Paderborn. Keine Umzüge, keine Ehrungen, keine Versammlungen: Wegen der Corona-Krise mussten in diesem Jahr die Schützenfeste und nahezu alle kulturellen Angebote der Vereine abgesagt, gemäß den Hygienevorschriften neu konzipiert oder in digitale Formate umgewandelt werden. Um herauszufinden, wie sehr sich die Praxis der Schützenvereine verändert hat, haben nun Wissenschaftler des Kompetenzzentrums für Kulturerbe der Universität Paderborn in Kooperation mit der Warsteiner Brauerei eine Online-Umfrage durchgeführt.
Aus den ersten Ergebnissen zieht Jonas Leineweber, Projektmitarbeiter an der Universität Paderborn, ein Zwischenfazit: „Die kulturelle Praxis der Schützenvereine ist durch die Pandemie in ihrem Lebensnerv und Wesenskern getroffen, da gerade das Zusammenspiel von Gemeinschaft und Geselligkeit in der Krise nur schwer realisierbar und digital simulierbar ist." Gleichzeitig könne sich die Pandemie in einigen Bereichen des Schützenwesens aber auch als Quelle der Inspiration erweisen.
Im Forschungsprojekt „Tradition im Wandel" untersuchen die Paderborner Forscher historische Entwicklungen, Wandlungsprozesse und gegenwärtige auf das Schützenwesen wirkende Risiken, um gemeinsam mit den Vereinsakteuren Zukunftskonzepte zu erarbeiten. Bereits seit Juli stünden insbesondere die Folgen der Corona-Pandemie im Fokus der Untersuchungen, teilt die Universität mit. Insgesamt 2.274 Personen hätten vom 1. September bis 2. November an der Befragung teilgenommen.
Die meisten Befragten finden die Absage der Schützenfeste richtig
Geselligkeit und Gemeinschaft, genau die Werte, die in der Krise besonders schwer miteinander in Einklang zu bringen und zu vermitteln sind, zeichnen das Schützenwesen für die Befragten am stärksten aus. Dass sich die kulturelle Praxis ihres Vereins durch die Pandemie stark oder sogar sehr stark verändert hat, denken 83 Prozent der Befragten. Im Vergleich zu anderen Veranstaltungen und Angeboten der Vereine bedauern über 90 Prozent der Umfrageteilnehmer den Ausfall der Schützenfeste am stärksten.
Dennoch geben 95 Prozent der Befragten an, dass die Absage der Schützenfeste richtig war. Aus ihrer Sicht hätten die Vereine während der Corona-Pandemie insbesondere Werte wie Verantwortungsbewusstsein, Vernunft, Solidarität und Gemeinschaft vermittelt. Die von vielen Vorständen durch das Pandemiegeschehen befürchtete Entwöhnung und Abwendung vom Verein sei dagegen nicht messbar. Die Motivation, zukünftig ein Schützenfest zu besuchen, ist sogar bei 48 Prozent der Befragten gestiegen und nur bei 5 Prozent gesunken.
Krise beschleunigt die Digitalisierung der Vereine
Für die Digitalisierung der Vereine könnte sich die Krise sogar als Katalysator erweisen: Ein Drittel der Umfrageteilnehmer gab an, dass sich ihr Schützenverein während der Corona-Pandemie bei der Nutzung der sozialen Medien und im Bereich der Digitalisierung weiterentwickelt habe. „Die in der Pandemie eingeübten digitalen Formate könnten sich langfristig auch als geeignet für die bessere Einbindung und Teilhabe derjenigen erweisen, die nicht mehr im Ort des Schützenvereins wohnen, sich aber dennoch engagieren und einbringen möchten", so Leineweber.
Die Leiterin des Projekts und des Kompetenzzentrums, Eva-Maria Seng, bilanziert: „Um die Auswirkungen der Pandemie in diesem besonderen kulturellen Bereich überwinden zu können, muss sich unsere Gesellschaft Gedanken über diese Entwicklungen machen und Zukunftskonzepte für diese kulturellen Phänomene erarbeiten."
Die ersten Ergebnisse der Umfrage gibt es auch im Podcast: Da die dritte Warsteiner Schützenkonferenz am 7. November nicht stattfinden konnte, setzen sie die Verantwortlichen sie nun als Podcast um. Ab sofort stehen immer mittwochs neue Folgen zur Verfügung, in denen Referenten über die diesjährigen Schwerpunktthemen der Konferenz sprechen. Die Folge zu den Ergebnissen der Corona-Sonderumfrage ist ab Mittwoch, 18. November, abrufbar.