Neues Gutachten: Kommen im Kreis Paderborn bald Taxis statt Busse?

Kreis Paderborn. Der Busverkehr im Paderborner Land soll sich künftig wieder an den Bedürfnissen von Fahrgästen orientieren - und die Städte trotzdem weniger kosten. Ein 2022 von den Kreisen Paderborn und Höxter beauftragtes Gutachten durch zwei Beraterfirmen gibt tiefgehende Einblicke in eine verkrustete Ist-Situation des ÖPNV und schlägt Lösungen vor, die es in sich haben. Die politische Debatte verspricht, spannend zu werden. Taxis statt Busse Um Kosten zu senken, im Kreis Paderborn bringen die Kommunen derzeit rund sieben Millionen Euro für den ÖPNV auf, muss laut Gutachten die Zahl fester Buslinien kleiner werden. Fahrzeuge und Personalkosten binden viel Geld. Eine Lösung könnte gerade in schwach besiedelten Gebieten ein bedarfsorientierter Verkehr mit Taxis sein. Anruf-Fahrten wie mit dem &bdquo;Holibri“ wären zwar auch schon günstiger als Buslinien, eingespart werde aber auch hier effektiv nur der Treibstoff. Ein &bdquo;ÖPNV-Taxi“ sei hingegen rechtlich zulässig und könne das Taxigewerbe stärken. Fahrgäste müssten lediglich den ÖPNV-Tarif zahlen, Taxifirmen würden für ihren Aufwand nach Vorschriften vergütet. Für die Schülerbeförderung gilt diese Idee nicht. Lesen Sie auch: Paderborns Landrat: &bdquo;Busverkehr im Hochstift zielt am Fahrgast vorbei“ Der Schulverkehr Schulbusse erzeugen rund zwei Drittel der ÖPNV-Kosten in der Region. Die recht simple Idee der Gutachter: Müssen weniger Busse eingesetzt werden, wird es billiger. Erreicht werden soll dies, indem sich der Schulstart künftig nach Busfahrplänen richtet. Soll heißen: Sind die Zeiten zweier Schulen in Stadt A gestaffelt, reicht ein Bus aus Ort B anstelle bisher zwei. Dass dieser Vorschlag nicht leicht umzusetzen ist, ahnen auch die Gutachter. Die Umsetzung erfordere &bdquo;einen intensiven Dialog zwischen allen Stakeholdern“ wie Schulträger, Lehrer und Eltern. Lesen Sie auch den Kommentar: Die Bus-Reform darf nicht zulasten der Kinder gehen Für die künftige Planung der Schulrouten schlagen die Gutachter vor, von vornherein nur mit 90 Prozent der Fahrschüler zu kalkulieren, da zehn Prozent aus diversen Gründen eh nicht mitführen. ÖPNV-Angebote sollten zudem erst ab mindestens 35 Schülern pro Fahrzeug vorgehalten werden. Kommunen, die dennoch Busse wollen, müssten draufzahlen. Wenn in einem Linienbündel die durchschnittliche Schülerzahl pro Bus unter die Marke von 90 falle, soll ebenfalls gekürzt werden, sagen die Berater. Aktuell sehen sie Einsparpotenzial für Busse in den Linienbündeln Delbrück, Paderborner Hochfläche, Lichtenau und Egge. Ins Spiel bringen sie auch neue zumutbare Wartezeiten für Schülerinnen und Schüler: maximal 25 statt bisher 22 Minuten bei Grundschulen und 35 statt bisher 22 Minuten bei weiterführenden Schulen - jeweils vor und nach dem Unterricht. Das Sparpotenzial Je nachdem, wie stark Kürzungen im Verkehrsangebot sowie Optimierungen bei Schulkalkulation und Bedarfsverkehren vorgenommen werden, fallen laut Gutachten die Einsparpotenziale im Kreis Paderborn aus. Ohne weggesparte Routen oder eine Quetsch-Quote in einzelnen Bussen zu benennen, schreiben sie von bis zu 3,2 Millionen Euro, die das Paderborner Land pro Jahr sparen könnte – also fast die Hälfte des aktuellen Aufwands. Diese Version setzt ein sogenanntes &bdquo;hart“ umgesetztes Szenario voraus. In der &bdquo;konsequenten“ Version wären 2,55 Millionen Euro drin, in der &bdquo;minimalen“ Variante nur noch 550.000 Euro pro Jahr. Passieren soll all das durch optimierte Planung, Abstimmung mit Stakeholdern im Schulverkehr, politische Beschlüsse sowie Anpassungen in Verkehrsverträgen. Umweltfreundliche Busse Emissionsfreie Fahrzeuge sollen künftig immer mehr Fahrten übernehmen. Ihre sukzessive Beschaffung ist gesetzlich vorgeschrieben. Das Gutachten spricht sich eindeutig für batteriebetriebene Busse aus, die jeweils in ihren Depots geladen werden können. Sie böten mehr Vorteile als Wasserstoffvarianten oder Busse, die unterwegs laden könnten. Als Stromquelle bringt die Untersuchung ausdrücklich die lokale Windkraft ins Spiel. Busse könnten derzeit nicht genutzte Windkraft-Kapazitäten aufbrauchen. Eine entsprechende Lade-Infrastruktur müsste allerdings erst geschaffen werden. Die verzettelte Verwaltung Der Busverkehr im Kreisgebiet wird derzeit, außerhalb der Paderborner Padersprinter-Linien, von zwei Organisationen an den Start gebracht. Der Nahverkehrsverbund Paderborn/Höxter (NPH) ist als &bdquo;Aufgabenträger“ für Planung, Organisation und Ausgestaltung des ÖPNV zuständig. Die Gutachter rümpfen über dieses Konstrukt die Nase, denn in ganz Deutschland fungierten sonst Kreise oder Städte als Aufgabenträger. Der NPH nehme damit eine &bdquo;gewisse exotische“ Stellung ein. Neben ihm ist als &bdquo;Tarifverbund“ noch die VPH, Verbundgesellschaft Paderborn/Höxter, tätig. Ihre Aufgaben: Tarife, Vertrieb, Kundenbetreuung, Fahrgastinformation und Aufteilung der Einnahmen. Das NPH-VPH-Doppelkonstrukt erschließt sich nur absoluten Insidern. Das Gutachten sieht in der aktuellen Organisation mit separat verorteter Verantwortung für Aufgaben und Finanzierung die Ursache des schwach aufgestellten ÖPNV. Vorschlag für neue Organisation Die Verantwortung für Aufgaben und Finanzierung soll laut Gutachten in einer neuen Gesellschaft zusammengefasst werden, die im Hochstift Ansprechpartner für Fahrgäste, öffentliche Hand und Kommunen wäre. So hatte es bereits Landrat Christoph Rüther der NW exklusiv im Interview verraten. Aufgabenträger sollen die Kreise werden, die sich dann prozentual am neuen Verkehrsverbund beteiligen. Über einen Aufsichtsrat der Bürgermeister, eine Gesellschafterversammlung aus den Aufgabenträgern (Kreisverwaltungen), sowie eine Arbeitsgemeinschaft der Kreistage sollen Informationsflüsse gewährleistet sein. Strategische und letzte Entscheidungsebene soll die Gesellschafterversammlung sein. Das Modell ähnelt der Organisation am Airport Paderborn/Lippstadt. Innerhalb der Kreishäuser müsste Personal für das Management der Aufgabenträgerschaft gestellt werden. Die Zahl der Gremiensitzungen würde durch das neue Modell reduziert, schreiben die Gutachter. Entscheidungen könnten zügiger getroffen werden, auch weil die neue Gesellschaft mehr Freiheiten erhalten soll. Über das Gutachten werden als Nächstes die Kreistage in Paderborn und Höxter beraten.

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