MS-Diagnose: Paderbornerinnen sprechen über die Krankheit mit tausend Gesichtern

Paderborn. Es gibt viele Vorurteile gegenüber der Krankheit Multiple Sklerose (MS). Damit kennen sich auch die Paderbornerinnen Vera Wulf-Heinevetter und Birgit Growe aus. Sie haben erlebt, dass Menschen dachten, MS wäre ansteckend. Oder ein Todesurteil. Und sie sind Menschen begegnet, die MS für die Abkürzung von Muskelschwund hielten. All das trifft nicht zu. MS ist eine entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems, die das Gehirn und das Rückenmark umfasst und meist im frühen Erwachsenenalter beginnt, erklärt die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG). Der Krankheitsverlauf kann sich von Patient zu Patient stark unterscheiden. &bdquo;MS wird nicht umsonst die Krankheit der tausend Gesichter genannt“, sagt Vera Wulf-Heinevetter. Die 61-Jährige leitet die Paderborner MS-Selbsthilfegruppe. Dort ist auch Birgit Growe Mitglied. &bdquo;Ich hatte einen sehr poltrigen Diagnoseweg“, erinnert sich Growe. Die 66-Jährige litt unter Schwindel, ist oft gestolpert, sah Doppelbilder und war auf einen Schlag müde. &bdquo;Heute weiß ich, dass das ganz typische MS-Symptome sind“, sagt sie. &bdquo;Vermutlich hätte man die Diagnose bei mir schon Ende der 1980er-Jahre stellen können.“ Doch sie wurde erst 2011 gestellt. Über diesen Zeitpunkt ist Growe heute sehr froh. Sie habe viele Jahre ihr Leben gelebt, ohne von ihrer unheilbaren Krankheit zu wissen. Übergang zum chronischen Verlauf der Multiplen Sklerose Anders ging es Vera Wulf-Heinevetter bei ihrer Diagnose. &bdquo;Ich war so froh, dass das Kind endlich einen Namen hatte“, erinnert sie sich. &bdquo;Ich hatte im ganzen Körper kein Gefühl. Die Motorik war da, aber das Feingefühl fehlte.“ Als sie irgendwann nicht mehr schreiben konnte, kam 1994 die MS-Diagnose. Derzeit ist sie im Übergang zum sogenannten chronischen Verlauf der Multiplen Sklerose. Sie hofft auf ein neues Medikament aus den USA, das diesen Herbst auf den Markt kommen könnte. Growe ist schon seit 2021 im chronischen Verlauf und wird derzeit mit Cortison behandelt. Mehr zu MS: Tag der Multiplen Sklerose: Wie eine Patientin die Krankheit erlebt Wulf-Heinevetter ist bereits seit 27 Jahren in der Paderborner Selbsthilfegruppe. Sie erinnert sich noch genau an ihren ersten Besuch dort. Eine halbe Stunde habe sie im Auto gewartet und genau beobachtet, wer die Räume betritt. Dann wagte sie den Schritt und sagt heute, dass Selbsthilfe ein großer Teil ihres Lebens geworden ist. Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder. In der Gruppe sind circa 25 Menschen, der Großteil von ihnen wohnt in Paderborn. Die Gruppenmitglieder sind laut Wulf-Heinevetter zwischen 40 und 60 Jahre alt. Frauen erkranken laut Zahlen der DMSG etwa doppelt so häufig wie Männer an MS. Das zeigt sich auch in der Paderborner Selbsthilfegruppe. Corona hat für Selbsthilfegruppen in Paderborn viel verändert Neben den monatlichen Treffen gehören auch Ausflüge dazu - zum Frühstücken oder auch einmal im Jahr zur Rehacare, einer Messe für Rehabilitation, Prävention, Inklusion und Pflege. &bdquo;Teilhabe ist ein wichtiges Thema für uns. Jeder Betroffene wünscht sich, am Alltag teilzuhaben“, sagt Birgit Growe. Dieses Gefühl nehmen die beiden Paderbornerinnen von gemeinsamen Frühstücken, Treffen und Ausflügen mit. &bdquo;Danach fühle ich mich einfach mitten im Leben“, schwärmt Vera Wulf-Heinevetter. Lesen Sie auch: Wie die Selbsthilfe Wege aus der Krise weist Dennoch macht sie klar: &bdquo;Es ist eine schwierige Zeit für Selbsthilfe.“ Die Corona-Pandemie habe sehr viel verändert. Es sei für sie schwer gewesen, die Gruppe in diesen Jahren zusammenzuhalten. Zudem würden junge Menschen sich oft lieber im Internet informieren und Selbsthilfegruppen nicht ansteuern. Vorbehalte gibt es ebenfalls. Genau deswegen ist es für Growe und Wulf-Heinevetter wichtig, offen mit ihrer Erkrankung und ihren Erfahrungen der Selbsthilfe umzugehen. Die beiden wollen Mut machen: &bdquo;Wir können allen Betroffenen nur raten: Kommt bei uns vorbei, lernt uns kennen und schaut euch so ein Treffen unverbindlich an.“ Weitere Artikel aus unserer Reihe über Selbsthilfegruppen in Paderborn Seltene Krankheit: Paderborner Myasthenie-Selbsthilfegruppe hilft Betroffenen Schock nach der Diagnose Brustkrebs: Paderbornerinnen teilen ihre Erfahrungen

Meistgelesen