Paderborn Totenglocke vor Libori: Vor 20 Jahren starb Kardinal Degenhardt

Paderborn. Die Vorfreude auf das Liborifest ist in diesem Jahr nach der Corona-Abstinenz besonders groß. Das war sie auch vor 20 Jahren, sollte der langjährige Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt doch sein goldenes Priesterjubiläum in der Libori-Woche begehen. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Degenhardt starb zwei Tage vor Beginn des Festes. Mit dumpfen Schlägen verkündete die Totenglocke des Doms den plötzlichen Tod des 76-Jährigen. Und alles war anders. Statt am zweiten Libori-Sonntag sein Priesterjubiäum zu feiern, wurde Degenhardt, dessen Herz wohl gegen 5 Uhr an diesem 25. Juli 2002 zu schlagen aufgehört hatte, am zweiten Libori-Samstag in der Bischofsgruft der Domkrypta beigesetzt. Zuvor war sein Leichnam eine Woche lang in der Bartholomäuskapelle aufgebahrt worden Tausende von Gläubigen verneigten sich in dieser Woche vor dem Toten und trugen sich in die Kondolenzbücher ein. Gefeiert wurde Libori aber natürlich trotzdem. Generalvikar Bruno Kresing rief sogar ausdrücklich dazu auf. Der Erzbischof hätte sich gefreut, sagte er damals. Zu Degenhardts Beisetzung kamen neun Kardinale, 60 Bischöfe sowie zahlreiche Ehrengäste aus Politik und Gesellschaft, zelebriert wurde das Requiem vom späteren Papst Joseph Ratzinger. Nie zuvor hatte es in der Hauptkirche des Erzbistums eine größere Beisetzungsfeier gegeben. &bdquo;Konsequenter Oberhirte“ überschrieb die NW damals ihren Nachruf auf den Mann, der das Erzbistum Paderborn fast drei Jahrzehnte lang wie kaum ein anderer geprägt hatte. &bdquo;Streng im Glauben, streng auf der Linie des Papstes“ sei Degenhardt gewesen, der 1974 Nachfolger von Kardinal Jaeger wurde. Für bundesweite Schlagzeilen sorgte die monatelange Auseinandersetzung mit Eugen Drewermann. Ihm entzog der Erzbischof 1991 die Lehrbefugnis und suspendierte ihn später vom Priesteramt. 1952 in Paderborn zum Priester geweiht Degenhardt wurde im Jahr 1926 in Schwelm geboren, 1952 in Paderborn zum Priester geweiht und 1968 von Papst Paul VI. zum Weihbischof ernannt. Papst Johannes Paul II. erhob ihn im Oktober 2001 zum Kardinal. Seit dem Jahr 2012 trägt der Platz vor der ehemaligen Domdechanei und heutigen Stadtbibliothek Degenhardts Namen. Inzwischen jedoch wird die Amtsführung Degenhardts deutlich kritischer gesehen als noch vor zehn Jahren. Im Dezember 2021 hat die Universität Paderborn das Zwischenergebnis einer vom Erzbistum beauftragten Untersuchung zu Fällen des sexuellen Missbrauchs durch Priester in den Amtszeiten von Lorenz Jaeger (1941 bis 1973) und Johannes Joachim Degenhardt (1973 bis 2002) vorgelegt. Die Kirchenhistorikerinnen Nicole Priesching und Christine Hartig erheben als Autorinnen der Studie gegenüber beiden Würdenträgern konkrete Vorwürfe. So habe es eine Fürsorge und teilweise auch schriftlich ausgedrücktes Mitgefühl für die insgesamt 160 Beschuldigten gegeben. Zudem seien Beschuldigte in vielen Fällen einfach versetzt worden, so dass sich eine Wiederholungsgefahr ergab. Degenhardts 20. Jahresgedächtnis ist bereits am vergangenen Mittwoch in einem von Erzbischof Hans-Josef Becker zelebrierten Kapitelsamt begangen worden. Seine letzte Ruhestätte, die Bischofsgruft in der Krypta, ist wegen der derzeit laufenden Bauarbeiten nicht begehbar. Ein anderer Ort der Erinnerung wird nicht geschaffen, teilte das Erzbistum auf Anfrage mit.

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