Der Herr über drei Millionen Bücher an der Universität Paderborn

Paderborn. In Dietmar Haubfleischs Büro findet man keine Bücher. Keine vollen Regale mit uralten Wälzern, keine repräsentativen Buchbände schön einander gereiht. Das scheint ungewöhnlich. Denn Bücher haben eine bedeutende Rolle in Haubfleischs Leben. In seinem Beruf hat er aber weniger mit dem Inhalt von Büchern zu tun als mit ihrer Beschaffung und Ordnung. Denn der 65-Jährige war 23 Jahre lang der leitende Bibliotheksdirektor an der Paderborner Universität. Er hatte die Verantwortung für rund drei Millionen Bücher und rund 60 Personalstellen. Jetzt geht es für ihn in den Ruhestand. Dann wolle er sich dem widmen, was ihn über das Buch hinaus begeistere: der Fotografie. In seinem Büro hängen zwei auf Glas bedruckte Fotografien, die er selbst im Urlaub geschossen hat. Zu sehen sind Landschaften Islands: eine grauschwarze Vulkanwüste und eine steinige Küstenlandschaft mit einem Hafendock auf einer Anhöhe. Wie Bibliotheken früher waren &bdquo;Meine Frau und ich reisen gerne“, sagt Haubfleisch. Vor allem skandinavische Länder hätten es ihm angetan. Er selbst komme gebürtig eher aus dem Süden. Zumindest von Paderborn aus gesehen. &bdquo;Ich bin in Marburg groß geworden“, sagt er. Dort sei er zur Schule gegangen, dort habe er studiert und den Einstieg ins Bibliothekswesen gefunden: &bdquo;Hier habe ich Bibliotheken schätzen gelernt.“ Lesen Sie auch: Trumps Streit mit Harvard und Co.: Uni Paderborn bleibt offen für US-Forscher Dabei seien sie zu Zeiten seines Studiums noch ganz anders gewesen. Universitätsbibliotheken seien eigentlich vor allem eines: ein Bücherlager, wie es Haubfleisch ausdrückt. Sie seien kein Ort zum Verweilen, zur Einzel- und Gruppenarbeit, wie es heute oft der Fall sei. &bdquo;Früher musste man einen Zettelkasten verstehen, um sich zurechtzufinden“, erinnert sich der Bibliothekar. Es gab Magazinkataloge, Bücher mussten teilweise per Fernleihe bestellt werden, die Leihfrist und die Öffnungszeiten der Bibliotheken waren deutlich kürzer als heutzutage. Hinzu kamen Räume, die dunkel und in Brauntönen gehalten wurden. Einladend ist anders. Trotzdem fühlte sich Haubfleisch eben hier wohl. &bdquo;In Bibliotheken verbirgt sich das, was man sucht und nicht sucht“, sagt der ehemalige Direktor. Hier stecke Wissen und Vielfalt. Wenn er von seiner Arbeit spricht, wird seine Stimme leiser. Als wäre man bereits im Lesesaal. Was heute in der Paderborner Universitätsbibliothek anders ist Bei einem Rundgang zeigt Haubfleisch, was sich seit den dunklen 1970er-Jahren verändert habe. An seinem Lieblingsort – dem Fachbereich für Kunstwissenschaft – erklärt er, was er meint. &bdquo;Das Gebäude wurde damals von den Chemikern als Labor verwendet“, sagt Haubfleisch. Jetzt stehen hier Regale mit Bänden über Picasso und Monet. Und entlang einer langen Fensterfassade sind Arbeitsplätze, die voll besetzt sind. Als Haubfleisch 2002 seine Arbeit als Bibliotheksdirektor begann, hatte er sich seine Bibliothek so vorgestellt: hell, einladend und mit großen Tischen, an denen Studierende gut arbeiten können. Zudem Automaten für die Ausleihe und Rückgabe der Bücher, von denen es viele digital gebe. &bdquo;Ich finde, Bibliotheken sind die Vorreiter der Digitalisierung. Wir geben fünf Sechstel unseres Budgets für digitale Medien aus“, sagt Haubfleisch. Über 80 Prozent. In den 1990er-Jahren habe es noch allerlei technologische Experimente gegeben. Disketten und Mikrofilme waren kurzzeitig der Renner, bevor das Internet die Bibliothek maßgeblich veränderte. Das sehe man auch an der Arbeitsweise der Studierenden. Stirbt das Buch aus? &bdquo;Heutzutage wird vor allem eines gebraucht: Strom“, sagt Haubfleisch mit Blick auf viele Steckdosen, die an jedem Tisch angebracht sind. 600 Arbeitsplätze gibt es innerhalb der Universitätsbibliothek. Haubfleisch sei es ein Anliegen gewesen, nicht nur mehr Plätze zu schaffen, sondern diese auch zu vergrößern. Zur Universität: Uni Paderborn beziffert Schaden nach dem Juni-Unwetter Man sieht ihm die Begeisterung an, wie er sich über alle Änderungen freut. Wie Tischlampen, über die er per Handgeste streicht, um sie ein- und auszuschalten. Damit könne man auch spät am Abend noch arbeiten. Aus dem Fenster sehe man keine Wand, sondern den Campus. &bdquo;Am Abend ist alles schön erleuchtet“, sagt Haubfleisch. Trotz der vielen Veränderungen glaube er eines: &bdquo;Das Buch wird weiterhin Bestand haben.“ Die Frage, die er sich eher stelle, sei, wie Studierende zukünftig lernen werden. Das habe sich bereits verändert. Bei einer Sache sei sich Haubfleisch aber sicher: &bdquo;Ich würde meinen Beruf wieder wählen.“

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