Stadthaus-Baustelle in Paderborn wird archäologisches "Großprojekt"

In Ihrer Heimatstadt Rom findet sich überall jahrhunderte- oder jahrtausendalte Geschichte. Was kann dagegen Paderborn einer Archäologin wie Ihnen bieten? SVEVA GAI: Wenn man nach Paderborn kommt, könnte man zunächst denken: eine kleine Provinzstadt. Aber diese Stadt hat unglaublich viel Geschichte. Das fängt schon mit dem Neolithikum, der Jungsteinzeit, an und geht kontinuierlich weiter. Besonders die Zeit Karl des Großen im 8. und 9. Jahrhundert mit der Gründung der Pfalz, der königlichen Residenz, ist interessant. Auch die Römer sind hier vorbeigekommen. Und hier sind die berühmten Paderquellen, die ein Anziehungspunkt für Ansiedlung sind. Ich finde, dass Paderborn ganz viel zu bieten hat. Sie sind an einigen archäologischen Ausgrabungen in der Stadt beteiligt. Ist das für Sie wie eine Schatzsuche? Ein bisschen schon. Für mich steht aber nicht der Fund im Vordergrund, sondern die Zusammenhänge sind mir wichtig. Klar, wenn ich einen Gold-Ohrring finden würde, wäre ich auch begeistert, aber ich suche nicht aktiv danach. Stattdessen versuche ich, die Verbindungen herzustellen, um das geschichtliche Bild zu vervollständigen. Der Fund von Amphoren am Johannisstift zuletzt beispielsweise, das war etwas Unerwartetes. In Rom habe ich die Amphoren in Hülle und Fülle erlebt, sodass man sie sogar weggeschmissen hat. In Paderborn sind römische Funde aber nicht häufig. Es ermöglicht, weiter in diese Richtung zu suchen und mit dem Gedanken zu spielen, dass die Römer auf ihrem Marsch nach Osten auch tiefere Spuren im Paderborn hinterlassen haben als bisher gedacht. Dieser römische Fund hat Sie überrascht. Welche überraschenden und womöglich spektakulären Entdeckungen bleiben Ihnen weiter in Erinnerung? Ich könnte eine lange Liste machen. Besonders im Gedächtnis bleiben mir die Grabungen an den Springbach Höfen, wo wir zunächst keine Informationen hatten. Bei zwei Sondierungen hatten wir Grubenhäuser gefunden und dann ins Blaue hinein die gesamte Fläche untersucht. Es hat sich tatsächlich eine ganze Siedlung offenbart, die viele Ergebnisse gebracht hatte. Das hat mich ziemlich beeindruckt. Welche Grabungen stehen für Sie und Ihr Team jetzt an? Derzeit finden in der Friedrichstraße, Höhe Imadstraße, Kanalarbeiten statt. An dieser Stelle gehen wir der Frage nach, ob die Bastion, die wir im Jahre 2020 bei den Arbeiten der Omnibus-Bushaltestelle entdeckt haben, sich weiter nach Westen erstreckt. Wahrscheinlich in diesem Jahr machen wir Sondierungen in der Dempsey-Kaserne. Dort haben wir bereits Drohnenaufnahmen gemacht und runde Zeichen gesehen, die auf Hügelgräber hinweisen. Wir werden bestimmte Bereiche öffnen und gucken, ob sich dort archäologische Spuren befinden oder nicht. Von dem benachbarten Waldgebiet wissen wir, dass es dort Hügelgräber gab. Auch in der Barker-Kaserne waren wir schon. Da das Gebiet so riesig ist, haben wir bislang nur einen kleinen Bereich untersucht, aber nichts gefunden. Eine Siedlung vermuten wir dort aber auch nicht. Mitten in der City bahnt sich eine Großbaustelle an – für das künftige Stadthaus. Das dürfte doch für Sie von Interesse sein. Ja, das wird ein Großprojekt. Derzeit laufen die Planungen. Demnächst sollen die Abrissarbeiten starten, vielleicht in diesem Sommer beginnen wir dort. Eine viermonatige Ausgrabung ist geplant, vielleicht wird es auch länger dauern. Was erhoffen Sie sich, unter den Verwaltungsgebäuden zu finden? Wir möchten das tatsächliche frühere Aussehen rund um die Abdinghofkirche feststellen. Dazu wollen wir die Flächen untersuchen, die bislang nicht unterkellert sind. Auch den Franz-Stock-Platz und den Parkplatz möchten wir uns näher anschauen. Der längliche Gebäudetrakt an der Straße Am Abdinghof ist nach dem Krieg gebaut worden, zuvor hatte es dort mit den damaligen Methoden bereits Untersuchungen gegeben, da wird ein Grabenverlauf vermutet. Wir möchten nun gucken, wo der Graben noch entlang gelaufen sein könnte. Auch interessiert uns, ob es an der Stelle einen Steinbruch für den Bau von Abdinghof gab. In der Vergangenheit wurde bereits im Bereich Kötterhagen ein Steinbruch für Gebäude der Domburg gefunden. Sie nehmen mitunter monatelang Baustellen für Ihre archäologische Arbeit in Beschlag. Wie kommt das bei den Bauherren an? Die Kirche und die Stadt sind bereit, viel zu machen. Bei Maßnahmen von der Stadt werde ich immer gefragt, selbst wenn es nur kleine Kanalarbeiten in einer Straße sind, wo ohnehin nichts ist. Es gibt auch Privatinvestoren, mit denen es super klappt. Aber es gab auch schon Konflikte mit Privatinvestoren, die sich fragen: Warum? Sie können natürlich verlangen, dass wir bestimmte Sachen in einer bestimmten Zeit fertigmachen. Aber es ist gesetzlich verankert, dass wir bei Interesse Ausgrabungen vornehmen dürfen. Manche belächeln uns ein bisschen und sagen: "Archäologen buddeln und finden dreckige Sachen interessant." Aber insgesamt werden wir gut wahrgenommen und es wird gesagt, dass die Archäologie viel für die Kenntnis der Geschichte bringt. Wie teuer sind Ausgrabungen wie am künftigen Stadthaus? Ein Archäologie-Projekt, das drei, vier Monate dauert, kann schnell mehr als hunderttausend Euro kosten. Die Ausgrabungen müssen die Bauherren zahlen. Es gibt einen Rahmen, in dem die Kosten für die Archäologie zumutbar sind. Dieser Bereich liegt zwischen zwei und zehn Prozent der Gesamtkosten eines Bauprojekts, je nach historischer Bedeutung der Entdeckung. Wenn Sie frei wählen dürften: Wo würden Sie in Paderborn gerne noch "buddeln"? Ein Problem der Bodendenkmalpflege ist, dass nur untersucht wird, was wirklich bedroht ist, was durch Baumaßnahmen zerstört wird. Wenn ich graben dürfte, wo ich wollte, wäre Richtung Marienloh sicherlich einiges aus neolithischer Zeit zu finden. Ein weiterer interessanter Punkt: Anhand von historischen Quellen habe ich mittlerweile einen Eindruck, wo man die Wüstung Rentinghusen, also ein verlassenes Dorf im Mittelalter, lokalisieren kann. Das ist im Osten Paderborns, ungefähr auf der Lieth, und fügt sich ein in den Verlauf des Hellwegs von Salzkotten im Westen nach Paderborn um die Domburg und dann weiter nach Osten. Dort sind Siedlungen gewesen. Deren reale Existenz zu zeigen, fände ich total interessant. Wie viel von dem, was man archäologisch herausfinden könnte in Paderborn, ist bekannt und wie viel liegt im Verborgenen? Aus dem Bauch heraus gesprochen sind zehn Prozent bekannt. Archäologisch gibt es noch sehr viel zu entdecken, besonders im Stadtkern. Das ist lange noch nicht ausgeschöpft.

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