Kolumne

Erwin Grosches Gedanken über Paderborner Wahlplakate

Der Kabarettist, Autor und Kleinkünstler Erwin Grosche schreibt in seiner Kolumne über das Leben in Paderborn - Skurriles, Witziges, Herzliches und auch Nachdenkliches.

Macht sich Gedanken: Erwin Grosche. | © Harald Morsch

18.09.2021 | 18.09.2021, 13:38

In den Zeiten vor Wahlen versuche ich mich durch nichts ablenken zu lassen. Schon immer reizte es Werbefachleute, durch drei Schlagworte Parteiprogramme (1), Ideologien (2) und Produkte (3) zu beschreiben. Oft entdeckt man da Trinitäten, die mit drei Begriffen doch nur eine Deutung anstreben. „Echt. Gut. Einzigartig – Biomanufaktur Schloss Hamborn" oder „Aufbruch, Reform, Erneuerung – Linnemann, CDU". Wie wäre es denn andersrum? „Aufbruch, Reform, Erneuerung – Biomanufaktur Schloss Hamborn" oder „Echt. Gut. Einzigartig – Linnemann, CDU"?

Ist es nicht die Sprachmelodie, die eindeutig mehr fasziniert als die eigentliche Bedeutung der Begriffe? Gerade den Schloss Hambornern würde ein schlichter Slogan wie „Gut und lecker" auch stehen. Was macht eigentlich Carsten Linnemann im Musikhaus Schallenberg, wo er neben Rainer Schallenberg in der Gitarrenabteilung steht? Ich hätte auf dem Plakat eine Aussage gesetzt, wie: „Manchmal braucht man den Experten." Das hätte Witz gehabt. So, wie man sich einst zu „Einigkeit und Recht und Freiheit" bekannt hat, ist auch der Ritter-Sport-Slogan: „Quadratisch, praktisch, gut." ein Versuch, etwas mit drei Schlagwörtern zu beschreiben. Da herrscht Glaube, Hoffnung, Liebe. „Love, Love, Love."

Trend dieses Wahljahres ist es auch, oft ein „Jetzt" auftauchen zu lassen und eine kaum lesbare Schrift zu nutzen. So taucht Christian Lindner nur noch auf Schwarz-Weiß-Fotos und mit deutschen Sorgenfalten auf. „Mehr Freude am Erfinden, als am Verbieten." Da schiebt sich die FDP mit zwei positiv besetzten Begriffen nach vorne und setzt es gegen ein negativ besetztes Schlagwort ein.

Man könnte aus dem Slogan auch lesen, dass die Partei sich eher am Erfinden von Wahrheiten beteiligen möchte, als dem Wahlvolk mit Einschränkungen auf die Nerven zu gehen. Wie lustig, dass die Grünen wieder Plakate haben, auf denen weder die Inhalte lesbar, noch die Personen erkennbar sind.

Zum Glück gehen in der Vielfalt der Gestaltungssünden auch die plumpen Annäherungsversuche der AfD unter. Wer gestaltet eigentlich die Plakate der Linken? Sitzt da Reinhard Borgmeier in seinem Hobbykeller und bastelt mit Pattex, Uhu und Tesafilm ein typisches Linken-Plakat zusammen? Wusste man vorher nicht was sexy ist, klärt sich nun auch das: „Sozial, Ökologisch, Gerecht. Das ist sexy". So bekommt man jeden ins Bett, außer die CDU.

Auch die SPD stimmt ein im Dreiklang der Wörter: „Zukunft. Respekt. Europa" – so lautet die überraschend gelungene Trinität ihres Wahlprogramms. Sie haben in diesem Jahr die wirkungsvollsten Plakate. Sie stechen mit roten Farbe und einer gewissen Direktheit hervor. So vermittelt schon die Farbe die Botschaften, zumal alle Kandidaten aussehen wie Olaf Scholz.

„Welches ist der Unterschied zwischen einer Telefonzelle und der Wahl? In der Telefonzelle muss man erst zahlen und darf dann wählen. Bei der Wahl darf man erst wählen und muss dann zahlen."

Friede, Freude, Eierkuchen.

Erwin Grosche, Kabarettist und Kleinkünstler.