Partynächte: Lösung im Paderquellgebiet scheitert am Personal

Paderborn. Auch die Nacht zum vergangenen Sonntag verlief in Paderborns guter Stube, dem Paderquellgebiet, wieder reichlich unruhig. Noch gegen 2 Uhr fand die von Anwohnern herbeigerufene Polizei an die 300 lautstark feiernde junge Leute vor, die nach einem Katze-und-Maus-Spiel nur mit Mühe und Not dazu bewegt werden konnten, das Quartier unter lautem Gejohle zu verlassen. Zwei Personen mussten sogar in Gewahrsam genommen werden. Anwohner hätten von der "schlimmsten Nacht des Jahres" gesprochen, so die Polizei. Das hatte es von Anwohnern auch schon am vorletzten Wochenende geheißen - die inzwischen lange Reihe der schlaflosen Nächte scheint sich bis auf Weiteres fortzusetzen. Sozusagen mit Ansage. Denn: Alle wissen Bescheid, dass es bei sommerlichem Wetter wieder zu solchen Partys kommt. Doch eingeschritten wird erst, wenn genervte Anwohner bei der Polizei anrufen. Und wenn die dann auch genug Beamte übrig hat, um überhaupt wirkungsvoll eingreifen zu können. Schließlich ist nächtliche Ruhestörung kein Kapitaldelikt, das ganz oben auf der Einsatzliste der Polizei steht. Dabei gehört das Paderquellgebiet eigentlich zum zentralen Einsatzgebiet der BOSS-Wache gleich nebenan in der Marienstraße. Das "Büro für Ordnung, Schutz und Sicherheit" als gemeinsame Anlaufstelle von Ordnungsamt und Polizei existiert seit 23 Jahren. Es wurde als Reaktion auf Negativentwicklungen in der Innenstadt und ein größer gewordenes Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung gegründet. Ihr besonderes Kennzeichen sind die Doppelstreifen: Jeweils ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes sowie ein Polizist machen ihre Runden durch die Innenstadt, sind ansprechbar und greifen ein. Sie seien jedoch in dieser Besetzung erst seit etwa vier Wochen wieder unterwegs, weil zu Hochphasen der Corona-Pandemie die entsprechenden Kontrollen vom Ordnungsamt in Eigenregie organisiert worden sein, so dessen Leiter Udo Olschewski gegenüber der NW. Pläne für BOSS-Wache nie voll umgesetzt Doch während die (insgesamt vier) Streifen freitags im Sommer bis 1 Uhr morgens ihre Runden drehen, ist samstags schon um 18 Uhr Dienstschluss. Danach sei die Polizei zuständig, heißt es von der Stadt. Diese Vereinbarung stamme allerdings aus Vor-Corona-Zeiten, als das feierlustige Publikum noch ungleich mehr Möglichkeiten zum Amüsieren hatte - zum Beispiel in Discos und Klubs, die derzeit noch geschlossen sind. Die Dienstzeiten in der aktuellen Lage neu anzupassen ist unterdessen bisher nicht gelungen. Die Polizei weist jedenfalls gegenüber der NW darauf hin, dass sie auch noch an zahlreichen anderen Brennpunkten zur Stelle sein müsse. Ebenfalls weit vor der Pandemie war Anfang 2017 auch vom Rat der Stadt beschlossen worden, Personal für insgesamt sechs Doppelstreifen zur Verfügung zu stellen. "Doch die dazu gehörenden sechs Vollzeitstellen der Polizei hat der Kreis in der Folge nie komplett besetzt", sagt Udo Olschewski. Olschewski weist unterdessen auch auf eigenen strukturellen Personalmangel hin: "Wenn wir samstags erst abends den Dienst beginnen würden, dann hätten wir tagsüber niemanden, der auf dem Wochenmarkt, in den Lieferzonen oder insbesondere auch am Westerntor nach dem Rechten schaut. Und unsere Leute sind gar nicht für alle Fälle ausgerüstet und ausgebildet wie ein Polizist", sagt der Behördenleiter und nennt auch gleich noch die Seen, die sonntags durch BOSS-mobil bestreift werden müssen. Dabei haben CDU und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag grundsätzlich sogar bis zu sieben städtische BOSS-Stellen mehr beschlossen. Vier Stellen hatte Udo Olschewski schon selbst im letzten Herbst beantragt, um insbesondere das Personal für die mobile Boss-Wache auf bis zu drei Zweierteams aufstocken zu können. Sie finden sich denn auch im aktuellen Stellenplan wieder, konnten wegen dessen Verabschiedung im April aber erst verspätet ausgeschrieben werden. Olschewski: "Unter 33 Bewerbungen war dann nur eine qualifizierte; die sieben Justizvollzugsbeamten, die sich unter den anderen bewarben, konnten wir nicht übernehmen, da es sich bei uns nur um Stellen für Angestellte handelt." Mit einem eigenen Mitarbeiter, der zum 1. September neu zugeordnet werde, könne demnächst aber immerhin eine weitere Streife gebildet werden. Verschafft Libori nun sogar eine Atempause? Die Feier-Zone aus dem Paderquellgebiet in andere Bereiche der Innenstadt zu verlagern, scheint unterdessen auch nicht so einfach zu sein. Dies hatte zuletzt die kleine Ratsfraktion von FBI/Volt im Rat beantragt, allerdings vergeblich. "In der gesamten Innenstadt haben wir nur sensible Bereiche. Egal, wohin man schaut - wir hätten überall genervte Anwohner", sagt Jens Reinhardt, Sprecher der Stadt Paderborn. Auf der seit Montag neu gestalteten Webseite der Anwohner im Paderquellgebiet (www.paderquellgebiet.de) lässt sich unterdessen nur erahnen, wie groß deren Frust inzwischen ist. Sozusagen unter den Augen der Behörden sei das Paderquellgebiet zum rechtsfreien Raum geworden, heißt es. Provokativ greifen sie Bürgermeister Michael Dreier, Landrat Christoph Rüther, Ordnungsamtsleiter Udo Olschewski und Stadtsprecher Jens Reinhardt mit frechen Sprüchen an und wollen künftige Aktionen vorbereiten. Besonders beklagt wird, dass die Behörden sie bisher als Gesprächspartner ignorierten - trotz eigener Ankündigungen. Unterdessen tut sich intern momentan durchaus etwas: Die Spitzen von Stadt und Kreis, Polizei und Ordnungsamt träfen sich "in Kürze" zu Lösungsgesprächen, kündigte Udo Olschewski am Montag gegenüber der NW an. Unter den Vorschlägen befinden sich nach NW-Informationen durchaus auch solche, die auf der von Alkohol- bis Aufenthaltsverbot reichenden Forderungsliste der Anwohnerinnen und Anwohner stehen. Was die Lage im Paderquellgebiet in den nächsten Tagen wiederum verändert, ist das Liborifest. Ab Mittwoch werden die Grünflächen an der Warmen Pader für den Pottmarkt abgesperrt. Dann übernimmt dort, auch weil nach und nach Bühnentechnik aufgebaut wird, ein Wachschutz. Als nächtliche Feier-Location eignet sich Paderborns gute Stube dann jedenfalls für die nächsten gut eineinhalb Wochen nicht mehr.

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