
Kreis Paderborn. Apatjan hat den Schock überwunden. Bereitwillig lässt sich der der 27-jährige Wallach von seiner Besitzerin Ansgard Koch auf die Weide führen. Am Mittwoch sah das noch anders aus. "Er ist den ganzen Tag im Stall geblieben", sagt die 73-Jährige. Am Tag davor war Apatjan in den Boker Kanal gestürzt. "Er muss kopfüber hineingefallen sein, sein Kopf war voller Schlamm." Vermutlich habe das Pferd an den Zweigen der Bäume geknabbert, die am Rand der Wiese wachsen. Koch: "Dann ist das Ufer unter ihm weggebrochen." Seit 22 Jahren lebt Apatjan bei ihr. Noch nie sei er ins Wasser gegangen.
Anderthalb Stunden hat es gedauert, bis die Feuerwehr das Tier geborgen hatte. 20 Männer waren dabei zugange. Trotzdem müsse Koch kaum befürchten, dass ihr dafür eine Rechnung ausgestellt wird, sagt Richard Kühling, bei der Paderborner Feuerwehr für die Gefahrenabwehr zuständiger Abteilungsleiter. "Ob dieser Einsatz kostenpflichtig wird, ist fraglich", so Kühling. "Das Pferd konnte sich nicht aus eigener Kraft befreien."
Bei Brandstiftung bekommt der Täter die Rechnung
Im Bereich der technischen Hilfeleistung sei ein Einsatz bei einer Notlage "primär kostenfrei". Das gelte auch, wenn ein Brand gelöscht wird. Anders sieht es bei Brandstiftung aus. "Der Täter würde eine Rechnung bekommen", sagt Kühling. Fängt ein Auto zu brennen an, geht die Rechnung für den Einsatz an die Versicherung. "Wir hatten im vergangenen Jahr 1.550 Hilfeleistungseinsätze", so Kühling. "Da wird häufig geschaut, ob die berechnet werden können." Dazu werden in der Verwaltung alle Einsatzberichte geprüft.
Der Grundsatz, dass Nothilfe kostenfrei ist, gilt auch für Tiere. Ob ein Eichhörnchen im Gullydeckel festklemmt oder junge Stockenten auf Bahngleisen herumirren: Die Feuerwehr hilft auch in kuriosen Fällen - überall im Kreis Paderborn. Kühling erinnert sich an Entenküken, die im Paderquellgebiet in einer Dachrinne geschlüpft waren. Anwohner, die höher wohnten und in das Nest schauen konnten, hatten die Feuerwehr gerufen. Die schickte ihre Höhenretter mit der Drehleiter los und befreite die Jungvögel aus ihrer misslichen Lage. "Wir machen das gern", sagt Kühling. "Dafür sind wir ausgebildet."
Die Allgemeinheit wünscht die Hilfe der Feuerwehr
Allerdings gebe es auch kritische Stimmen, die solche Aktionen ablehnen würden. Die Natur solle ihren Lauf nehmen, heißt es dann. Die Allgemeinheit sähe das allerdings anders und wolle, dass die Feuerwehr kommt. Dabei komme es auch vor, dass ein Schäferhundbesitzer unter einem Baum stehe und sich wundere, dass die Katze nicht herunterkommt. "Wenn sie nicht in einer Astgabel eingeklemmt ist, kommt sie auch von allein wieder runter", sagt Kühling.
Darauf werde ein Anrufer schon von der Leitstelle hingewiesen. Rückt nämlich die Feuerwehr zu einem vermeidbaren Einsatz aus, muss sich der Verursacher auf eine Rechnung gefasst machen. Das gelte zum Beispiel auch, wenn eine Brandmeldeanlage einen Fehlalarm ausgelöst hat und die Feuerwehr mit großem Aufgebot ausgerückt ist. Wenn im ländlichen Raum Kühe auf der Straße herumirren, wird die Feuerwehr teils von der Polizei hinzugezogen. Auch hier geht es darum, eine Gefahr abzuwenden. Kühling: "Die Tiere gefährden den Straßenverkehr."
Tierrettung ist Erfahrungswissen
Eine spezielle Ausbildung für die Rettung von Tieren gibt es bei der Feuerwehr nicht. Die Kameraden geben Erfahrungswissen weiter und informieren sich gegenseitig, wie Greifzangen und Transportboxen einzusetzen sind, sagt Kühling. Bei der Rettung von Apatjan habe sie die Drehleiter benutzt, immerhin wiegt ein Pferd mehrere hundert Kilo.
Gemächlich trottet Apatjan neben seiner Besitzerin zurück in den Stall. "Früher haben wir viele Ausritte gemacht", erzählt Ansgard Koch. Weil er altersbedingt an Arthrose leidet, wird er schon lange nicht mehr gesattelt. Er soll auf der Weide am Boker Kanal seinen Lebensabend verbringen. Dem Ufer, das schon immer mit einem Elektrozaun gesichert sei, wird er sich so schnell nicht mehr nähern.