Missbrauch in der Kirche: Paderborner Autor schildert unglaubliche Geschichte

Paderborn. Eine &bdquo;wahre kraftvolle Biografie“ nennt Guido Apel sein Buch. Vor allem aber ist es ein unglaubliches Leben, das der Autor aus Schloß Neuhaus schildert, der viele Jahre als Sozialarbeiter tätig war. Denn was seine Hauptfigur Christoph erlebt hat, lässt einen schaudern. Zugleich liefert es eine individuelle Sicht auf die Missbrauchsthematik in der Kirche. Der 70-jährige Apel und der heute 68-jährige Christoph – seine Geschichte ist real, doch in Wirklichkeit heißt er anders und auch die Ortsnamen wie Schicksalshausen sind fiktiv – haben sich schon vor langer Zeit bei einer Jugendfreizeit kennengelernt und immer wieder getroffen. Im Laufe der Zeit vertraute er Apel seine intimsten und persönlichsten Erfahrungen an. Christophs Geschichte diente Apel 1992 schon als Grundlage für seine Diplomarbeit &bdquo;Sexueller Missbrauch bei Jungen. Ansätze sozialarbeiterischer Intervention“. Christophs Leben beginnt in einem westdeutschen Flüchtlingslager: Hier schläft seine aus der &bdquo;Ostzone“ geflüchtete Mutter für Geld mit zwei Männern und wird schwanger: Christoph. Als Kleinkind will ihn seine Mutter nach Amerika verkaufen – doch der Plan scheitert. Als ihr das Sorgerecht entzogen wird, landet er mit knapp zwei Jahren als einziger evangelischer Junge in einem katholischen Kinder- und Versehrtenheim. Das Leben dort ist eine Qual: mit vielen Züchtigungen, zwischen körperlicher und christlicher Liebe. Dennoch konvertiert er zum katholischen Glauben. Sein erstes sexuelles Erlebnis hat die Hauptfigur mit einer Nonne Im Alter von 13 Jahren gibt es ein einschneidendes Erlebnis: Er wird von einer jungen Nonne sexuell missbraucht. Doch er nimmt dies zu dieser Zeit nicht als sexuelle Gewalt wahr, die es faktisch ist, sondern als ein angenehmes sexuelles Erlebnis. In seinem theoretischen Kurs im zweiten Teil des Buchs erläutert Apel, warum es bei Kindern keinen sexuellen Missbrauch gebe, sondern sexuelle Gewalt. Dadurch &bdquo;wird auch deutlich, dass es sich bei ,sexuellen Handlungen an Kindern immer um Gewalt handelt, selbst wenn dabei keine körperliche Gewalt angewendet wird“. Sexuelle Gewalt an Kindern sei immer gegeben, &bdquo;wenn Kinder von einem Erwachsenen als Objekt zur Befriedigung der eigenen sexuellen Bedürfnisse benutzt werden“. Damit nicht gemeint ist &bdquo;die liebevolle und zärtliche Begegnung zu einem Kind“. Missbrauchsbetroffener: &bdquo;Wir fordern aktivere Aufarbeitung vom Erzbistum Paderborn“ Der Hauptperson wird klar, dass es sexuelle Gewalt war Zurück zur Geschichte: In die Kinderheimzeit fällt auch eine Beichte beim Dorfpfarrer. Dieser möchte immer mehr Sünden hören – und fragt nach Christophs Gelüsten. Als er von den Erlebnissen mit der Ordensschwester erzählt, endet das bis dahin freundschaftliche Verhältnis von Christoph und dem Pfarrer abrupt. Zugleich wird ihm erst jetzt klar, dass die Nonne ihm sexuelle Gewalt zugefügt hat. Kurz darauf wird die Nonne versetzt, Christoph wird im Altenheimteil der Einrichtung isoliert. Offenbar gibt es die Befürchtung, dass er sich an Kindern vergehen könnte. &bdquo;Christoph wird vom Opfer zum Täter gemacht“, sagt Apel. Mit 15, 16 Jahren kommt er dann in ein Kloster für Priesteranwärter und erlebt erneut sexuelle Gewalt. An seinem 16. Geburtstag macht ihn ein Priesteranwärter betrunken. Als Christoph erwacht, spielt der andere an seinem Penis herum. Als er später ein Praktikum in einer Obdachloseneinrichtung macht, wird er von einem Priester betreut – und es gibt ein ähnliches Erlebnis, das Apel wie alle Fälle detailliert schildert. Paderborner Erzbischof: Aufarbeitung von Missbrauch höchste Priorität Das Werk des Paderborner Autors wird gleich zweimal veröffentlicht Zehn Verlage hatte Apel angeschrieben. Es dauerte etwas, dann meldete sich zunächst der Romeon-Verlag und veröffentlichte es unter dem Titel &bdquo;Geschlagen, geliebt, geächtet“ als Sachbuch. Kurz darauf wurde das Buch bei DeBehr dann mit dem Titel &bdquo;Hiebe statt Liebe! Liebe statt Hiebe? Tatsachenroman über einen Jungen zwischen Missbrauch, Glauben und Gewalt“ und mit einer anders benannten Hauptfigur herausgebracht. Kürzlich ist auch die englische Übersetzung erschienen. Apels soziologische Einordnung im zweiten Teil von &bdquo;Hiebe statt Liebe! Liebe statt Hiebe?“ ist allgemein verständlich und immer bezogen auf den Fall Christoph. Dies mache das Buch aus seiner Sicht &bdquo;einzigartig“: die Schilderung der sexuellen Erlebnisse eines Opfers und die theoretische Anbindung. Es sei wichtig, dass man seine Erlebnisse jemandem anvertraut, sagt Apel, der zunächst als Erzieher viele Jahre mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet hat und später für den Integrationsfachdienst tätig war. Obwohl er Schlimmes erlebt habe, sehe sich Christoph aber &bdquo;nicht als gebrochener Mensch“, er verfüge über &bdquo;eine starke Resilienz“ und &bdquo;Widerstandsfähigkeit“. So habe er die Erlebnisse als Kind und Jugendlicher &bdquo;ohne dauerhafte, belastende und psychische Beeinträchtigung überstanden“. Missbrauch: Erzbistum Paderborn will keine Täternamen nennen Verfasser aus Paderborn ermutigt Betroffene, sich jemandem anzuvertrauen Im Nachwort schreibt Apel, dass Christoph irritiert darüber sei, dass sich heute Männer zu Wort meldeten &bdquo;und sich empören, dass sie in ihrer Kindheit vor 40, 50 oder gar 60 Jahren von irgendjemandem, in der Regel von Kirchenvertretern, sexuelle Gewalt erfahren mussten“. Warum erst jetzt, fragt er. Christoph stellt auch finanzielle Entschädigungen in den Raum, die er selbst nicht verfolge. Er sei nur glücklich, dass das Buch geschrieben sei. Ganz am Schluss wünscht Apel den Betroffenen Mut, sich helfen zu lassen und sich einer kompetenten Person anzuvertrauen. &bdquo;Das hilft euch mehr als dem Christoph, der sich nie jemandem anvertraut hat.“ Wie ein Memory-Spiel: So sieht das Mahnmal zu sexuellem Missbrauch im Paderborner Dom aus

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