Beim Speed-Dating in Paderborn sind künftige Azubis wählerisch

Paderborn. Im April noch eine Ausbildung für dieses Jahr finden? Was vor zehn Jahren noch fast unmöglich schien, ist heute längst kein Problem mehr. Aufgrund des Fachkräftemangels sind Auszubildende gefragter denn je. "Heute muss sich der Betrieb bei den jungen Menschen bewerben", sind sich die Veranstalter des Azubi-Speed-Datings im Paderborner Schützenhof einig. Die Kooperation von Industrie- und Handelskammer (IHK) OWL, der Handwerkskammer OWL, der Bundesagentur für Arbeit Paderborn, dem Kreis Paderborn, der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe und dem Jobcenter im Kreis soll Unternehmen und an einer Ausbildung interessierte Menschen zusammenbringen. 158 Unternehmen sind zum Speed-Dating angemeldet. Sie haben Flyer, große Plakate, allerlei Werbegeschenke und vor allem mehr als 600 unbesetzte Ausbildungsstellen mitgebracht. Doch wie viele Bewerberinnen und Bewerber an diesem Tag daten wollen, ist beim Start der Veranstaltung noch ungewiss. Für den Kreis Paderborn meldet die Arbeitsagentur für Arbeit 1.224 offene Ausbildungsplätze, 716 Jugendliche suchen noch. Ein Überangebot, das Auszubildende wählerischer und Unternehmen kreativer werden lässt. "Wir müssen 'sexyer' werden", formuliert es Aloys Buschkühl von der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe. "Junge Menschen da abholen, wo ihre Interessen liegen, sie sich politisch engagieren", ergänzt Carl-Christian Goll von der Handwerkskammer OWL. Damit meint er auch die Ausrichtung innerhalb der Unternehmen. Die Nachfrage zeige, dass im Handwerk besonders Ausbildungsberufe rund um das Thema Klima und Nachhaltigkeit immer beliebter werden. Unternehmen werden immer flexibler Eine Vier-Tage-Woche sei in vielen Branchen aber nach wie vor schwer umsetzbar, erklärt Claudia Auinger von der IHK OWL. Doch auf Nachfrage scheint das bei den jungen Menschen, die mittlerweile beim Speed-Dating eingetrudelt sind, gar nicht so eine große Rolle zu spielen. Meist haben sie schon sehr konkrete Vorstellungen, in welche Richtung sie gehen möchten. So auch der 15-jährige Talha aus Hövelhof: Er sucht eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration. "Ich habe schon in den Ferien ein freiwilliges Praktikum gemacht", sagt Talha. Das habe so viel Spaß gemacht, dass er sich jetzt sicher ist. Für ihn ist wichtig: "Ich habe bald eine OP, deshalb muss das Unternehmen flexibel sein, was den Start angeht." Mit dem Vorurteil, dass die Ausbildung zwingend im August startet, möchten IHK und Handwerkskammer aufräumen. Mittlerweile seien die Unternehmen sehr flexibel geworden. Für Herausforderungen rund um die Ausbildung, wie das Wohnen, das Fahren, die Schule oder Sprachbarrieren, könnten immer unter Absprache auch Lösungen gefunden werden, wenn es sonst passt. Vanessa macht derzeit ihr Fach-Abitur und möchte im Anschluss eine Ausbildung als Bauzeichnerin absolvieren. "Ich habe mich relativ kurzfristig dazu entschieden, in diesem Jahr noch eine Ausbildung zu starten", sagt die 19-Jährige. Damit das klappt, hat sie extra einen Lebenslauf und ein Anschreiben mitgebracht. Aber auch ohne Bewerbungsunterlagen kann vor Ort gedatet werden. Die Freundinnen Franca (17) und Aileen (18) aus Altenbeken haben vom Speed-Dating in der Zeitung gelesen und sich auf den Weg gemacht. "Während Corona habe ich leider keine Chance gehabt, ein Praktikum zu machen und Jobs auszutesten", bedauert Aileen, die gerade Abitur macht. Jetzt möchten die beiden sich erst einmal informieren, welche Ausbildungen es überhaupt so gibt. Fest steht aber: Der Job soll Spaß machen. Das wichtigste: Der Job muss Spaß machen Das sehen auch viele Unternehmen so, bestätigen die Veranstalter. Oft seien Schulnoten zweitrangig. "Es geht um den Spaß und das Interesse an der Arbeit", sagt Daniel Thiessen, der beim Speed-Dating das Unternehmen "Portavice" präsentiert. Das IT-Unternehmen bildet Fachinformatiker aus - eigentlich nicht das, was Viktor Steinepreis sucht. Der 26-Jährige möchte nach einer abgebrochenen Ausbildung und Jobs für Leihfirmen nun noch einmal durchstarten. Am liebsten im Bereich der Mediengestaltung. Thiessen reagiert prompt: "Auch diesen Bereich haben wir im Unternehmen. Bei einem Praktikum kannst du alles einmal anschauen." Knapp eine Stunde vor Ende der Veranstaltung haben rund 270 junge Menschen den Weg zum Speed-Dating gewagt. Eine ernüchternde Zahl für die vielen Unternehmen, die händeringend nach Nachwuchs suchen.

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