Was Paderborner Ratsfrauen zu Quote, Feminismus und Gleichstellung sagen

Paderborn. Im neuen Stadtrat gibt es einen Frauenanteil von 31,7 Prozent. Noch deutlicher wird die ungleiche Geschlechterverteilung mit Blick auf die Ausschüsse. Im Bauausschuss sind es 14,3, im Gleichstellungsausschuss 84,6 Prozent. Die Neue Westfälische hat mit drei Ratsfrauen über ihre Rolle als Frau in der Kommunalpolitik gesprochen. Sie alle sind in ihrer ersten Legislaturperiode im Stadtrat. Katharina Müller (Bündnis 90/ Die Grünen) "Ein Frauenanteil von 31,7 Prozent im Stadtrat hat nichts mit Gleichberechtigung zu tun. Das spiegelt nicht die Paderborner Gesellschaft wider", kritisiert die 19-jährige Katharina Müller den Anteil weiblicher Mitglieder im Paderborner Stadtrat. Vor zwei Jahren war sie Mitgründerin der lokalen Fridays-for-Future-Bewegung. Wahlkampferfahrung hat sie bereits zur Europawahl gesammelt, doch im Zuge der Kommunalwahl hat sie dann das erste Mal für sich selbst geworben: "Das war anfangs schon seltsam", sagt sie. Auf Postings in den sozialen Medien folgten Kommentare, die ihre Kandidatur kritisierten. "Ich habe auch sexualisierte Nachrichten in den sozialen Medien erhalten. Das fand ich sehr extrem und wusste zunächst nicht, wie ich damit umgehen sollte", berichtet Müller. Innerhalb der Grünen Jugend NRW habe sie sich mit anderen ausgetauscht und dann entschieden: Solche Nachrichten werden gelöscht und die Personen blockiert. "Ich habe innerhalb meiner Fraktion nicht das Gefühl, dass mein Geschlecht eine Rolle spielt. Ich habe eine Meinung und sage die. Aber im Rat nehme ich das anders wahr", erklärt Müller. Das hänge aus ihrer Sicht damit zusammen, dass deutlich mehr Männer im Rat vertreten sind als Frauen. Bei Wortbeiträgen sei auffällig, dass sich viele umdrehten und schauten, wenn eine Frau rede - bei Männern sei das nicht der Fall. Zudem ist sie das jüngste Ratsmitglied. "Ich werde manchmal etwas komisch angeguckt, wenn ich das Wort ergreife", stellte Müller in den ersten Sitzungen fest. Sie wäre dafür, dass nicht nur mehr Frauen im Rat sitzen, sondern auch verschiedene Altersgruppen und Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen. Katharina Müller ist Schülerin der Gesamtschule Elsen und plant, 2022 ihr Abitur abzulegen. Daher war es ihr auch wichtig, im Schulausschuss mitzuarbeiten sowie im Jugendhilfeausschuss, der sich noch nicht konstituiert hat. "Ich bin täglich von den Entscheidungen betroffen, die im Schulausschuss gefällt werden, und kenne die Problemstellen." Stefanie Harth (CDU) Die 29-jährige Stefanie Harth kennt die Kommunalpolitik von der Verwaltungsseite: Sie arbeitet im Bauamt der Stadt Büren. Dort hat sie schon den Bauausschuss besucht, Beschlussvorlagen geschrieben und ist mit Verwaltungsfragen vertraut. Daher lag es für sie auch nahe, sich im Bauausschuss zu engagieren. Zudem ist sie Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung, im Umweltausschuss sowie im Ausschuss für Digitalisierung. "Dass wir im Bauausschuss nur drei Frauen sind, spielt für mich keine Rolle", sagt sie. Der Gleichstellungsausschuss sei zwar auch für sie im Gespräch gewesen, doch ihre Prioritäten habe sie dann auf die anderen vier Ausschüsse gelegt. Auf ihrer politischen Agenda stehen: Bauthemen, Konversion, Mobilität und Digitalisierung. "Ich persönlich bin nicht für eine Quote", sagt Harth zum Frauenanteil von 31,7 Prozent im Stadtrat. Es sei zwar wünschenswert, dass sich mehr Frauen in dieser Arbeit einbringen, eine Quotierung jedoch der falsche Weg dafür. "Ich bin eher dafür, dass man Frauen motiviert und sie beispielsweise durch Veranstaltungen über Kommunalpolitik informiert und dafür begeistert." Sie erlebe in der CDU-Fraktion, dass es weniger um das Geschlecht gehe, sondern eher um das Individuum. Auch in den bisherigen Ratssitzungen hat sie durchweg positive Erfahrungen gemacht: "Ich denke nicht, dass mein Geschlecht eine Rolle in der Ratsarbeit spielt. Ich habe viel Zuspruch dafür bekommen, dass ich als junge Frau in den Rat gehe - sowohl von Freunden und meiner Familie als auch in den Sozialen Medien." Elke Süsselbeck (Linksfraktion) Nachdem Elke Süsselbeck für das Amt der Bürgermeisterin kandidiert hatte, sitzt sie nun für die Linksfraktion im Rat. Sie wirkt in dieser Legislaturperiode im Sozialausschuss und im Gleichstellungsausschuss mit. Auf die Frage, ob sie sich damit für weibliche Themen entschieden hat, sagt sie: "Ich denke, das sind Themen, die Frauen und Männer gleichermaßen angehen. Ich bin Feministin, aber denke, Feminismus richtet sich an Männer und Frauen." Die Frauenquote von 31,7 im Stadtrat hält die Anwältin für bedenklich: "Es ist ein Zeichen dafür, dass zu wenig Frauen in der Kommunalpolitik sind", bewertet die 55-Jährige die Geschlechterverteilung im Stadtrat und merkt an, dass sie sich generell einen diverseren Rat wünschen würde. Um das zu ändern, spricht sie sich dafür aus, Frauen gute Listenplätze zu geben. "Es liegt an den Parteien selbst, ob sie Frauen an der Ratsarbeit teilhaben lassen wollen oder nicht." Auf die Frage, wieso aus der Linksfraktion Reinhard Borgmeier den Ausschussvorsitz übernommen hat und nicht eine der beiden Frauen, sagt Süsselbeck: "Wir haben das offen diskutiert. Herr Borgmeier bringt für diesen Ausschuss die Fachkompetenz mit, ich hätte mich da nicht berufen gefühlt." In den bisherigen Ratssitzungen der neuen Legislaturperiode ist ihr bereits ein Unterschied in Bezug auf die Geschlechter aufgefallen: "Aufgrund von Corona wurden wir alle gebeten, uns mit Wortbeiträgen zurückzuhalten und sie in aller Kürze zu formulieren. Es war sehr erstaunlich, dass sich da fast jede Frau dran gehalten hat, aber kein Mann. Es war eine Ratssitzung, in der hauptsächlich Männer gesprochen haben." Als sie für das Amt der Bürgermeisterin kandidierte, habe sie sich in den Diskussionsrunden und bei Veranstaltungen gegenüber den männlichen Kandidaten nicht benachteiligt gefühlt. Doch auffällig war für sie: "Einige Themen sind nicht so zur Sprache gekommen, wie ich es wollte. Vorher war es abgesprochen, auch über Frauenpolitik zu sprechen, und das hat dann weniger oder keinen Platz gekommen. Das würde wahrscheinlich anders aussehen, wenn sich sieben Frauen und ein Mann beworben hätten", resümiert Süsselbeck.

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