Dramatischer Anstieg: Plätze für Wohnungslose in Paderborn reichen nicht mehr

Paderborn. Es klingt wie ein Hilferuf der Organisationen SKM, KIM und Perthes-Stiftung in Paderborn. Die Zahl der Wohnungslosen ist innerhalb von fünf Jahren um 75 Prozent gestiegen. Zudem drängt das Thema in die Mitte der Gesellschaft. Immer öfter sind beispielsweise Frauen oder Studierende betroffen. Die Hilfsorganisationen Der Katholische Verein für soziale Dienste (SKM), der Verein KIM – Soziale Arbeit und die Evangelische Perthes-Stiftung haben verschiedene Aufgaben. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Paderborn kümmern sich auch um Wohnungslose. Mindestens 600 Menschen im Kreis Paderborn gelten als wohnungslos (Stand März 2024). Unter anderem betreibt das SKM die städtische Übernachtungsstelle als Notunterkunft. Menschen, die alleinstehend sind und nicht wissen, wo sie die Nacht verbringen sollen, können hier kurzfristig und unter bestimmten Bedingungen einen geschützten Übernachtungsplatz bekommen – wenn der Platz ausreicht. Derzeit gibt es dort 26 Betten für Männer sowie vier für Frauen. Zudem gibt es die SKM-Fachberatungsstelle. Lesen Sie auch: So viele wie nie: Rund 13.000 Menschen in OWL haben kein eigenes Zuhause Die Perthes-Stiftung betreibt im Gebäude Neuhäuser Straße 78 eine Beratungsstelle für ambulantes und betreutes Wohnen. Zudem bietet sie in eigenen Wohnungen Plätze an: für Menschen, die keine eigene Wohnung haben (40 Plätze) und für Menschen, die in einer psychischen Krise sind (50 Plätze). Auch eine stationäre Einrichtung gibt es verteilt auf zwei Gebäude: an der Neuhäuser Straße 68b (12 Plätze) und an der Auguste-Viktoria-Allee 11 in Bad Lippspringe (12 Plätze). Zudem gibt es 12 Wohnplätze, dezentral in der Stadt und im Kreisgebiet. KIM unterstützt ebenso Menschen in schwierigen Lebenssituationen, bis ins Seniorenalter. Neben Wohngemeinschaften für Männer und Frauen, der Beratungsstelle für häusliche Gewalt, dem Mutter-Kind-Haus, dem Rupert-Zwickl-Haus für alkoholkranke Menschen oder der Straßensozialarbeit gibt es vor allem eine Notübernachtungsstelle für Frauen und Männer: mit insgesamt 36 Plätzen (24 für Männer 12 für Frauen). Lesen Sie auch: Positive Bilanz: Ein Jahr medizinische Sprechstunde für Obdachlose in Paderborn Anstieg um 75 Prozent Im Gespräch mit der &bdquo;NW“ wird deutlich, dass die Angebote dieser drei Organisationen die Nachfrage kaum noch decken können. Wie stark der Druck ist, verdeutlicht Joachim Veenhof, Sozialarbeiter und Geschäftsführer des SKM. Er verweist auf den Anstieg seit 2019. Bis dahin, so Veenhof, habe das SKM etwa 300 Menschen begleitet. 2023 seien es 517 gewesen. &bdquo;Das ist ein Anstieg um 75 Prozent“, sagt er. Das Problem: Das System wächst nicht parallel dazu mit. Veenhof: &bdquo;Und wir können 517 Menschen nicht so helfen, wie wir es gerne würden.“ KIM in Paderborn: Zahl der Plätze reicht wieder nicht Die schwierige Lage gerade im Bereich der Wohnungslosen bestätigt KIM-Geschäftsführerin Nicole Wiggers: &bdquo;Wir haben gerade erst vor zwei Jahren die Notunterkunft erweitert, von 20 auf jetzt 36 Plätze. In der Hoffnung, dass das reicht. Und jetzt stehen wir wieder regelmäßig vor der Frage: Wem geben wir das Bett?“ Perthes-Stiftung warnt vor Herausforderung für das Hilfesystem Auch aus Sicht von Andreas Beisbart, Einrichtungsleiter im Bodelschwingh-Haus der Perthes-Stiftung, ist die Lage angespannter als noch vor einigen Jahren. Zudem: &bdquo;Die Anforderungen haben sich deutlich verändert. Wir begleiten zunehmend Menschen mit komplexeren Problemlagen.“ Und Beisbart warnt: &bdquo;Das ist eine große Herausforderung für das Hilfesystem.“ Mehr jüngere und ältere Menschen, mehr Frauen Ein Leben ohne Wohnung: Wie sehr das immer mehr Menschen in der Gesellschaft betrifft, beschreibt Veenhof ebenso. &bdquo;Wir sehen immer öfter jüngere Menschen, ältere Menschen und vor allem mehr Frauen“, sagt er. Der Anteil der Frauen sei innerhalb von etwa zehn Jahren um 30 Prozent gestiegen. Ein Problem ist, dass beispielsweise viel mehr Menschen kein familiäres Netzwerk mehr haben. Zudem belasten immer öfter Depressionen. &bdquo;Und dann fehlt vielleicht der Onkel, der früher dem Neffen unter die Arme gegriffen hätte“, sagt Veenhof. Auch das Thema Sucht spielt eine immer größere Rolle. Oder es sind Frauen in schwierigen Lebenslagen, die sich selbst keine eigene Wohnung nehmen können und das Leben mit dominanten Männern in Kauf nehmen müssen. Lesen Sie auch: Obdach für wohnungslose Frauen: Wie eine Paderbornerin wieder ins Leben findet Studierende übernachtet im Schrank in der Paderborner Universität Und dann kann die Suche nach einem Platz zum Übernachten auch Menschen treffen, die vor Jahren noch nicht zum Kreis der Wohnungslosen gezählt hätten. Das zeigt das Beispiel einer Studierenden vor einigen Wochen. Hilfe hat sie bei Thomas Nied, Teamleiter im ambulanten betreuten Wohnen der Perthes-Stiftung gesucht. &bdquo;Sie ist alleinstehend, hat keine Verwandten“, berichtet er. Zuletzt habe sie sogar in einem Schrank im Uni-Gebäude geschlafen. Und nur in Zusammenarbeit mit dem SKM sei es den Helfern an jenem Freitagnachmittag gelungen, ihr kurzfristig einen Platz in der SKM-Notunterkunft zu vermittelt. Mehr Wohnungen Beisbart betont die gute Zusammenarbeit der Hilfsorganisationen wie in diesem Fall und jene mit der Stadt Paderborn beispielsweise. Klar ist aber auch aus Sicht von SKM, KIM und Perthes-Stiftung, dass es mehr Wohnungen geben muss: kleine Apartments für Menschen mit wenig Geld. Oder dass leer stehende Wohnungen bereitgestellt werden von öffentlicher Hand. Noch müssen sich die Hilfsorganisationen wie das SKM immer neue Wege überlegen, wie sie Betroffene unterbringen. Zum Beispiel in Wohnboxen des SKM. Zudem entstehen 16 Apartments für Wohnungslose als Teil des SKM-Neubaus des &bdquo;Sozialen Kaufhauses“ an der Kapellenstraße. Bis Sommer 2025 soll es fertig sein. Forderung nach schneller Lösung Für die Vertreter von SKM, KIM und Perthes-Stiftung ist eines klar: Wohnungslosigkeit ist in ein Thema, dass die gesamte Gesellschaft betrifft. Wenn nicht schnell Lösungen gefunden werden, bei der finanziellen Unterstützung, den Übernachtungsplätzen oder mittelfristig bei der Zahl der Wohnungen, &bdquo;fahren wir vor die Wand“, sagt Veenhof.

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