Seltene Krankheit: Paderborner Myasthenie-Selbsthilfegruppe hilft Betroffenen

Paderborn. Heide Mohr feierte das Liborifest, als sie ihr hängendes Augenlid bemerkte. Sie dachte, eine Allergie könnte der Auslöser sein. Besuche beim Augenarzt und Neurologen lösten das Rätsel zunächst nicht. Beim Abhören wurde dann festgestellt, dass Heide Mohrs Lunge nicht richtig funktionierte. Diagnose: Ein Thymom, also ein Tumor der Thymusdrüse. Für das Auge gab es immer noch keine Lösung. Kurz vor der OP dann die nächste Diagnose: Heide Mohr leidet unter der seltenen Krankheit Myasthenie. Diese Diagnose mit Umwegen ist typisch für Myasthenie. Es dauert im Schnitt zwei Jahre, bis Betroffene als Myastheniker diagnostiziert werden. Mittlerweile ist Heide Mohr Patientin im Myastheniezentrum in Essen. Wenige wissen von der Krankheit, gleichzeitig gibt es für Betroffene viel zu lernen. Aus diesem Grund engagiert sich Heide Mohr in der Paderborner Myasthenie-Selbsthilfegruppe. Was ist Myasthenie? Die Deutsche Myasthenie Gesellschaft (DMG) schätzt die Häufigkeit auf 100 bis 200 pro einer Million Einwohner.Bei dieser Autoimmunerkrankung ist die Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel gestört. Das äußert sich in einer Ermüdbarkeit der Muskulatur. Nach Ruhephasen erholt sich der Muskel wieder. Es kommt zur Bildung von Abwehrstoffen gegen die körpereigenen Rezeptoren. Diese Autoantikörper blockieren oder zerstören die Kontaktstellen auf den Muskelfasern und stören den Nervenimpuls zum Muskel. Dadurch erhält der Muskel weniger Signale. Die Entstehung dieser Krankheit ist laut DMG bis heute unklar. Myasthenie beginnt bei vielen Patienten an den Augen Bei mehr als der Hälfte der Patientinnen und Patienten beginnt die Myasthenie an den Augen - wie auch bei der Paderbornerin Heide Mohr. Typische Symptome sind Sehstörungen wie Doppelbilder, ein Schweregefühl des Kopfes, Atemnot bei Belastung oder eine zunehmende Schwäche beim Treppensteigen. Wenn die körperliche Belastung steigt, merken Myasthenikerinnen und Myastheniker das sehr schnell. Starke Verspannungen im Nackenbereich sowie Trägheit in den Armen und Beinen sind für Heide Mohr Warnsignale. &bdquo;Es ist jedes Mal die Angst dabei: Was gewinne ich denn wieder oder was bleibt jetzt so“, erklärt die 63-Jährige. Viele Myastheniker sind in der Bewegung stark eingeschränkt, bis hin zur Nutzung eines Rollstuhls. Lesen Sie auch: Zwei Paderborner berichten: Wie Depressionen das Leben umkrempeln Als Heide Mohr spürte, dass ihr der Austausch mit anderen Betroffenen fehlt, sah sie sich über den DMG nach Selbsthilfeangeboten um - und gründete 2022 zusammen mit einer weiteren Betroffenen eine Gruppe in Paderborn. Diesen Schritt machte sie, obwohl sie sich zuvor sorgte, ob Selbsthilfe das Richtige für sie ist. &bdquo;Wenn wir uns da gegenseitig nur etwas vorheulen, dann hilft mir das nicht“, erinnert sich Heide Mohr an ihre Bedenken. Paderborner Selbsthilfegruppe ist für sie wichtiger Wissensaustausch Doch die Selbsthilfegruppe schafft für sie das Gegenteil: Es ist ein wichtiger Wissensaustausch, und es wird auch viel gelacht. Dort fühlt sich die Myasthenikerin mit ihren Symptomen und Sorgen gesehen und verstanden. Zentral ist für Heide Mohr auch, dass nicht nur die Krankheit selbst besser verstanden wird, sondern auch der Umgang mit ihr. Ein Beispiel: Es gibt Medikamente, die die Myasthenie begünstigen und die deshalb nicht genommen werden dürfen. Das geht von Erkältungsmedikamenten bis hin zu Narkosemitteln. &bdquo;Sich darüber auszutauschen, ist wirklich eine große Erleichterung“, sagt Heide Mohr. Mehr zu diesem Thema: Wie die Selbsthilfe Wege aus der Krise weist In der Paderborner Selbsthilfegruppe lernte sie auch Corinna V. kennen, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die 52-Jährige kennt die zahlreichen Arztbesuche und Unsicherheiten bis zur Diagnose Myasthenie. Auch bei ihr zeigte sich die Krankheit zunächst an den Augen. Sie sah nur noch verschwommen. Später in einem Arztgespräch wurde ihr klar: Sie sah Doppelbilder, die für ein verschwommenes Gesamtbild sorgten. Das sind die Warnsignale für eine Myasthenie Auch Corinna V. hatte das Bedürfnis, sich auszutauschen. &bdquo;Ich hatte Vorbehalte gegenüber der Selbsthilfe“, räumt sie ein. &bdquo;Doch diese Vorbehalte haben sich nicht bestätigt. Bei uns ist es informativ und gleichzeitig humorvoll. Es ist schön, dass die anderen meine Symptome kennen und nachempfinden können.“ Die Gruppe trifft sich alle zwei bis drei Monate online, zwei Treffen im Jahr sind in Präsenz. Zu den Präsenztreffen werden Referenten eingeladen - darunter waren bereits Ärzte und Apotheker. 64 Myastheniker gehören zu der Paderborner Selbsthilfegruppe. Der Einzugsbereich ist groß, auch Betroffene aus Lemgo und dem Sauerland sind dabei. Das jüngste Mitglied der Gruppe ist Anfang 20, das älteste Mitte 80. Heide Mohr und Corinna V. wollen auf Warnsignale aufmerksam machen, damit andere Betroffene den langen Weg zur Myasthenie-Diagnose abkürzen können. Zu diesen Signalen gehören Probleme mit den Augen (Doppelbilder, hängendes Augenlid), Schluckbeschwerden sowie Probleme mit der Arm- und Beinmuskulatur oder auch der Atemmuskulatur. In solchen Fällen rät Heide Mohr: Schnellstmöglich zum Neurologen. Denn Myasthenie ist mittlerweile gut therapierbar. Weitere Artikel aus unserer Reihe über Selbsthilfegruppen in Paderborn Schock nach der Diagnose Brustkrebs: Paderbornerinnen teilen ihre Erfahrungen MS-Diagnose: Paderbornerinnen sprechen über die Krankheit mit tausend Gesichtern

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