Paderborn

Was tun, wenn plötzlich der Strom ausfällt?

Telefon-Marathon durch die Callcenter der Republik und abstruse Honorar-Verhandlungen mit einem Elektriker – eine NW-Mitarbeiterin schildert ihre Probleme mit einem unerfreulichen Blackout.

Wenn die Stromversorgung unterbrochen ist, sorgen Kerzen zumindest für etwas Licht. | © Christian Allard (Unsplash)

24.11.2019 | 25.11.2019, 09:36

Paderborn. Die Dunkelheit kommt ganz plötzlich, ohne jede Vorwarnung. Gerade noch vor einem gestreamten Krimi aus öffentlich-rechtlicher Produktion den Abend eingeleitet, verdunkelt sich nicht nur die Mattscheibe, sondern zentrale Schaltstellen des Hauses: zum Beispiel das Büro mit Router, Telefon und Drucker. Die Küche funktioniert dagegen einwandfrei, auch Keller und Waschmaschine zeigen noch Saft. Merkwürdig, alle Sicherungen sind drin, was tun?

Dank mobiler Daten nach Lösungen gegoogelt, eine Info-Mail an die Firma Lichtblick - meinen Stromanbieter - gesendet und den Nachbarn angerufen, ohne Erfolg, denn es googelt sich nur sehr, sehr langsam ohne WLAN-Router und mit wenig mobilem Netz. Die Mail wird mit Standardtext automatisch generiert beantwortet und der Nachbar ist nicht zuhause.

Immer wieder stoße ich auf dieselbe Telefonnummer, die schnelle Hilfe bei Stromausfällen verspricht. Es geht tatsächlich jemand ’ran, ich erkläre mein Problem, der Mann verspricht, dass gegen 22 Uhr ein Elektriker vorbeikommt und dass der sofort zu bezahlen ist. Geht auch mit Karte! Schon merkwürdig, warum kann der keine Rechnung schicken? Egal jetzt, zahlen und fröhlich bleiben.

Am nächsten 
Morgen beginnt der Telefonmarathon

Schon um 21 Uhr steht ein junger Mann mit Werkzeugkoffer vor der Tür, die Freundlichkeit in Person, die Eloquenz eines Versicherungsvertreters. Nach einer knappen Stunde hat er drei Sicherungen gewechselt, einen Schaden im Hauptstromkasten bei den Panzersicherungen diagnostiziert, der verplombt ist und an den angeblich außer dem Strombetreiber niemand ran darf.

Mit viel Charme präsentiert er eine Rechnung von etwas über 400 Euro. Auch ich bleibe freundlich, merke schnell, dass dieser Betrag völlig beliebig ist, handele damit diese Fake-Rechnung auf die Hälfte runter und stecke meine Karte in sein Gerät. Der junge Mann empfiehlt noch dringend, am nächsten Tag den Strombetreiber zu kontaktieren, wegen der Panzersicherungen.

Am nächsten Morgen beginnt der Telefonmarathon: Lichtblick, die Hamburger Firma mit dem Gutmenschen-Strom, ist für mich hier nicht zuständig, sondern Westfalen-Weser, wo tatsächlich unter einer Paderborner Nummer eine Service-Hotline angeboten wird. Mit echten Menschen am anderen Ende der Leitung, schon vor 9 Uhr am Morgen!

Frau im Callcenter reagiert extrem genervt

Wieder erkläre ich mein Problem, dazu die Nummer vom Stromzähler und die Handynummer, werde identifiziert und beruhigt, der Schaden werde aufgenommen, ich solle am Handy bleiben, man kümmere sich. Gegen 14 Uhr wage ich den zweiten Anruf und frage bescheiden, mit welcher Wartezeit zu rechnen sei: ob Wochen, Tage oder Stunden?

Die Dame am anderen Ende, die ich in einem Callcenter in den neuen Bundesländern vermute, reagiert extrem genervt, sie wisse das nicht und lege sich auf keinen Fall fest. Aber dass der Schaden aufgenommen sei, kann auch sie mir bestätigen.

Aus Frust googele ich im Internet Bewertungen der Service-Hotline den Westfalen Weser, ganz schlimm, so der Eindruck, diese Hotline dient einzig und allein dem Zweck, verzweifelte Kunden zu beschäftigen. Niemandem wird dort geholfen. Es ist jetzt kurz vor 17 Uhr und ich rufe trotzdem noch einmal an, weil ich dringend jemanden zum Anschreien brauche. Wieder eine andere Dame am Apparat, doch mit einem Hauch von Wärme und Freundlichkeit in der Stimme, vielleicht hat sie ihre Schicht gerade erst begonnen?

Wieder erkläre ich mein Problem, wir plaudern ein wenig und ich erhalte eine Telefonnummer, die direkt nach Paderborn führt. Hier erfahre ich, dass mein Schaden niemals vom Callcenter nach Paderborn weitergeleitet wurde und niemand was von meinem Stromausfall weiß. Schlussendlich rede ich mit einem echten Elektriker von Westfalen Weser, der mir ganz entspannt erklärt, dass sein Unternehmen nicht zuständig sei und ich bitte einen Elektrikermeister anrufen solle.

Ich gebe auf 
und sitze weiter 
im Dunkeln

Einer meiner großartigen Nachbarn ist Elektriker in Rente, er begutachtet meine Leitungen, erklärt alles was der junge Mann vom „Notdienst"gemacht hat für großen Blödsinn. Alle Panzersicherungen seien in Ordnung. Irgendwo sei ein Draht verschmort, den müsse man finden, das sei Fummelarbeit und aktuell schwer, jemanden dafür zu finden.

Wie schwer, das erfahre ich beim zweiten Telefonmarathon am Tag 3: Elektriker zu bekommen ist ungefähr so schwer wie Augenärzte. Ich telefoniere, hole mir die entmutigendsten Absagen und spreche Anrufbeantworter voll.

Oft werde ich aufs nächste Jahr vertröstet, höre von Personal- und Nachwuchssorgen „Wollen ja alle studieren!", ein Unternehmen fordert sogar ein Bewerbungsschreiben, mit Skizzen von allen Räumen und toten und lebendigen Steckdosen. Die würden das dann prüfen und sich irgendwann melden. Das zieht mir auch den Stecker, ich gebe auf und sitze weiter im Dunkeln, auch tagsüber, denn die Rollladen funktionieren leider auch elektrisch.

Endlich taucht ein neuer Elektriker auf

Während ich über alternative Lösungen nachdenke, klingelt das Handy, Paderborner Nummer. Eine freundliche Dame ist dran, sie hat sich aus irgendeinem Grund über meinen verzweifelten Text auf dem Anrufbeantworter gefreut und schickt mir jetzt einen Handwerker. Unglaublich! Und dieser Handwerker kommt wirklich gleich und macht genau das, was Handwerker tun. Er misst und flucht, schneidet minimalinvasive Löcher in die Wand, flucht erneut, prüft, untersucht, holt noch seinen Chef dazu und die Sache dauert tatsächlich Stunden.

Aber schlussendlich wird alles licht, der Router meldet sich zurück, wie von Geisterhand heben sich die Jalousien, das Leben wird wieder durchlässig.

Als die beiden Helden der Arbeit Feierabend machen, ploppt eine Mail der Firma Lichtblick auf: „Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben Sie nicht vergessen. Ihre E-Mail befindet sich derzeit noch in Bearbeitung. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lichtblick Kundenservice".