Wie umgehen mit der Sucht? Theater-Exil spielt an Schulen und klärt auf

Paderborn. Charly beginnt zu erzählen. Emotional und mit dramatischen Erfahrungen aus ihrem Leben startet sie die &bdquo;Sitzung“ – so richtig ist noch nicht klar, was da oben eigentlich passiert und trotzdem blicken rund 80 Schülerinnen und Schüler des Richard-von-Weizsäcker-Berufskollegs gespannt in Richtung Bühne. Und irgendwie fühlt sich der Raum schon jetzt bedrückend intim an. Das Theater-Exil aus Paderborn präsentiert erstmals vor Schülerinnen und Schülern ihr neues Stück &bdquo;nichtOhne“. Das interaktive Theaterstück des professionellen Schauspieler-Ensembles handelt von Sucht, Abhängigkeiten und dem Versuch, das eigene Leben zu meistern. Sehr realistisch und nah am jugendlichen Publikum wird in mehreren Therapiesitzungen und Zwischenszenen ein Beziehungsgeflecht offengelegt, das nicht damit spart, Probleme und Tabuthemen offen anzusprechen. Laut knallt eine Backform zu Boden. Charly (Ann-Britta Dohle) wollte für ihre Tochter backen, doch die zitterige Hand der alkoholkranken Mutter funkt dazwischen. Eine tiefe und dennoch zerbrechlich wirkende Verbindung zwischen Mutter und Tochter wird deutlich. Alltagsthemen, mit denen sich wohl auch einige Personen aus dem Publikum identifizieren können, so lässt es das leise Getuschel aus den Reihen vermuten, werden angesprochen. Das nervige Politikreferat, Kumpel Mo (Marius Meschede), den Tochter Juli (Maya Kenda) eigentlich ganz toll findet und die ständig nachbohrende Mutter. Das Publikum spielt mit und gibt Ratschläge Langsam offenbart sich ein kompliziertes Beziehungsgeflecht mit einem breiten Spektrum von Abhängigkeiten, Co-Existenzen und Süchten der drei Hauptprotagonisten. Und auch das Publikum wird in den Strudel eingesaugt. Bei der nächsten &bdquo;Sitzung“ – einer Gruppentherapie für Suchtkranke – sind die nämlich dabei. Mo gesteht, wie alleine er sich fühlt, weil seine Mutter ihn nicht beachtet. Wer hat sich auch schon mal alleingelassen gefühlt, weil er oder sie ignoriert wurde? Oder nicht auf eine Nachricht sofort reagiert wurde? &bdquo;Wer das schon mal erlebt hat, steht bitte auf“, lautet die Anweisung der Therapeutin, ebenfalls gespielt von Maya Kenda. Es dauert einen Moment. Und vielleicht macht auch das Lehrpersonal den ersten Schritt, doch auf der Bühne hat man Geduld und nach einer kurzen Stille, stehen einige Schülerinnen und Schüler auf. Und werden dann auch noch direkt nach Lösungsansätzen gefragt. Die Tipps werden vom Ensemble geschickt aufgegriffen, ausgearbeitet und zurückgespielt. Interaktiv eben. Privat und intim, weshalb sich ein nicht zu großes Publikum anbietet. Konsum von Lachgas und die Folgen werden thematisiert Und dann wieder der harte Bruch: Kumpel Mo macht Juli bei einem Treffen ein Geständnis. Denn seine vielen Follower auf Instagram, die Juli so bewundert, hat er nicht durch Comedy bekommen. Er hat sich mit Lachgas &bdquo;so richtig weggehauen“. Auch das ein realistisches Szenario, nah am Publikum, wie in der anschließenden Diskussion deutlich wird. &bdquo;Lachgas ist eine Droge, die sich erstmal harmlos anhört“, sagt eine Schülerin, als es im offenen Gespräch darum geht, das Theaterstück aufzuarbeiten. Dabei kann Lachgas das Gehirn und Nervensystem langfristig schädigen. &bdquo;Die Droge ist nicht verboten und fast überall frei verkäuflich, es gibt keine Altersbeschränkung“, weiß Vera Menke von der Suchtkrankenhilfe des Caritasverbandes Paderborn. Besonders unter Jugendlichen sei die Droge &bdquo;aktuell ein großes Problem“. Als Expertin und Stütze begleitet sie das Theater-Exil bei seinen Auftritten an den Schulen, um aufzuklären, und als Ansprechpartnerin. Und auch das Theater-Ensemble möchte informieren und aufklären. Hypothetisch wird gemeinsam mit den Jugendlichen überlegt, wie die Geschichte weiter gehen könnte. Welche Optionen hat Mo, mit seiner Lachgas-Sucht umzugehen? Kommt Charly jemals wieder vom Alkohol los? Und welche Optionen hat Juli, all die Geständnisse und Probleme zu verarbeiten?

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