Frauen im Paderborner Stadtrat kritisieren männlich dominierte Politik

Paderborn. Seit Juni läuft der Kommunalwahlkampf - und ausschließlich Männer wollen auf den Chefsessel in der Paderborner Stadtverwaltung. Nicht eine Partei hat eine Frau als Kandidatin für das Bürgermeisteramt aufgestellt. Das zeigt: Die Paderborner Kommunalpolitik ist in weiten Teilen männlich dominiert. Davon überzeugt ist Elke Süsselbeck, noch kurze Zeit Ratsmitglied für die Linken und bei der Kommunalwahl 2020 neben acht Herren die einzige Bürgermeisterkandidatin. Denn rein ins Rathaus kämen nur Menschen, die auf den Listen der Parteien einen guten Platz haben beziehungsweise sich überhaupt auf einer Liste befinden. Sie selbst kandidiert nicht erneut - und das hat mehrere Gründe. So sei es für sie als Feministin in der Kommunalpolitik schwer, ihrem Wertekompass treu zu bleiben - auch bei den Linken. Dann sei &bdquo;die Sexismus-Debatte beim Padersprinter desaströs verlaufen“, sagt die 59-Jährige. Es habe keinerlei Rücksprache der männlichen Aufsichtsratsmitglieder mit weiblichen Fraktionsmitgliedern gegeben. &bdquo;Ein großes Ungleichgewicht“ gebe es auch bei der Besetzung von Aufsichtsratsposten. Sie habe ihre in der Wohnungsgesellschaft und Wirtschaftsförderungsgesellschaft erkämpfen müssen. Lesen Sie auch: Paderborner Kandidaten im Überblick: Warum sie Bürgermeister werden wollen Die Paderbornerin ist überzeugt, dass sich Frauen viel mehr Gedanken machen Wenn die Zusammensetzung des neuen Stadtrats bekannt sei, gehe es wieder um den Frauenanteil. &bdquo;Und ich höre schon das Jammern, man habe halt keine Frauen finden können, die sich für ihre Parteipolitik engagieren möchten“, sagt sie und fragt: &bdquo;Sind Frauen letztendlich selbst schuld daran, wenn sie künftig immer weniger im Rathaus sitzen und repräsentiert werden?“ In jedem Fall machten sich Frauen &bdquo;viel mehr Gedanken, ob sie sich das zutrauen“, so Süsselbeck. Sie könne die Sitzungen nicht zählen, in denen sich männliche Ausschussmitglieder gegenseitig beschimpft und persönlich beleidigt hätten. &bdquo;Gleiches habe ich von weiblichen Ausschussmitgliedern nie erlebt.“ Im Rat herrschten &bdquo;ganz patriarchale Gesprächsstrukturen“, sagt Süsselbeck. Als Frau sei es schwer, dagegen anzureden. Gehe es doch nicht um das beste Argument. &bdquo;Frauen ziehen sich zurück, lesen Statements ab, (vor-)laute Männer prägen den Diskurs und werfen sich die Bälle hin und her.“ Dagegen habe sie in den weiblich geprägten Ausschüssen wie Sozial- oder Gleichstellungsausschuss &bdquo;ein in der Sache kontroverses, aber doch respektvolles Miteinander erlebt“. Aktuell beträgt der Frauenanteil im Paderborner Rat 30 Prozent Aktuell sind 18 von 60 Ratsmitgliedern Frauen - also 30 Prozent. Und künftig? Sieben der 29 Paderborner Wahlbezirke hat die CDU mit Frauen besetzt - auf der Reserveliste sind sechs Frauen unter den ersten 30. Die SPD hat auf der Reserveliste wie auch bei den Wahlbezirken jeweils sechs Positionen weiblich besetzt. Lediglich bei den Grünen herrscht Ausgeglichenheit. Sie haben jeden zweiten Platz weiblich besetzt - und starten sogar mit einer Frau. Macht 15 Kandidatinnen. Seit 2011 ist Petra Tebbe für die Grünen im Stadtrat. Zuletzt als Co-Fraktionssprecherin beziehungsweise -chefin. Damit ist sie die einzige Frau an der Spitze einer Paderborner Ratsfraktion. &bdquo;Bei interfraktionellen Treffen war ich immer in einer Männerrunde“, sagt die 59-Jährige. &bdquo;Frauen sind weniger zu sehen und müssen mehr darum kämpfen, ernst genommen zu werden“, sagt Tebbe. &bdquo;Ich habe das Gefühl, dass Frauen eine Schippe drauflegen müssen.“ Denn sie hätten einen anderen Stil, den sie sich von allen Parteien wünschen würde. Ohnehin seien 50 Prozent Frauen im Rat ihr Ziel. Grünen-Politikerin aus Paderborn beklagt rauen Ton Dass sie nicht noch einmal kandidiere, habe familiäre und private Gründe. Nehme man die Fraktionsarbeit ernst, stecke dahinter &bdquo;schon ein sehr, sehr hoher Zeitaufwand“. Was nur gehe, wenn der Partner oder die Partnerin das mittrage. &bdquo;Neben Berufstätigkeit und Ratsarbeit bleibt wenig Zeit für etwas anderes.“ Sie verlasse den Rat nach 14 Jahren in einer Zeit, in der die dortigen Bedingungen und der Ton immer rauer würden. Allerdings halte dies, wie sie glaubt, auch den einen oder anderen Mann davon ab. Hauptgrund weshalb sie sich im Rat zuletzt nicht mehr wohlgefühlt habe, sei die AfD. &bdquo;Die Menschen haben eine immer kürzere Lunte, der Ton hat sich in der gesamten Gesellschaft verschärft“, sagt CDU-Ratsfrau Mechthild Pleininger. Sie sei ein Jahrgang, der noch richtige politische Debatten angeschaut habe - mit Politikern wie Herbert Wehner. Da sei es ebenfalls rau, aber immer sachlich zugegangen. Nach 26 Jahren ist jetzt auch für sie Schluss im Rat. Die 58-Jährige ist wieder in Vollzeit tätig. Sie werde sich zwar weiterhin ehrenamtlich engagieren, &bdquo;aber deutlich weniger und ohne Aufwandsentschädigung“. Paderborner CDU-Politikerin sieht eine sehr zeitintensive Ratsarbeit Warum aus ihrer Sicht weniger Frauen in die Politik gehen? Einerseits sei die Ratsarbeit &bdquo;sehr, sehr zeitintensiv geworden“, sagt Pleininger. &bdquo;Zudem stellen sich Frauen viel mehr infrage als Männer und trauen sich das nicht zu.“ Sie sei damals über die CDU-Mittelstandsvereinigung von dem vielen in Paderborn noch bekannten Paul Schmandt angesprochen worden. &bdquo;Ich glaube, es fehlt heute, dass man an eine Aufgabe herangeführt und einem geholfen wird.“ Vielleicht wollten Frauen aber auch mehr gebeten werden. Froh sei sie, dass es in der vorletzten Legislatur geschafft worden sei, aus der Gleichstellungskommission einen Ausschuss zu machen. Mit Menstruationsprodukten an weiterführenden Schulen und Aktionen im Kampf gegen K.-o-Tropfen sei auch einiges auf den Weg gebracht worden. Entscheidend sei, Frauen in allen Bereichen ernstzunehmen - und nicht nur in solchen, die - wie der soziale Sektor - ohnehin mit Frauen verbunden werden. &bdquo;Frauen müssen auch bei männerdominierten Themen mitdiskutieren - und umgekehrt. Und was Feminismus betrifft: &bdquo;Ich bin das Modell: Ich bohre lange und haue nicht auf den Tisch.“

Meistgelesen