Paderborner Schule erklärt jetzt auch, wie die Waschmaschine funktioniert

Herr Eke, die Friedrich-Spee-Gesamtschule ist ins Schuljahr mit dem neuen Fach &bdquo;Fit for Life gestartet. Sind Schülerinnen und Schüler in Deutschland nicht mehr fit für Leben? Benjamin Eke: So grundsätzlich würde ich das nicht unterschreiben. Aber unsere Schülerinnen und Schüler haben oft den Wunsch geäußert, dass sie gerne etwas lernen wollen im Unterricht, was sie später gebrauchen können. Was meinen Sie damit genau? Die Schüler haben brennende Fragen. Zum Beispiel: Was sind Steuern? Was ist mein Einkommen? Wenn man im Matheunterricht mal von brutto und netto spricht, dann wundern sie sich. Für sie ist das oft dasselbe. Wenn man 5.000 Euro verdient, meinen sie, dass sie das direkt auf dem Konto haben. Und deshalb haben wir uns ein umfangreiches Konzept überlegt, um die Schüler besser auf das Leben nach der zehnten Klasse oder dem Abitur vorbereiten zu können. Also gibt es Lücken im praktischen Wissen? Diese Lücken gibt es massiv. Bei Themen zum Einkommen, zu Versicherungen oder zum Autokauf. Das sind Dinge, die Schüler interessieren. Oder es geht um die Vorbereitung auf den Führerschein. Auf Dinge, denen die Schüler später im Lebensalltag begegnen, sind viele noch nicht vorbereitet. Und oft gibt es im Elternhaus nicht die Unterstützung. Vielleicht auch deswegen, weil die Eltern selbst beispielsweise nicht gut auf das Thema Steuererklärungen vorbereitet sind. Hat sich das in den vergangenen Jahren verstärkt? Die Komplexität hat sich verstärkt. Es werden immer mehr Themen. Es wird auch immer alles digitaler. Man erwartet mittlerweile, dass die Schüler eine digitale Steuererklärung ausfüllen können. Nach der Klasse zehn verlassen uns etwa 70 Prozent der Schüler. Dann gehen sie in die Ausbildung, in den Beruf. Und dann sind sie mit diesen Themen konfrontiert. Für welche Schülerinnen und Schüler ist das Fach gedacht? Das Konzept setzt im Jahrgang neun an, im Ergänzungsunterricht als lehrplanfreier Bereich. Hier haben wir besondere Bildungsangebote aus MINT (Hinweis der Red.: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), aus BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung), aus dem Sport, der Kunst oder aus dem Bereich Beruf oder den lebensvorbereitenden Bereichen. Und vor einiger Zeit hatten wir einen Workshop in der Oberstufe, der sehr gut ankam. Da haben die Schüler einen Tag lang zu diesem Thema gearbeitet. Es kam aber auch die Rückmeldung aus der Sekundarstufe eins, dass auch sie gerne so etwas machen würden. Damit war die Idee da, in Klasse neun anzusetzen, weil sie da in die Berufs- und Ausbildungsvorbereitung gehen. Wer kann mitmachen? Die Schüler können freiwillig wählen. Da sind nur Schüler dabei, die sich wirklich dafür interessieren. Ist die Friedrich-Spee-Gesamtschule mit &bdquo;Fit for Life“ eigentlich ein Vorreiter in Paderborn und darüber hinaus? Es ist auf jeden Fall etwas Neues, und hier im Umkreis ist mir das in dieser Form nicht bekannt. Zwei Fragen: War &bdquo;Fit for Life“ nicht immer schon in die Fächer integriert? Und muss Schule mittlerweile auch immer öfter die Erziehung von den Eltern übernehmen? Beides trift zu. Natürlich sind diese Themen irgendwo versteckt in den Lehrplänen. Also Einkommen, Steuern, Zinsen. Bankgeschäfte werden im Matheunterricht angerissen. Oder im Wirtschaftsunterricht. Das ist aber häppchenweise und nicht konzentriert. Und die Schule an sich wandelt sich. Von der reinen Wissensvermittlung mit nur kognitiven Inhalten mehr zur kompletten Vorbereitung auf das Leben nach der Schule. Und gerade wir als Gesamtschule haben andere Herausforderungen, die das Gymnasium in der Form nicht hat. Bei uns steht der Schüler besonders im Mittelpunkt und die gesamtheitliche Entwicklung. Und wir müssen Erziehungsaufträge sehr stark wahrnehmen. Denn zum Teil fangen wir Dinge auf, die im Elternhaus leider zum Teil nicht mehr übernommen werden. Manche Eltern haben die Vorstellung, dass sie die Kinder hier abgeben und wir den Rest machen. Schule muss im Jahr 2024 eine Menge leisten ... Ja, und die Herausforderungen werden immer mehr. Seit einigen Jahren haben wir die Inklusion. Wir müssen auch jene Schüler auf das Leben nach der Schule vorbereiten, die Lernschwächen oder andere Beeinträchtigungen haben. Sind die Eltern in die Vorbereitung zum neuen Fach einbezogen worden? Ja. Man muss sich Schule ohnehin mehr wie ein Containerschiff auf hoher See vorstellen. Das stoppt nicht sofort oder fährt nach links oder rechts. Es sind lange Prozesse in der Schulplanung. Dieses Projekt ging aber schnell durch die Gremien. Die erste Idee dazu hatte ich vor einem Jahr im Herbst 2023. Dann habe ich das in der Schulleitung und mit den Schülern besprochen, mit der Frage: Wie findet ihr das? Dann kamen die Eltern. Und die Resonanz war positiv. Gab es auch kritische Stimmen, die gesagt haben, die Schule überfordert jetzt die Schüler? Die Stimmen gingen eher in die Richtung, warum wir das nicht verpflichtend für alle Schüler machen. Wir sind aber an Lehrpläne und Stundenvorgaben gebunden. Deswegen können wir nicht einfach sagen: Wir machen zwei Stunden die Woche für alle Schüler. Wird es bei &bdquo;Fit for Life“ auch den Austauch mit Experten geben, zum Beispiel mit Wirtschaftsprüfern? Das ist in Planung. Die Kollegin, die das Fach anbietet, will Versicherungen einbinden. Und sie plant Exkursionen, zum Beispiel zum Finanzamt. Oder es kommt ein Rechtspfleger vom Amtsgericht in die Schule. Das erste Jahr ist die Pilotphase. Das Angebot entwickelt sich weiter. Im Prinzip können wir aber alles machen. Was sind Beispiele? Es geht auch um ganz einfache Fragen wie diese: Wie wäscht man eigentlich Wäsche? Das klingt für uns banal, aber tatsächlich wollen viele Schüler etwas darüber lernen. Das klingt nach einer vertrauensvollen Atmosphäre, wenn auch solche Fragen erlaubt sind. Es sitzen 20 Schüler im Raum. Auf diese Zahl haben wir das begrenzt. Und die wollen das machen. Da ist die Hemmschwelle nicht so groß. Da verdreht keiner die Augen, wenn eine Frage wie zum Wäschewaschen kommt. Ich hätte übrigens mehr Schüler aufnehmen können. Wie viele wollten? Locker das Doppelte. Es gibt ja auch Themen wie Handyverträge und Schulden. Das wird auch besprochen. Denn das sind ja genau die Fallen: Oft denken Schüler, dass sie ein Smartphone für einen Euro kaufen und das war’s. Sie sehen dann meist die laufenden Kosten nicht.

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