwahl-wahl { padding-top: 142.86%; } } Wie wäre es mit einem besseren ÖPNV? Mich verwundert ehrlich gesagt die Alternativlösung, dass eine höhere Taktung für mehr Akzeptanz sorgt. Schon jetzt ist der ÖPNV defizitär. Weil wir mit den großen Bussen zu Stoßzeiten eine volle Auslastung hinkriegen, dazwischen und zu den Randzeiten fahren die aber quasi leer herum. Wenn ich die Taktung noch weiter erhöhe, wird die Situation nicht besser, sie wird schlimmer. Und wenn ich die Fahrpreise senke oder den ÖPNV kostenfrei anbiete, erzeuge ich ein noch größeres Minus, das ich wieder ausgleichen muss. Deswegen finde ich es so faszinierend, wenn Sie mit Thomas Tröster von der Uni Paderborn über die Neue Mobilität oder mit der Firma Benteler über Holon reden. Sie meinen die reine Bedürfnisorientierung? Ja und vor allem die Kleinteiligkeit eines individualisierten ÖPNV, der selbst fahrend und elektrifiziert ist. Das ist vielleicht ein bisschen Zukunft, aber der Holon wird jetzt in Hamburg ausprobiert. Die kleinen Mini-Cabs fahren demnächst in der Barker-Kaserne umher und waren teilweise schon am Flughafen im Einsatz. Wir müssen den Mut haben und das Konzept umdrehen: Das Fahrzeug kommt zu dir, wenn du es brauchst. Es fährt dich, wohin du willst. Das kriegen wir aber nicht hin, wenn wir uns nur einen Holon oder Mini-Cab kaufen. Das wäre eine Rieseninvestition. In Paderborn fahren aber auch viele Menschen gerne mit dem Rad. Wir müssen uns davon lösen, dass wir sagen: Bist du für das eine, bist du gegen das andere. Wir müssen den Mut haben, zu sagen: Ich denke das eine und das andere. Ich sehe zum Beispiel ein Riesenpotenzial darin, vielleicht weniger Fahrradstraßen zu bauen, dafür aber richtig gute. Es macht doch nicht die Masse, sondern die Qualität aus – und intelligente Verkehrsachsen für Fahrräder gerade aus den umliegenden Gemeinden. Ich glaube, wir müssen mal alle wieder einen Gang runterschalten und mehr miteinander sein. Die Leute kommen nur nach Paderborn, wenn die City attraktiv ist. Da ist viel Luft nach oben, oder? Der stationäre Handel, so wie er früher war, wird nie wieder zurückkommen. Wir müssen aber die Aufenthaltsqualität und Verweildauer erhöhen. Das kriege ich nicht hin, indem ich sage: Geschäfte, Geschäfte, Geschäfte. Man muss sich hinterfragen, was ein Geschäft den Kunden geben kann? Und das ist ein Einkaufserlebnis. Das wird aber nicht ausreichen, sondern man muss den Mehrwert steigern. Was gibt es noch an Dingen, die ich in der City erledigen kann und Mehrwert stiftend sind? Meine Idee ist es, einen Servicecenter-Bereich im neuen Stadthaus zu haben, der während der Ladenzeiten geöffnet hat. Wir müssen Shopping und Gastronomie mehr durchmischen - auch mit neuen Konzepten. Muss ich einen Geschäftsleerstand wieder mit einem Laden besetzen? Vielleicht vermietet jemand auch mal ein halbes Jahr an einen Pop-up-Store? Mir ist Leben tausendmal lieber als Leerstand. Da sehe ich auch unser Citymanagement in einer starken Funktion, Impulse zu setzen und ein aktives Leerstandsmanagement zu betreiben. Was ist mit konsumfreien, sogenannten dritten Orten? Und auch öffentliche Toiletten sind ein Riesenthema. Richtig. Aber wir brauchen auch die Kundschaft, die dann hoffentlich die Toiletten frequentiert. Als kostenloses Angebot stelle ich mir aber nicht unbedingt Spielgeräte vor. Ich komme da aber auch zum Thema Sicherheit als Teil der Aufenthaltsqualität. Fühlen sich die Leute in einer gewissen Gegend ab einer gewissen Uhrzeit nicht sicher, werden sie dort nicht hingehen – auch wenn ich Angebote bereitstelle. Mich hat mal ein DJ-Paar auf einer Veranstaltung gefragt, ob es nicht mal irgendwo auflegen kann. Ich sage: Meine Idee wäre, dass man einfach am Samstagnachmittag meinetwegen an der Stadtbibliothek zwei Stunden Lounge-Musik macht. Einfach mal ausprobieren. Aber es darf nicht zu spät werden. Ich bin ein Fan von Open-Air-Veranstaltungen. Wir müssen berechtigterweise Rücksicht auf die Anwohner nehmen. Jetzt kann man die Location wechseln, wohin die Leute vielleicht gar nicht kommen. Oder ich gehe ein gewisses Risiko ein, dass sich ein Anwohner beschwert. Diesen einen Anwohner haben wir überall. Selbst zu Libori gibt es nicht die komplette Akzeptanz. Beispiel Stadtbibliothek. Genau das meinte ich. Jetzt müssen wir mal gucken, kann man mit dem einen Anwohner noch mal vernünftig reden? Was wäre das Risiko, das die Stadt als Veranstalter zu tragen hätte? Bin ich bereit, dieses auszuhalten, oder kann ich dem anderen was anbieten. Und Libori: Die Schausteller hätten gerne eine Extrastunde am Wochenende. Das große Risiko wäre, dass wir eine Zusatzstunde verlieren. Das muss man nochmal knallhart juristisch bewerten. Thema Innenstadt und Sicherheit. Sie möchten für eine weitere Schicht sechs zusätzliche Mitarbeiter für die Boss-Wache. Das sind mehrere Hunderttausend Euro. Wie wollen Sie das finanzieren? Entweder wir nehmen es als Zusatzkosten oder ich muss bereit sein, das Geld woanders einzusparen. Da sind wir wieder beim Verzicht der Wiederbesetzung von Vakanzen bei Stellen, die ich nicht brauche, oder wo es Möglichkeiten einer Effizienzsteigerung gibt. Bürgermeister-Stichwahl in Paderborn: Bekommen Strate und Wolters Unterstützung? Kontrovers diskutiert wird ein möglicher Drogenkonsumraum. Ich glaube, ein reiner Drogenkonsumraum hilft uns nicht. Für mich wäre ein Drogenhilfezentrum die Mindestanforderung, dann auch mit medizinischen Kräften. Zum CDU-Weltbild gehört nicht, Leuten einen ungestörten Konsum zu ermöglichen, sondern sie aus der Sucht herauszuführen. Das ist aber eine ganz andere Ausstattung und Ausrichtung. Ich muss auch die Bereitschaft finden, eine solche Einrichtung in einer Umgebung zu akzeptieren. Und das, was wir aktuell erleben, fördert das nicht positiv. Zum Beispiel? Ich habe mir die Andreasstraße mehrfach angeguckt und mit Anwohnern gesprochen, die sagen: &bdquo;Das sind Zustände, die können und wollen wir nicht mehr akzeptieren. Soll es dazu führen, dass wir wegziehen, weil einige Menschen sich dort nicht dran halten?“ Solche Einrichtungen sind notwendig und sie finden sicherlich auch einen hohen Prozentsatz von Menschen, die dort hingehen, weil sie Hilfe brauchen und bekommen und dann nach Hause gehen. Wir haben aber auch Menschen, die sich bewusst nicht dran halten. Und wo könnte so ein Ort sein? Keiner der Menschen ist etwa gegen die KIM-Einrichtung am Busdorfwall. Sie sagen nur, dass das, was daraus geworden ist, die Akzeptanz in den Minusbereich gehen lässt. Und da müssen wir uns klar werden, wie das passiert sein kann. Ich will zuerst ein tragfähiges Konzept, damit negative Begleiterscheinungen nicht wieder auftreten. Erst dann kann ich glaubhaft mit den Anwohnern diskutieren. 📲 News direkt aufs Smartphone? Hier gehts zum kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Paderborn Sie haben Sympathien für das Ein- oder Zweifamilienhaus und Angst vor einer massiven Anhäufung geförderten Wohnungsbaus auf öffentlichen Arealen. Wie sehen Sie den Wohnungsbedarf? Laut Empirica-Studie besteht der Bedarf von bis zu 11.000 Wohnungen. Auf den Konversionsflächen bekommen wir gut 4.000 Wohneinheiten. Und in letzter Zeit verharrt die Einwohnerzahl, die Studierendenzahlen sind gesunken und die Wohnungsabsätze auf dem Alanbrooke-Areal stagnieren. Ich glaube, wir brauchen zuallererst eine Wohnraumbedarfsplanung. Wir werden – Stichwort demografischer Wandel – eine gehörige Verschiebung in unserer Bevölkerung haben und müssen vor allem Wohnformen schaffen für ältere Menschen, vielleicht sogar Senioren-WGs. Aber in der Umgebung der Menschen, wo sie bisher gewohnt haben, dann sind sie eher bereit, dort einzuziehen. Und die frei gewordenen Häuser dürfen dann nicht von Investoren von außen in Geschossbau umgewandelt werden. Wichtig wäre, dass Leute kommen, Familien oder andere, die das wie bisher nutzen, aber in den Bestand investieren und sanieren. Beim Alanbrooke-Areal müssen wir aufpassen, dass aus der massiven Konzentration einer Wohnform kein Riesenfolgeproblem entsteht. Wenn Sie mit den Menschen im Riemekeviertel sprechen, sagen alle: &bdquo;Katastrophal, wie konnte man so etwas planen als Stadt.“ Die Mischung aus geförderten Wohnungen und Eigentum war aber gewollt. Jetzt haben wir die Abstrahlung, die etwa verhindert, dass private Investoren dort bauen wollen und erstmal gucken, was entsteht. Das kann ein nächstes Problemviertel werden. Man muss jetzt sehr gut aufpassen, wie ich die dortige Belegung zusammensetze. Liveticker: Alle Informationen zur Kommunal- und Stichwahl in Paderborn Von einem neuen Stadtquartier zum sich neu formierten Stadtrat mit zehn AfD-Mitgliedern. Wie würden Sie als Bürgermeister versuchen, dass der Ton nicht noch rauer wird? Es geht um den Stadtrat und keine Stammtischrunde, da sehe ich gewisse Voraussetzungen, um an der Sitzung teilzunehmen, und wie ich mich aufführe. Da würde ich auch von meinem Hausrecht machen, würde aber vorher die Spielregeln aufstellen: Bis dahin bin ich bereit, zu akzeptieren – erste Eskalationsstufe, zweite Eskalationsstufe. Bei drei gibt’s dann die rote Karte und es heißt: raus und kein Sitzungsgeld. Wie würden Sie sich als Leiter des Stadtrats beschreiben? Als ganz strenger Moderator. So habe ich bislang auch meine Sitzungen geführt. Welche Mehrheitsverhältnisse im Rat würden Sie sich wünschen? Eine stabile bürgerliche Mitte. Wie kann die aussehen? Bis vor 15 Monaten hatten wir Schwarz-Grün, ehe die Koalition von der CDU beendet wurde. Mit der SPD wird es nicht reichen. Da muss man noch mindestens eine andere Fraktion dazunehmen. Die Linke wäre es nicht. Bleiben FDP oder Für Paderborn. Mit Ihrem potenziellen Bürgermeistervotum kämen Sie so auf die Mehrheit von 33 Stimmen. Wenn das so ist, dann ist das so. Man kann sich auch vorstellen, dass die CDU bei der aktuellen Linie bleibt und sich die Mehrheiten für die einzelnen Themen besorgt. Das ist deutlich anstrengender, aber durchaus denkbar. Eine Zusammenarbeit ihrer Partei mit der AfD können sie komplett ausschließen. Ja. Definitiv. Grünen-Kandidat: Hier geht’s zum großen Interview mit Frank Wolters

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