So stehen Paderborner Einrichtungen zum Gesellschaftsjahr

Paderborn. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hat die Debatte angestoßen, dass jeder junge Mensch in Deutschland einen sozialen Pflichtdienst absolvieren sollte. Auch der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Carsten Linnemann aus Paderborn unterstützt die Idee eines "allgemeinen Gesellschaftsjahres" schon lange. Die Idee dahinter ist die, dass sich junge Menschen für eine gewisse Zeit in einer sozialen Einrichtung oder bei der Bundeswehr engagieren sollen. Das basiert seit Abschaffung der Wehrpflicht bisher nur auf Freiwilligkeit. Auch in Paderborn absolvieren viele Menschen vor ihrem Studium oder ihrer Ausbildung ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ). Was halten Paderborner Einrichtungen von einem Gesellschaftsjahr? Vorstandssprecher des St. Johannisstifts, Martin Wolf, und die stellvertretende Personalleitung Heike Bürger sind der Meinung, dass ein Gesellschaftsjahr einer von mehreren wichtigen Bausteinen wäre, wie der Bedarf an Fachkräften gedeckt werden könnte. "Wir machen sehr gute Erfahrungen mit den jungen Menschen. Die meisten sind sehr motiviert und engagiert und uns eine große Hilfe", gibt Wolf an. Im St. Johannisstift können jährlich bis zu 20 Freiwillige aufgenommen werden. Aufgrund der Bewerbersituation hätten in den vergangenen Jahren jedoch nicht alle angebotenen Stellen besetzt werden können. Mit einem freiwilligen sozialen Jahr könne das Johannisstift junge Menschen für die Berufsfelder und Tätigkeiten begeistern. Aus der Arbeit würden die Freiwilligendienstleister eine Stärkung der sozialen Kompetenzen und erste berufliche Qualifikationen mitnehmen. "Viele bleiben bei uns. Sie absolvieren eine Ausbildung bei uns oder nehmen ein Studium im medizinischen oder sozialen Bereich auf", sagt Wolf. "Die Freiwilligen sind unverzichtbar." Das gibt auch Charlotte Hoppe, Sprecherin der St. Vincenz-Kliniken mit Standorten in Salzkotten und Paderborn an. "Tendenziell bleiben viele Freiwillige dem Gesundheitswesen treu: Sie schließen eine Ausbildung zum Pflegefachmann oder zur Pflegefachfrau an oder beginnen ein Medizinstudium." Aktuell seien 13 Freiwilligendienstleistende und 21 Fachoberschulpraktikanten in den Kliniken beschäftig. Im Schnitt seien es jährlich etwa 35 Freiwillige. "Die Freiwilligen sind unverzichtbar auf den Stationen: Sie führen unter Anleitung pflegerische Tätigkeiten durch. Beispielsweise messen sie die Vitalzeichen und unterstützen bei der Grundpflege", schreibt Hoppe. Im Laufe der Zeit würden sie fest in den Stationsalltag integriert werden. Zu der Frage eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres möchte das Krankenhaus aber keine Stellung beziehen. Auch das Technische Hilfswerk (THW) beschäftigt Bundesfreiwilligendienstleistende (Bufdi). Laut Sprecherin Josefine Didam seien sie bereits ein wichtiger Teil des THW geworden. Anfang 2022 gebe es mehr als 800 Bufdi bundesweit beim THW. "Die Zahl der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer ist seit Aussetzung der Wehrpflicht stabil beziehungsweise steigend", sagt Didam. Das THW sei daher nicht auf eine allgemeine Dienstpflicht angewiesen. Eine solche könne aber die Möglichkeit bieten, das THW durch Dienstpflichtleistende zu verstärken, heißt es weiter. Das Gesellschaftsjahr auch im Handwerk Bundesfreiwilligendienstleistende beim THW würden mit ihrem Engagement den Bevölkerungsschutz stärken. "Ihnen werden spannende und vielseitige Herausforderungen angeboten - von der Unterstützung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in den Ortsverbänden bis zur Öffentlichkeitsarbeit und Verwaltungsaufgaben. Sie können die Strukturen und Arbeit des THW kennenlernen", sagt Didam. Der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe, Michael Lutter, sagt, er sehe große Potenziale in dem Gesellschaftsjahr, wenn es auch auf Gewerke des Handwerks ausgeweitet werden würde. "Aus Sicht des Handwerks könnte ein Gesellschaftsjahr eine wichtige Rolle bei der Interessensfindung und beruflichen Weichenstellung junger Menschen einnehmen", sagt Lutter. "Jugendlichen bietet es die Möglichkeit, sich in einem für sie attraktiven Tätigkeitsfeld auszuprobieren. Diese Erfahrungen können sie für eine anschließende Berufsausbildung nutzen." Laut Lutter soll es aber eher ein Berufsorientierungsjahr sein und sich nicht nur auf soziale Berufe beschränken. "Wenn es gelingen würde, junge Menschen über ein solches Orientierungsjahr für eine handwerkliche Ausbildung zu begeistern, wäre das ein wichtiger Beitrag zur Fachkräftesicherung. Das liegt nicht nur im Interesse des Handwerks, sondern auch der Gesamtgesellschaft", sagt Lutter. Einen Makel gebe es allerdings, wenn ein Gesellschaftsjahr zur Pflicht würde. "Dann fehlt der Wirtschaft ein kompletter Jahrgang in der Ausbildung. Das wäre fatal", sagt Lutter. Gerade im Handwerk gebe es schon jetzt zu wenig Auszubildende und zu viele unbesetzte Stellen.

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