
Paderborn. Es ist Mittwochvormittag, auf dem Paderborner Domplatz lockt der Wochenmarkt. Am Obst- und Gemüsestand Rodenbröker herrscht reger Betrieb, die Kunden stehen Schulter an Schulter entlang des grünen Verkaufstresens. Knackig grüne Salatköpfe, roter und weißer Kohlrabi, Paprika, Tomaten und Gurken verschwinden wie am laufenden Band in den Taschen der Kunden.
Einige haben sogar schon mitgebrachte Gemüsenetze im Einsatz, die waschbar und wiederverwendbar sind. Ein Kunde trägt einen ganzen Pappkarton voll Rhabarber weg. Umweltschädigende Plastiktüten und -verpackungen lassen sich auf den ersten Blick kaum ausmachen. Auf den ersten Blick.
Gelegentlicher Griff zur Plastiktüte
Beim genaueren Hinschauen fällt jedoch auf, dass nicht alle Kunden die Ware unverpackt einstecken. In regelmäßigen Abständen greifen die vier Verkäuferinnen routiniert über ihren Kopf nach oben und holen auf Wunsch des Kunden eine hauchdünne Plastiktüte herunter. Sie baumeln an sieben Stellen im Stand von einem Haken an der Decke.
Samt der Plastiktüte wird das Obst und Gemüse dann meist in den Taschen und Beuteln verstaut und ist ab da für die anderen Marktbesucher nicht mehr sichtbar. Die wenigsten Kunden tragen sie offen über den Domplatz.
Auf dem Wochenmarkt herrscht die soziale Kontrolle
"Die soziale Kontrolle ist gerade hier auf dem Markt sehr hoch", stellt ein Standbesitzer von Käse- und Wurstprodukten fest, der lieber anonym bleiben möchte. Das nehme bisweilen schon kuriose Züge an. Er erinnere sich an ein Paar, das habe spontan Erdbeeren bei ihm gekauft und darum auch keinen Beutel dabei gehabt. Er habe ihnen eine Plastiktüte angeboten, doch sie hätten dankend abgelehnt.
Der Verkäufer hält seine Hände nach oben, als würde er zwei unsichtbare Schalen sehr unsicher ausbalancieren. "Lieber in Kauf nehmen, alles fallen zu lassen, als mit einer Plastiktüte gesehen zu werden", scherzt er breit grinsend. Das Umdenken der Leute sei seit fünf Monaten so extrem, dass es ihn mittlerweile schon nerve. Während er das sagt, werden seine Gesichtszüge wieder ernst.

Alle seine Käse sind in einer Plastikfolie eingeschlagen. "Aus Hygienegründen und weil der Käse am Rand sonst austrocknet", erklärt er. Und trockenen Käse, das würden seine Kunden nicht akzeptieren. Er müsste diese Stellen abschneiden - und so entweder einen Verlust machen oder zum Ausgleich einen Aufpreis draufschlagen.
Als Alternative zur Plastikfolie gebe es auch eine umweltfreundliche Folie aus Maisstärke, doch auch diese teurere Variante würde sich auf den Käsepreis auswirken. "Dafür haben die Kunden kein Verständnis und ich habe keine Lust, jedem Kunden ein Referat darüber halten zu müssen, wie der Preis zustande gekommen ist", sagt der Standbesitzer.
Tablett-System ist auf dem Wochenmarkt kritisch
Umwelt- und Klimaschutz: ein emotionales Thema auf dem Wochenmarkt. Für Sabine Hoischen vom Eggehof in Borchen- Dörenhagen aber aus einem ganz anderen Grund. Sie wünscht sich klarere Anweisungen vom Veterinäramt, wie Stände von Frischeprodukten wie Fleisch, Wurst und Käse mit den von Kunden mitgebrachten Behältern umgehen sollen.
Auf Anfrage von nw.de heißt es hier von Michaela Pitz, Pressesprecherin der Kreisverwaltung: "Nach dem Lebensmittel-Recht sind die Lebensmittel-Händler selbst in der Verantwortung, dass die Lebensmittel sicher sind." Hier sei vieles gerade im Fluss, das sei unter dem Umweltaspekt sehr zu begrüßen. Das dürfe aber nicht zu Lasten der Hygiene bei Frischwaren gehen.
Und auch Elisabeth Altfeld, stellvertretende Leiterin des Amtes für Verbraucherschutz und Veterinärwesens des Kreises Paderborn, sieht den Einsatz von mitgebrachten Dosen auf Wochenmärkten kritisch. Sie dürften von den Verkäufern weder angefasst, noch mit dem Bereich hinter dem Tresen in Berührung kommen. Ein Tablettsystem, wie es auch in Supermärkten bereits zum Einsatz kommt, sei auf dem Wochenmarkt schwer handhabbar.
20 Prozent aller Kunden tuppern - Tendenz steigend
Dabei stellt der Kunde seine bereits geöffnete Dose auf ein Tablett. Der Verkäufer fasst nur das Tablett an, stellt es auf die Waage, drückt die Tara-Taste und befüllt die Dose. Danach kann der Kunde seine Dose wieder vom Tresen nehmen und sie selbst verschließen. "Nach jedem Einsatz müsste das Tablett gereinigt und desinfiziert werden. Das dürfte für einen Stand auf dem Wochenmarkt fast unmöglich sein umzusetzen", erklärt Pitz.
Das Veterinäramt könne darauf zwar hinweisen, aber keine Verbote aussprechen. Hier sei deshalb nun die Fantasie der Standbetreiber gefragt, für dieses Problem eine Lösung zu finden. 20 Prozent der Kunden kämen mittlerweile mit Dosen, schätzen sowohl der Standbesitzer von Käse- und Wurstprodukten als auch Sabine Hoischen vom Eggehof, unabhängig voneinander befragt. Tendenz seit Monaten steigend.
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